T rina Simms wohnte in einem einstöckigen grünen Haus. Der Rasen war ungepflegt, aber die Blumenbeete waren offensichtlich vor Kurzem gejätet worden. Auf der Veranda lag eine pastellfarbene Fußmatte. Dean klingelte an der Tür, doch nichts geschah.
»Die Klingel ist kaputt.« Hinter dem Haus kam ein Typ mit Bürstenhaarschnitt hervor. Er war blond und blass und schien es eilig zu haben. Auf den ersten Blick schätzte ich, dass er in unserem Alter war, aber als er näher kam, stellte ich fest, dass er mindestens ein paar Jahre älter sein musste. Sein Akzent war genau wie Deans, nur stärker. Er lächelte uns höflich an, was in diesem Teil des Landes eher ein Reflex als tatsächliche Höflichkeit zu sein schien. »Wollt ihr etwas verkaufen?«
Sein Blick glitt über Dean und Michael und blieb bei mir hängen.
»Nein«, erwiderte Dean und lenkte damit die Aufmerksamkeit des Mannes auf sich.
»Habt ihr euch verfahren?«, fragte der Mann.
»Wir suchen Trina Simms.« Michael sah ihn unverwandt an. Ich trat einen kleinen Schritt beiseite, um Michaels Gesicht besser sehen zu können. Er wäre der Erste, der erkennen würde, ob das höfliche Lächeln etwas anderes verbarg.
»Wer seid ihr?«, fragte der Blonde.
»Wir sind die Leute, die Trina Simms suchen«, erwiderte Dean. Er war nicht aggressiv und klang auch nicht kampflustig, doch aus dem Gesicht des Fremden verschwand das Lächeln.
»Was wollt ihr von meiner Mutter?«
Trina Simms hatte also einen Sohn – einen Sohn, der bedeutend größer und stärker war als Michael oder Dean.
»Christopher!«, unterbrach uns eine nasale, schrille Stimme.
»Ihr solltet gehen«, sagte Trinas Sohn. Seine Stimme war leise, heiser und beschwichtigend, auch wenn seine Worte anders klangen. »Meine Mutter mag keine Gesellschaft.«
Ich betrachtete die helle Fußmatte. Die Eingangstür flog auf, und ich konnte gerade noch aus dem Weg springen, wobei ich fast das Gleichgewicht verlor.
»Christopher, wo ist mein …« Die Frau, die aus der Tür kam, blieb abrupt stehen. Einen Augenblick lang betrachtete sie uns blinzelnd. Dann strahlte sie.
»Besuch!«, rief sie. »Was verkauft ihr denn?«
»Wir verkaufen nichts«, antwortete Dean. »Wir wollten uns mit Ihnen unterhalten – ich nehme an, Sie sind Trina Simms?«
Deans Dialekt war ausgeprägter, als ich es je zuvor gehört hatte. Die Frau lächelte ihn an, und mir fiel wieder ein, was Daniel Redding über Dean gesagt hatte, dass er ein Junge gewesen war, den jeder sofort mochte.
»Ich bin Trina«, sagte die Frau. »Um Himmels willen, Christopher, lass doch nicht so die Schultern hängen. Siehst du nicht, dass wir Gesellschaft haben?«
Christopher machte keine Anstalten, sich aufzurichten. Aus meiner Perspektive ließ er aber kein bisschen die Schultern hängen. Ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder seiner Mutter zu. Trina Simms Haar war wahrscheinlich den ganzen Morgen auf Lockenwickler gedreht gewesen. Außer rotem Lippenstift trug sie kein Make-up.
»Ich nehme an, es wäre zu schön, um wahr zu sein, dass ihr Freunde von Christopher seid?«, fragte sie uns. »Er hat so viele Freunde, aber er bringt sie nie hierher.«
»Nein, Ma’am«, antwortete Dean, »wir haben uns gerade eben erst kennengelernt.«
Falls er mit kennengelernt »uns gegenseitig still bewertet« meinte …
»Du bist ja eine Hübsche.« Ich brauchte einen Moment, bis ich merkte, dass sie mit mir sprach. »Wow, und was für tolle Haare du hast!« Meine Haare waren ein wenig länger und etwas dichter als gewöhnlich – aber nicht sonderlich bemerkenswert. »Und die Schuhe«, fuhr Trina fort. »Die sind exquisit!« Ich trug Leinenturnschuhe.
»Ich habe mir immer ein Mädchen gewünscht«, gestand Trina.
»Bitten wir sie jetzt herein oder nicht, Mutter?«, fragte Christopher ein wenig verärgert.
»Oh, ich bin mir nicht sicher«, erwiderte Trina plötzlich steif.
Wenn dein Sohn nichts gesagt hätte, hättest du uns selbst hereingebeten, dachte ich. Etwas an der Dynamik zwischen den beiden verschaffte mir ein ungutes Gefühl.
»Hast du sie gefragt, warum sie hier sind?« Trina stemmte die Hände in die Hüften. »Drei Fremde tauchen auf der Veranda deiner Mutter auf und du fragst nicht einmal …«
»Er hat gefragt, aber ich war noch nicht dazu gekommen, mich vorzustellen«, warf Dean ein. »Mein Name ist Dean.« Ein Funken Interesse flackerte in Trinas Augen auf.
»Dean?«, wiederholte sie. Sie trat einen Schritt vor und stieß mir dabei den Ellbogen in die Seite. »Dean wie?«
Dean rührte sich nicht, blinzelte nicht, reagierte gar nicht auf ihre Musterung. »Redding.« Er sah erst Christopher an, dann wieder Trina. »Ich glaube, Sie kennen meinen Vater.«