Aktuell beißen sich Raumfahrtbehörden wie NASA und ESA sowie private Unternehmen wie SpaceX die Zähne an der Marsbesiedlung aus. Dabei haben wir den Mond, unseren Erdtrabanten, schon vor mehr als einem halben Jahrhundert besucht! Am 20 . Juli 1969 landete dort die erste bemannte Raumfahrtmission. Neil Armstrong betrat als erster Mensch einen anderen Planeten und sagte dabei den berühmten Satz: »Es ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, ein gewaltiger Sprung für die Menschheit.« 367
Da schwappt eine berechtigte Frage hoch: Warum gab es zwischen 1961 und 1972 so viele Mondmissionen – und danach praktisch kaum noch welche? Die traurige Antwort: weil Krieg herrschte. Der Kalte Krieg zwischen den atomaren Supermächten USA und Sowjetunion und den beiden Wirtschaftssystemen Kapitalismus und Kommunismus. Die Welt hatte sich nach dem Zweiten Weltkrieg aufgespalten in West und Ost, in die Militärbündnisse NATO und Warschauer Pakt. Mitten durch Europa, mitten durch Deutschland verlief der »Eiserne Vorhang«. 24
Warum die Vereinigten Staaten Anfang der 60 er-Jahre plötzlich den Mond erobern wollten? Auslöser war ein mysteriöses Signal aus dem All, das Funkamateure am 4 . Oktober 1957 mit ihren Radioantennen auffingen. Kein Scherz: Auf den Frequenzen 20 und 40 MHz waren eindeutig Pieptöne zu vernehmen, deren Ursprung irgendwo im Orbit liegen musste. Es waren die Geräusche, die der erste menschengemachte Erdsatellit auf seiner Umlaufbahn hinterließ. Sputnik 1 war eine knapp 60 Zentimeter große und 86 Kilo schwere Aluminiumkugel, die die Erde fortan alle 96 Minuten umrundete. 368
Die Russen waren im All! Hatte der Westen die Sowjetunion in technischen Dingen gerade noch als absolut rückständig betrachtet, war er jetzt eines Besseren belehrt. »Dass Menschen so etwas machen konnten, dass die Russen die Ersten waren, ob und wie das die Welt verändern kann und was nun kommen wird. Das ist die Frage, vor der die ganze Menschheit steht«, kommentierte der Berliner Sender RIAS . 369
Das Ereignis ging als der Sputnik-Schock in die Geschichte der Raumfahrt ein. Auch wenn die beiden Supermächte bereits seit 1955 angekündigt hatten, Satelliten in die Erdumlaufbahn katapultieren zu wollen, hatte im Westen doch niemand damit gerechnet, dass die Russen den Amerikanern zuvorkommen würden.
Auch der erste Mensch im All war ein Russe: der Kosmonaut Juri Alexejewitsch Gagarin. 25 Am 12 . April 1961 wurde das Raumschiff Wostok 1 vom Weltraumbahnhof Tjuratam, dem heutigen Baikonur, ins All geschossen. Der 1 ,57 Meter große Pilot umrundete darin in 106 Minuten einmal die Erde und landete anschließend in der Nähe der Stadt Saratow. 370 Zwei Jahre später brachte die Sowjetunion auch die erste Frau in den Erdorbit: Walentina Tereschkowa verbrachte bereits ganze 70 Stunden im All. 371
Die Antwort der Amerikaner folgte prompt. Fieberhaft tüftelten die Wissenschaftler der NASA fortan an der Eroberung des Mondes. Dahinter mag der Ehrgeiz gesteckt haben, dass der erste Mensch dort oben bitte kein Kommunist sein solle. Oder vielleicht die Angst, künftige Kriege könnten auch im All geführt und entschieden werden. Geld spielte im Wettlauf der Systeme für die Amerikaner jedenfalls keine Rolle mehr.
Die Geschichte der Mondmissionen, zunächst unbemannt, ist gekennzeichnet von einer ganzen Reihe von Fehlschlägen. Die erste Rakete Pioneer 0 der USA explodierte 1958 nach nur 73 Sekunden Flugzeit. 372 Ursprünglich geplant war ein »Vorbeiflug« am Erdtrabanten. Russen wie Amerikaner schossen ein ums andere Projektil ins All, doch meistens versagten die Dinger schon kurz nach dem Start, oder sie wiesen andere Fehlfunktionen auf: Die Ranger 6 der NASA sollte 1964 bei einer Kamikaze-Mission hart auf dem Mond aufschlagen und vorher so viele Bilder wie nur möglich von dessen Oberfläche liefern. Am 2 . Februar 1964 schlug die Sonde auch tatsächlich auf dem Mond auf, nur sorgte ein Kurzschluss, der sich wenige Tage zuvor ereignet hatte, dafür, dass sie nicht ein einziges brauchbares Foto lieferte. 373 Ihrem Nachfolger, der Ranger 7 , gelangten mit derselben brachialen Methode immerhin schon 4300 Nahaufnahmen. 374
1967 konnten bereits »weiche« Landungen auf dem Mond durchgeführt werden. Surveyor 5 und Surveyor 6 lieferten nicht nur Bilder, sie nahmen und analysierten sogar Bodenproben. Apollo 8 und Apollo 10 brachten dann 1968 und 1969 die ersten Astronauten in die Umlaufbahn des Mondes. Apollo 11 setzte schließlich beherzt zur ersten erfolgreichen Landung an: eine Sensation, die unsere Eltern und Großeltern live am Bildschirm mitverfolgten. Die Amerikaner hatten das Rennen gemacht. Der Jubel war groß, die Apollo-Missionen gingen weiter. Die Sowjetunion schickte übrigens nie auch nur einen einzigen Menschen zum Mond, wahrscheinlich aus Geldmangel. 375
Am 7 . Dezember 1972 fand mit der Landung von Apollo 17 die bisher letzte bemannte Mondlandung statt: Ende Gelände. Der Wettlauf der Supermächte war gelaufen, die bemannten Missionen wurden eingestellt. Aber warum? Zum einen sicher, weil keine Notwendigkeit mehr dazu bestand. Der Mond war im Kalten Krieg eben doch kein strategisch wichtiger Ort. Zum anderen waren diese Missionen sehr kostspielig.
Natürlich gab es weitere Flüge, allerdings ohne Besatzung. Indien, China, Japan und die Europäische Raumfahrtbehörde ESA brachten noch in den 2000 ern »Orbiter« zum Mond: Raumsonden, die zum Teil Daten lieferten. Und für die Zukunft sind neue Missionen geplant. Nur tauchen dabei jetzt plötzlich Privatunternehmen auf, etwa das Unternehmen SpaceX . Die Firma von Elon Musk plant mit dem wiederverwendbaren Raumschiff Starship 2023 einen bemannten Vorbeiflug am Mond, Projektname Dear Moon . Mit an Bord soll unter anderem der japanische Milliardär Yusaku Maezawa sein. 376 Das ist eine neue Dimension: Statt ausgebildete Wissenschaftlerinnen und Astronauten zu Forschungszwecken ins All zu schicken, werden nun Privatleute als Touristen zum Mond befördert.
Doch auch die NASA hat mit ihrem Artemis-Programm wieder Großes vor: Für das Jahr 2024 ist die Errichtung einer zweiteiligen Mondstation geplant. Zunächst soll Gateway in die Umlaufbahn des Mondes geschossen werden, eine Raumstation, die den Trabanten elliptisch umkreisen wird. 377 Gateway dient als Brücke zum Mars und ist modular erweiterbar: Im Laufe der Jahre können neue Ausrüstung, Forschungsstationen etc. hinzugefügt werden. Auf der Oberfläche des Mondes wird anschließend eine Basis errichtet, von der aus Astronautinnen und Astronauten aus aller Welt unseren grauen Trabanten noch in diesem Jahrzehnt so intensiv werden erforschen können wie nie zuvor. Ebenfalls vorstellbar ist, dass der Mond irgendwann als eine Art »Verkehrsknotenpunkt« für weitere bemannte Missionen durch unser Sonnensystem genutzt wird. 378 Spätere Marsmissionen fliegen dann erst mal dorthin, tanken auf und machen sich anschließend auf den Weg zum Roten Planeten. Bevor wir also den Mars besiedeln, ist der Mond dran, und das werden wir schon in den kommenden Jahren erleben! Auch wenn es gerade so aussieht, als würde es nicht 2024 , sondern eher 2026 losgehen. 379