Bangkok - Koh Samui

5 Uhr in der Früh, ich stehe mit meinem Rucksack am Sammelplatz für den Bus.

Auf der Strasse hockt ein junges; gepierctes Pärchen. Er hat vorne kurzrasierte Haare und hinten einen kleinen Pferdeschwanz. Dazu trägt er einen Sarong ( Wickelrock) So ein Sarong eignet sich zum Beispiel vorzüglich, wenn man eine thailändische Hocktoilette benutzen muss. Man kann ihn einfach hochheben und vermeidet so gefüllte Hosenaufschläge. Das Mädchen sieht wie eine Amerikanerin aus; trägt ein freizügig ausgeschnittenes Baumwoll T-Shirt und ebenfalls einen Batik Sarong. Beide haben Pupillen so groß wie Untertassen. Ein typisches Junky Pärchen Herrgott noch mal warum musste ich heute morgen mein T-Shirt mit dem Slogan „Cocaine Die away!“ anziehen?

Der Bus soll 5 Uhr 30 abfahren; gegen 7 Uhr trifft er ein. Yeah that’s Thailand! Aber ich kann mich nicht beklagen! Der Bus, ein 3 Achser, hat den Zusatz VIP Bus wirklich verdient. Breite Ledersitze; die in Schlafposition gebracht werden können; ein großer LCD Monitor mit Dolby Surround System und insgesamt nur 24 Sitze sind wahrlich Luxus. Vor einem Jahr, bin ich mal mit einem Bus nach Koh Chang (Insel in der Nähe von Kambodscha) gefahren. Diese Mühle war wirklich absolut schrottreif gewesen. Abgase kamen aufgrund eines gebrochenen Auspuffkrümmers in den Innenraum, nach 200 Kilometer hielt der Fahrer mitten in der Nacht an, um lose Radmuttern am Hinterrad wieder anzuziehen. Das ultimative Grauen für den deutschen TÜV!!

Aber heute kann ich es mir richtig gemütlich machen. Das Drogenpärchen nimmt vor mir Platz.. 320 PS erwachen zum Leben, es geht los, aber gleich darauf stecken wir im Megastau von Bangkok fest. Diese Stadt ist wirklich eine Katastrophe. Autos und Smog wohin man blickt, ständiges Gehupe, die Tuk Tuk Fahrer tragen Mundschutz. Zwischen gläsernen Bankenhochhäusern stehen immer wieder Bauruinen, die stummen Zeitzeugen der großen Wirtschaftskrise. Verwaiste trostlose Betonstützen sind sinnlos in der Landschaft platziert, und spätestens der Anblick eines neuen Restaurants, dass sich genau zwischen zwei Stützen befindet, macht dem Betrachter klar, dass die geplante Hochstrasse nie verwirklicht wird. Diese Stadt bringt mich um den Verstand! Sie haben eine Hochbahn, den Skytrain von Siemens, dessen hässliche Betontrasse das Stadtbild weiter verschandelt. Gleichzeitig gibt es jetzt aber auch eine U-Bahn. Beide weisen kein flächendeckendes Verkehrssystem auf. Diese Stadt ist garantiert nicht am Reißbrett entstanden. Das Monster wächst unkontrolliert, ist kontaminiert. Altersschwache öffentliche Busse speien krebserregenden schwarzen Ruß in die stickige, verseuchte Atmosphäre. Feinstaubbelastung?? Eine Diskussion, die in Deutschland geführt wird? Ich kann mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Wir brauchen fast drei Stunden nur um aus Bangkok herauszukommen. Aber jetzt rollen wir dahin; und ich bin gerade am einschlafen, als ich durch Detonationen und infernalisches Geballere geweckt werde. Was ist los?? Ah nur die Dolby Surround wurde bis zum Anschlag aufgedreht!! Auf dem Monitor läuft Rambo Teil 1. Danke! Ich kann nicht mehr einschlafen. Fünf Stunden darf ich Rambo Teil 1-3 genießen. Gibt es eine schlimmere Folter. So habe ich mir eine gemütliche Reise immer gewünscht. Zwischendurch kann ich durch den Spalt der beiden Sitze vor mir sehen, wie der Drogentyp viele bunte Pillen auspackt und sie genüsslich mit Wasser runterspült. Na prost Mahlzeit.

Nach endloser Fahrt, sehe ich ein Schild auf dem ein Boot abgebildet ist. Jetzt kann es nicht mehr lange dauern, bis wir die Anlegestelle des Katamarans erreichen. Doch das ist ein Trugschluss. Wir kurven eine Stunde über eine Strasse, auf die der Bus eigentlich nicht passt. Die Strasse ist zu schmal, und der Bus zu hoch; ständig schlagen armdicke Äste aufs Dach. Aber dann erreichen wir doch den; ja was ist das eigentlich, abenteuerlichen ungefähr 100 Meter langen Holzsteg; an dem man bestenfalls ein Ruderboot festmachen könnte. Aber nein am Ende sehe ich tatsächlich den riesigen Katamaran. Es sind noch mehrere Busse hier und es dauert mal wieder bis sämtliche Katamaran Tickets kontrolliert sind; aber dann darf ich das Prachtstück betreten. Kaum bin ich drinnen; schallt mir in ohrenbetäubender Lautstärke Jingle Bells entgegen. Selbst schuld!! Ich musste ja unbedingt eine Woche vor Weihnachten wegfliegen. Dafür trägt die Mannschaft des Schiffes lustige Weihnachtszipfelmützen. Mein Gott man muss es den Touristen schon recht machen. Mit den Touristen, meine ich hauptsächlich die Amerikaner, deren kitschige Lebensweise von den Thais mit kaum zu überbietendem Eifer kopiert wird. Kaum hat sich der Katamaran in Bewegung gesetzt, startet die unvermeidliche Entertainmentmaschinerie. Die Dolby Surround geht an; und ein Zombiefilm übelster Machart flimmert über die Mattscheibe. Ich liebe Kontrastprogramm. Später werde ich in Thailand noch erfahren; dass die Thai für Europäer eine teilweise sehr seltsame Auffassung von Sanuk (Spaß) haben. Man kauft sich zum Beispiel gerne Heftchen; in denen Mordopfer und Verkehrsopfer abgebildet sind. Aufgelockert werden diese Werke mit fröhlichen Rätseln, Bildern von thailändischen Models und den neuesten Handy Downloads. Nett!! Aber das hat auch etwas Positives. In der thailändischen Gesellschaft ist alles auf Harmonie ausgelegt. Konflikte werden nicht offen ausgetragen, man würde sein Gesicht verlieren. So wird vieles einfach weggelächelt, und die Konflikte schwelen unter der Oberfläche munter weiter. Manchmal brechen sie dann explosionsartig aus (Gewalt scheinbar unerklärliche) Thailand hat eine ziemlich hohe Mord und Verkehrs Toten Statistik. Damit diese Aggressionen nicht ausbrechen, liest und erfreut man sich gerne an den sogenannten Crime Magazines. Statt selbst die Kontrolle zu verlieren; hat ein anderer ein Blutbad angerichtet. So kann man zufrieden lächeln und die Aggressionen sind verschwunden. Einfach genial!!

Der Katamaran gewinnt zunehmend an Fahrt und die Wellen an Höhe. Zwei Tage vorher hat ein Sturm gewütet, und die See ist entsprechend aufgewühlt. Vom Rumpf des Bootes kommen unverschämt harte Schläge, die das Sitzfleisch der Passagiere traktieren. Das hindert den Kapitän Gnadenlos nicht daran mit Vollspeed weiter zu heizen. Die ersten Passagiere kotzen in Ihre Frühstückstüten. Die Wellen werden immer höher. Ich schaue aus dem Fenster und befinde mich unter dem Wasserspiegel; das heißt die Wellen schwappen an dem oberen Fensterrahmen vorbei. Der Kapitän sitzt natürlich in einem Aufbau über dem Passagierdeck und reißt den Gashahn voll auf. So fliegt das Ding über die Wellen. Bei jedem Schlag reißt es die Passagiere aus den Sitzen. Jetzt weiß ich auch, warum die Sessel wie Pilotensitze aussehen. Wir haben über 3 Stunden Fahrt vor uns!! Zur Beruhigung hole ich mir erst mal 2 Singha Bier und stürze sie auf Ex hinunter. Zu meiner Überraschung muss ich nicht kotzen. Nein es geht mir besser. Ein sechsjähriges Mädchen schaut mit angstgeweiteten Augen aus dem Fenster, der Vater redet beruhigend auf Sie ein aber es nützt nichts; die Kleine bekommt einen Panikanfall. Verständlich. Nach 20 Minuten muss ich auf die Toilette. Scheiß Bier!! Diese ist natürlich außerhalb am Heck der Höllenmaschine untergebracht. Ich stehe auf und werde sofort mit dem nächsten Schlag in den Sitz zurückkatapultiert. Unter größter Anstrengung schaffe ich es wie eine Kröte bis zur Hecktür zu kriechen; das ständige Gewimmer der Passagiere in meinen Ohren.

Ich öffne die Hecktür, und sie knallt sofort wieder zu mitten in mein Gesicht. Oh shit tut das weh; aber ich muss nun mal. Auf ein neues. Ich halte die Tür auf und krieche hinaus. Was würde der deutsche Tüv bloß dazu sagen?? In Deutschland wäre diese Tür während der Fahrt abgeschlossen. Aber lassen wir das, ein Menschenleben hat hier nicht den gleiche Stellenwert. Die Toilette ist links von mir; und wenn ich jetzt aufstehen würde, dann katapultiert es mich garantiert über die Heckreling in den sicheren Tod. Das würde bestimmt auch niemand von der Mannschaft bemerken. Die hocken nämlich auf dem Vorderdeck und versuchen ein losgelöstes Seil zu fixieren; das permanent gegen die Windschutzscheibe schlägt. Diese hat schon einen Sprung und besonders beruhigt hat mich ein Mitarbeiter, der ständig von innen an die Scheiben geklopft hat. Halten diese dem Wasserdruck auch stand?? Klopf, klopf, klopf. Diese Methode ist bestimmt besonders effektiv. Irgendwie schaffe ich es auf die Toilette. Diese hat zum Glück an der rechten Seite einen Haltegriff, und mit Müh und Not schaffe ich es mein Geschäft zu verrichten. Ich komme aus dem WC und will eigentlich zu meinem Sitz im Unterdeck zurück. Da sehe ich die Treppe; die hinauf zum Oberdeck führt. Vielleicht ist es oben ruhiger denke ich mir. Am Landungssteg hatte ich gesehen; dass es auch oben einen geschlossenen Raum gibt. Unter Lebensgefahr quäle ich mich die Leiter hoch. Rechts und links halte ich mich am Geländer fest; und bei jedem Schlag der Wellen werden mir die Füße von den Treppen gerissen. Aber ich erreiche das Oberdeck. Dort kauern ein paar arme Schweine im Freien auf den Sitzbänken und auf dem Boden; die wahrscheinlich auf die gleiche Schnapsidee wie ich gekommen sind. Ich krieche zu der Tür des geschützten Raumes aber diese ist verriegelt. Shit!! Jetzt bin selbst ein armes Schwein, gefangen auf dem Oberdeck. Hier ist nichts besser im Gegenteil! Die Treppe wieder runterzusteigen wäre nun wirklich Selbstmord. Also kauere ich mich auf den Boden, mit dem Rücken zur geschlossenen Tür; weil ich mich so besser abstützen kann gegen die Wahnsinnsschläge. Die Wellen müssen jetzt über zwei Meter hoch sein. Auf dem Oberdeck schleudern unbefestigte Plastikstühle unkontrolliert herum. Einer trifft mich am Bein. Neben mir ein stinkender Mülleimer, der sich ebenfalls selbständig macht. Jetzt beginnt auch hier das große Kotzen. Eine Amerikanerin torkelt auf mich zu und erbricht ihre Donuts in den Mülleimer. Eine junge Frau beginnt zu weinen. So langsam wird auch mir schlecht. Kein Wunder!! Ab und zu schlagen die Wellen über dem Oberdeck zusammen. Wir sind alle patschnass und dafür haben wir auch noch Kohle bezahlt.

Noch eine Stunde Horrortrip bis Koh Samui!!