39
Kenzie
Der Tag war irgendwie heller als alle anderen in der letzten Zeit, als ich eine Stunde später aus dem Personaleingang trat und den Weg hinunter in den Park nahm. Passend zu diesem mehr als nur perfekten Morgen begegnete ich niemandem aus Lyalls Familie, und das Personal interessierte sich nicht für mich – ich war schließlich in den letzten Wochen oft genug bei Mister Adair gewesen, um ihn wegen der Werkstatt etwas zu fragen. Also lief ich nicht nur beschwingt, sondern auch vollkommen unbehelligt durch den Park in Richtung Campingplatz. Im Kopf ging ich bereits durch, was ich alles mitnehmen musste für einen Trip nach Bali. Wahrscheinlich brauchte ich nur die kurzen Klamotten, meinen Badkram, vielleicht die zusätzlichen Sandalen … aber wieso eigentlich, wenn Lyall und ich das Bett doch gar nicht verlassen wollten? Bei dem Gedanken daran grinste ich breit. Wie glücklich konnte man wohl sein, bevor man ausflippte?
Ich war gerade am Zaun, als mein Handy klingelte. Umständlich schälte ich es aus der Rocktasche und sah Anonym auf dem Display stehen. Dennoch ging ich dran, vielleicht war es etwas Wichtiges.
»Hallo?«
»Spreche ich mit Kenzie Stayton?« Es war eine weibliche Stimme, nicht jung, aber auch nicht zu alt, die mich das fragte.
»Ja, das bin ich.« Ich klemmte das Handy zwischen Ohr und Schulter, um über den Zaun zu klettern, in Gedanken nur bei Lyall. Brauchte ich Sonnencreme oder gab es im Hotel welche? Hatte ich überhaupt eine Reisetasche im Camper? Eigentlich lud ich ja alles direkt ein. Aber irgendwo musste noch mein Rucksack sein …
»Die Kenzie Stayton, die gestern Abend verhindert hat, dass Lyall Henderson zusammengeschlagen wurde?«
Ich sprang vom Zaun und blieb stehen. Woher wusste sie das? »Wer sind Sie?«
»Jemand, der dich warnen möchte. Dein Freund ist nicht das, was er zu sein vorgibt. Und du tust gut daran, ihm nicht zu vertrauen, ganz egal, was er dir über sich erzählt.«
»Hören Sie«, sagte ich höflich, obwohl ich eigentlich total genervt war. »Ich verstehe, dass Sie denken, Sie müssten mich beschützen. Jeder in Kilmore denkt das. Aber ich versichere Ihnen, es ist nicht nötig. Ich weiß, wer Lyall ist. Und ich vertraue ihm vollkommen.«
»Dann sagt er dir also immer die Wahrheit? Über alles?«
Ich hätte auflegen sollen, weil es langsam wirklich bescheuert wurde. »Es geht Sie absolut nichts an, aber ja, er sagt mir die Wahrheit. Über alles.«
»Auch über Ada Warner?«
»Auch darüber«, beharrte ich, obwohl sich meine Nackenhaare aufstellten, als ich den Namen hörte. Er wurde voller Schmerz und Wut ausgesprochen, als hätte diese Frau am anderen Ende Ada sehr gut gekannt. »Ich weiß, was mit ihr passiert ist. Und es tut mir wirklich leid, dass sie spurlos verschwunden ist. Es muss furchtbar für alle sein, denen sie etwas bedeutet hat. Aber Lyall ist nicht daran schuld.«
»Dann hat er es dir also nicht gesagt«, stellte die Frau fest, und sie klang dabei nicht mehr wütend, sondern nur noch traurig.
Mein Überlebensinstinkt riet mir, das Gespräch zu beenden und so schnell wie möglich zu vergessen, dass sie mich angerufen hatte. Aber ich tat es nicht.
»Was meinen Sie?«, hörte ich mich stattdessen sagen.
»Ada ist nicht verschwunden … Sie ist tot . Meine Tochter ist tot. Und Lyall Henderson ist der Grund dafür.«
Tot? Kälte kroch mir in den Nacken, und ich fröstelte, obwohl es so ein warmer Tag war. Mein Hals war plötzlich sehr trocken, und ich musste schmerzhaft schlucken, weil ich das Gefühl hatte, ich könnte sonst nicht weiteratmen. »Sie ist tot?«, fragte ich so leise, dass man mich vermutlich kaum verstand.
»Sie starb am 24. August. Im Sommer vor drei Jahren.«
»Wie?«, flüsterte ich. Die Möglichkeiten, die mir durch den Kopf schossen, waren ebenso grausam wie vielfältig. Nein , sagte ich mir. Lyall hatte damit nichts zu tun . Wenn er daran irgendeinen Anteil gehabt hätte, dann wüsste ich das. Alle wüssten es.
»Sie hat … sich die Pulsadern aufgeschnitten«, sagte die Frau am anderen Ende und ihre Stimme brach. »In einem Waldstück ganz in der Nähe von Kilmore. Das Gelände gehört zum Hotel. Moira Henderson hat sie morgens bei einer ihrer Laufrunden gefunden.«
»Großer Gott …« Ada hatte sich umgebracht? Ich presste die Hand auf den Mund und fühlte mich in die Vergangenheit zurückversetzt. Plötzlich war ich wieder 14 Jahre alt und stand auf einer Eisenbahnbrücke im Wald von Wycombe, einen Fuß in der Luft, nicht sicher, ob ich mit der Verzweiflung in meinem Herzen weiterleben konnte. »Das tut mir sehr leid«, brachte ich erstickt hervor. »Es muss schrecklich für Sie sein.«
Sie stieß einen Laut aus, der so viel Kummer beinhaltete, dass er mir direkt in den Magen fuhr. »Viel schlimmer fühlt es sich an, wenn man weiß, dass der Schuldige sein Leben weiterlebt, als wäre nichts gewesen. Sich amüsiert, als wäre er nicht verantwortlich dafür, dass sie tot ist. Als hätte er sie nicht dazu aufgefordert.«
Aufgefordert?
»Das würde er nie tun«, sagte ich leise. Eine unbestimmte Angst griff nach mir. Er hat dich eiskalt angelogen, hat behauptet, Ada sei einfach nur verschwunden, dabei ist sie tot. Warum hat er das getan, wenn er unschuldig ist? Was hat er damit zu tun?
»Ja, es passt nicht, oder?«, sagte Adas Mutter bitter. »Zu dem gut aussehenden, intelligenten Jungen aus reichem Hause. Aber er hat es getan. Weil es ihm nicht gereicht hat, sich von ihr zu trennen. Er wollte sie loswerden. Für immer.«
Ich hielt den Atem an und fand keine Antwort.
Aber sie wollte auch keine. »Falls du mir nicht glauben willst: Ich schicke dir eine Datei, eine Aufnahme des letzten Telefonats zwischen beiden, bevor Ada eine halbe Stunde später … bevor sie es getan hat. Dann wirst du alles verstehen. Sieh zu, dass du verschwindest, Kenzie, bevor es zu spät ist. Du hast keine Ahnung, wer er ist. Wozu er fähig ist. Meine Tochter war ein wunderbares Mädchen und er hat sie zerstört. Ich will nicht, dass dir das Gleiche passiert.«
Damit legte sie auf, aber ich blieb trotzdem, wo ich war. Mein Kopf versuchte das Gespräch zu verarbeiten, scheiterte jedoch kläglich. Ada war tot und ich hatte es nicht gewusst. Ich hatte nichts gewusst. Was bedeutete das? Für mich, für Lyall? Für uns ? Immer noch unter Schock drehte ich mich um und sah zum Hotel, zu dem Fenster, das zu Lyalls Suite gehörte. Der Suite, in der er darauf wartete, dass ich zurückkam. Ohne zu wissen, mit wem ich gesprochen und was sie mir erzählt hatte. Sagte Adas Mutter die Wahrheit oder war das alles ein abgekartetes Spiel? Warum sollte sie lügen? , fragte etwas in mir. Sie hat keinen Grund dazu. Lyall schon.
Eine Mitteilung erschien auf meinem Telefon, es war eine Textnachricht mit Dateianhang. Ich riss mich aus meiner Starre und lief los, rannte förmlich zu meinem Camper, stürzte hinein und schloss hinter mir ab. Dann sank ich schwer atmend auf Lokis Sitzbank und legte das Handy auf den Tisch, brachte es aber nicht fertig, die Datei anzuklicken. Noch hatte ich die Wahl. Ich konnte sie löschen, mit Lyall über das Telefonat reden, ihn fragen, warum er mich angelogen hatte. Ihn nach seiner Version der Geschichte fragen. Aber würde er mich dann nicht wieder anlügen? Er hatte behauptet, Ada wäre verschwunden. Er hatte gesagt, er hätte nicht mehr mit ihr geredet, nachdem sie weggelaufen war …
Nein, ich musste das hören. Ich musste die Wahrheit kennen. Vielleicht klärte es ja auch alles auf. Damit ich danach meine Sachen packen und mit Lyall nach Bali fliegen konnte. Und das hier vergessen.
Ich holte tief Luft und drückte mit klammen Fingern auf den Startbutton der Audiodatei. Es war kurz still, dann hörte ich eine unbekannte Stimme, die Ada gehören musste. Sie klang jung, nach den siebzehn oder achtzehn Jahren, die sie gewesen war, und sehr verzweifelt.
»Lyall, bitte, hör mir zu –«, flehte sie, wurde jedoch unterbrochen.
»Ich will dir nicht zuhören, Ada!« Lyall klang ebenfalls etwas jünger, aber so hart und abweisend, dass mein Frösteln zurückkam. »Ich will nicht hören, was du für Gründe hast, was für Erklärungen. Ich will einfach nur, dass Schluss ist, okay?«
Sie begann zu weinen, aber das konnte ihn nicht erweichen. Es machte ihn nur noch wütender.
»Hör auf zu heulen, Herrgott!«, schnauzte er sie an. Ich zuckte zusammen. Mit dem mitfühlenden Mann, der mich getröstet hatte, als ich wegen meiner Mutter verzweifelt gewesen war, hatte dieser Lyall nichts gemeinsam. Er erinnerte mich vielmehr an den Typen, der Drew in Edinburgh gedroht hatte. Der keine Skrupel hatte, alles zu tun, um seine Geheimnisse zu bewahren. »Heulen ist emotionale Erpressung, verdammt!«
»Können wir uns nicht treffen?«, bettelte Ada weiter. »Ich bin unten am Loch –«
»Ich will dich nicht sehen. Und außerdem bin ich beschäftigt.« Lyall ließ es so zweideutig klingen, wie sie es dann auch auffasste.
»Mit wem?«, presste sie hervor.
»Kennst du nicht«, gab er zurück. »Ich lege jetzt auf. Ruf mich nicht mehr an.«
»Nein, bitte leg nicht auf, bitte … Lyall, ich liebe dich!«, versuchte sie es ein letztes Mal. »Ich weiß, es gibt Dinge, die nicht gut gelaufen sind, aber ich mache es wieder gut, okay? Ich schwöre dir, ich mache es wieder gut. Ich liebe dich doch, ich –«
»Aber ich dich nicht!«, schnauzte er sie an. »Warum kapierst du das nicht? Das mit uns war nett, solange es gedauert hat, aber es war nie ernst. Und jetzt ist es vorbei. Endgültig!«
Ich hielt die Luft an. Hatte er mir nicht gesagt, dass er in Ada verliebt gewesen war? Dass er bei ihr darauf gehofft hatte, es wäre etwas Ernstes?
»Okay«, schluchzte Ada. »Dann verschwinde ich jetzt aus deinem Leben. Aus euer aller Leben. Für mich gibt es keinen Grund mehr zu bleiben. Also mache ich Schluss, ein für alle Mal.«
»Meine Güte, dann tu es doch endlich! Verschwinde, am besten für immer, damit würdest du jedem hier einen Gefallen tun. Vor allem mir. Ich bin froh, wenn ich dich nie wiedersehen muss!«
Man hörte Ada noch weinen, dann brach die Aufnahme ab. Das Display wurde dunkel, und ich merkte, dass ich keine Luft bekam, egal, wie oft ich einatmete. Lyalls Tonfall war so bösartig gewesen, so unglaublich gefühllos, und in meinem Kopf war nur ein Gedanke: Was, wenn mir jemand so etwas gesagt hätte, als ich auf dieser Brücke stand? Wäre ich gesprungen? Hätte ich Schluss gemacht? So wie Ada? Sie hatte vielleicht selbst die Entscheidung getroffen, sich das Leben zu nehmen. Aber Lyall hatte sie dazu gebracht. Mit seinen grausamen Worten ohne jedes Mitgefühl für dieses arme Mädchen, das so furchtbar in ihn verliebt gewesen war. Die Erkenntnis riss mir den Boden unter den Füßen weg, zerschmetterte mein Herz und ließ mich liegen, reglos, hilflos vor Schmerz. Mein Körper war taub, ich fühlte mich, als würde ich ersticken. Das kann nicht wahr sein. Das kann alles nicht wahr sein.
Aber dann schaffte ich es, einen anderen Gedanken zuzulassen: Du musst hier weg. Sofort. Ich musste verschwinden von diesem verdammten Ort, ich musste mich vor dem schützen, was hier passiert war. Vor Lyall.
Die Aufnahme von Ada und ihm kreiste in einer Endlosschleife durch meine Gedanken, unterbrochen von meinen eigenen Erinnerungen an den dunkelsten Moment meines Lebens. Meine Gefühle wollten an die Oberfläche, aber ich hinderte sie daran, drückte sie brutal beiseite, wischte die Tränen weg, um zu funktionieren. Erst einmal musste ich verschwinden. Zusammenbrechen konnte ich später.
Ich sprang aus dem Auto, riss die Abdeckung von Lokis Windschutzscheibe, zog das Stromkabel ab, warf beides ins Auto. Dann ließ ich den Wagen an und schoss aus dem Campingplatz, bog auf die Straße hinaus und gab Gas. Regen schlug gegen meine Scheiben, offenbar hatte das Wetter gedreht. Ich hasste den Gedanken daran, dass Regen mich ab jetzt immer an Lyall erinnern würde.
Ich trat das Gaspedal stärker durch, legte mein Handy auf die Ablage, schaltete das Navi ein. Wir hatten kurz nach zehn, wenn ich Loki ein bisschen quälte, konnte ich heute Abend in High Wycombe sein. Ich brauchte jetzt meine Familie. Sie waren die Einzigen, die vielleicht verhindern konnten, dass ich in den tiefen Abgrund stürzte, der sich vor mir auftat. So wie damals.
Das Telefon klingelte, Mister Darcy erschien auf dem Display. Für einen kurzen Moment war der Schmerz so übermächtig, dass ich langsamer wurde, aber dann drückte ich den Anruf weg. Tränen verschleierten meine Sicht, ich rieb mir mit der Hand über die Augen. Der Zusammenbruch kam näher, ich wusste es. Aber ich würde durchhalten. Das hatte ich immer getan.
Allerdings war ich noch nicht einmal an Carson’s Supermarkt vorbei, da tauchte Finlays Aston Martin hinter mir auf. Das war bestimmt kein Zufall und sicher saß auch nicht Lyalls Cousin in dem Wagen. Er fuhr mir nach? Was bedeutete das? Er konnte doch gar nicht ahnen, was ich gehört und mit wem ich gesprochen hatte. Warum also folgte er mir?
Ich setzte den Blinker, ohne zu wissen, wieso ich das tat. Wahrscheinlich, weil ich Sicherheit wollte, wo es gar keine zwei Meinungen geben konnte. Aber trotzdem tat ich es, meine Gefühle verlangten danach. Sie trieben mich an den Rand der Straße und dann aus meinem Auto hinaus auf den nassen Asphalt, in den Regen. Auf Lyall zu, der in diesem Moment aus dem Aston stieg und sich die verletzte Schulter hielt.
»Kenzie, was ist los? Ist etwas passiert?« Er sah mich besorgt an. Wenn ich geglaubt hatte, alles bisher wäre schlimm gewesen, dann war es dieser Moment, der mich eines Besseren belehrte. Lyalls Blick, diese ehrliche Sorge, diese Zuneigung … nichts davon war jetzt noch von Bedeutung. Er hatte das zwischen uns zerstört, schon vor drei Jahren und dann erneut in den Highlands, als er mich angelogen hatte.
Ich antwortete nicht, weil ich meiner Stimme nicht traute, und drückte nur den Startknopf auf meinem Handy. Wieder hörte ich Lyall aus dem Lautsprecher.
»Meine Güte, dann tu es doch endlich! Verschwinde, am besten für immer, damit würdest du jedem hier einen Gefallen tun. Vor allem mir. Ich bin froh, wenn ich dich nie wiedersehen muss!«
Er wurde leichenblass, als er die Sätze hörte. Völlig geschockt atmete er ein. »Kenzie, ich –«
»Ich will nur eins wissen«, fiel ich ihm ins Wort. Ich war noch nie so aufgebracht gewesen. Nicht an dem Abend, als er mich am Loch gefunden hatte, nicht nach Elenis Unfall. Wahrscheinlich nicht einmal damals, als ich zu der Brücke gefahren war. »Ist das deine Stimme? Hast du das gesagt?«
Er schwieg, vollkommen starr. Da hakte etwas in mir aus.
»Hast du das zu ihr gesagt, Lyall?!«, brüllte ich ihn an. »Hast du es gesagt und hat sie sich danach umgebracht?«
Er rang mit sich, wahrscheinlich legte er sich alle möglichen Antworten zurecht, um die richtige herauszusuchen. Aber dann war es nur ein Wort, das er aussprach. Schlicht, klar, ohne spürbare Emotion.
»Ja.«
Meine Knie wurden weich, mir wurde schwindlig, so als hätte ich bis zu diesem Moment noch darauf gehofft, es gäbe eine Erklärung. Eine Montage, ein Fake, es gab Software für so etwas. Aber dieses eine Wort ließ jede Hoffnung zerbersten, und es war, als würde auch die Welt in sich zusammenstürzen und mich unter ihren Trümmern begraben. Ich hatte ihm vertraut, mich in ihn verliebt, ich hatte alle Warnungen in den Wind geschlagen und mich auf mein Gefühl verlassen, mein ach so untrügliches Gefühl.
Und nun stand ich hier, vor ihm, im Regen, sah ihm in die Augen und wusste, es hatte mich getrogen. Lyall hatte mich belogen, mir etwas vorgemacht. Ohne dass ich es bemerkt hatte. Ich war sehenden Auges ins Messer gelaufen, in dieses wunderschöne und gefährliche Messer, dessen Stiche mich nun verbluten ließen.
Kein Wort kam mehr über meine Lippen. Wie in Zeitlupe drehte ich mich um, lief zurück zu meinem Wagen. Lyall sagte nichts, er sprach mich nicht an, hielt mich nicht auf. Das war mir Beweis genug. Ich schaffte es im Laufschritt zu Loki, stieg ein, schlug die Tür zu und war allein. Allein mit dem brennenden Kummer, mit meinem gebrochenen Herzen, allein mit dem Schluchzen, das meinen Hals hinaufstieg und mich zu ersticken drohte. Und mit diesem Messer in meiner Brust. Der Schmerz war so grauenhaft und so endgültig, dass ich ihn kaum ertragen konnte.
Trotzdem schaffte ich es, die Bremse zu lösen, trotzdem schaffte ich es, loszufahren.
Loki beschleunigte, ich hielt auf die Kurve zu. Das Letzte, was ich im Rückspiegel sah, bevor die Bäume ihn verschluckten, war Lyall, der im strömenden Regen auf der Straße stand und mir nachschaute. Ohne eine Regung in seinem schönen Gesicht oder seinem perfekten Körper. Wasser lief ihm aus den dunklen Haaren in seine schwarzen Augen, aber er zuckte nicht einmal. Als wäre er nicht von dieser Welt. Als wäre er tatsächlich das, was alle sagten. Als wäre er der Teufel.
Du hast keine Ahnung, wer er ist. Wozu er fähig ist.
Doch, nun wusste ich es.
Aber jetzt war es zu spät.