IM KONTEXT
SCHLÜSSELFIGUREN
Seymour Singer (1924–2017), Garth Nicolson (*1943)
FRÜHER
1839 Theodor Schwann und Matthias Schleiden erklären, alle Pflanzen und Tiere seien aus Zellen zusammengesetzt.
1952 Die britischen Physiologen Alan Hodgkin, Andrew Huxley und Bernard Katz erklären, Pumpen der Zellmembran zögen Ionen (elektrisch geladene Atome) in die Zelle.
1959 J. D. Robertson, amerikanischer Chemiker, glaubt, Zellmembranen bestünden aus einer Lipiddoppelschicht zwischen zwei Proteinschichten.
SPÄTER
2007 Der US-Biochemiker Ken Jacobson erklärt, manche Phospholipide seien zu »Flößen« verbunden, die Stoffe durch die Zellmembran zu transportieren helfen.
Jede lebende Zelle ist umgeben von einer Membran, die ihren Inhalt zusammenhält. Lang glaubte man, Zellmembranen seien gegenüber nahezu allen Substanzen dicht, außer Wasser.
Die Zellmembran ist eine ölige Flüssigkeit mit einem Mosaik aktiver Komponenten, die in ihr und an ihr aufgehängt sind. Manche helfen beim Transport von Molekülen, andere tragen Katalysatoren und Sensoren, um zelluläre Prozesse zu kontrollieren.
In den 1880er-Jahren beobachtete die deutsche Physikerin Agnes Pockels, eine Autodidaktin, beim Geschirrspülen, wie sich Filme, insbesondere ölige, auf der Wasseroberfläche bilden. Jeder Ölfilm besitzt eine Wasser abweisende (hydrophobe) und eine wasseranziehende (hydrophile) Seite, die auf dem dichteren Wasser schwimmt. In den 1890er-Jahren erforschte der britische Biologe Ernest Overton, wie eine Zellmembran den Inhalt am Auslaufen hindert, während Nährstoffe einströmen. Overton und der Pharmakologe Hans Meyer erklärten unabhängig voneinander, die Zellmembran sei eine bindende, ölige Schicht – außen hydrophil, innen hydrophob –, die man Lipid nennt.
»Eine Zelle ist eine komplexe Struktur, mit ihrer umhüllenden Membran, mit Zellkern und Nukleolus.«
Charles Darwin
Brief an Scientific Opinion (1869)
1925 enthüllten die holländischen Physiologen Evert Gorder und François Grendel, dass gelöste Membranen eine doppelt so große Fläche bedecken wie ungelöste. Deshalb musste die Membran eine Doppelschicht aus Lipiden sein.
Tatsächlich besteht sie aus zwei Schichten, die wie ein Sandwich aufeinanderliegen. Jede Schicht besteht aus kaulquappenförmigen Phospholipiden mit hydrophilen Phosphatköpfen und hydrophoben Lipidschwänzen. 1935 bemerkten die Wissenschaftler Hugh Davson und James Danielli, dass auch Proteine in der Membran enthalten sind. Sie glaubten aber, dies seien nur Strukturelemente.
Der Zellbiologe Seymour Johathan Singer und der Biochemiker Garth Nicolson zeigten 1972, dass Membranen nicht nur ein Sack sind, sondern eine ausgefeilte, flexible Barriere. Singer und Nicolson entwickelten das Flüssig-Mosaik-Modell der Zellmembran: Die doppelte Lipidschicht bildet eine dynamische Flüssigkeit, gesprenkelt mit einem komplexen, sich bewegenden Mosaik verschiedener Strukturen. Ihre Fluidität erlaubt der Membran, sich zu biegen, zu verschieben und sich an veränderliche Bedingungen anzupassen.
In der Membran halten Cholesterinpartikel die Fluidität aufrecht. Sie verhindern das Auseinanderbrechen der Phospholipide, wenn es heiß wird, und ihr Verkleben, wenn es kalt wird. Zum Singer-Nicolson-Modell gehören auch Glykoproteinketten, die von der Membran abstehen. Spätere Forscher stellten fest, dass dies die Identitätskennungen der Zelle sind, auch Antigene genannt. Wir wissen heute, dass Glykoproteine nicht einzelne Einheiten sind, sondern Komplexe bilden. Lipide mit einem herausstehenden Kohlenhydratschwanz, Glykolipide genannt, stabilisieren die Membran und helfen dem Immunsystem, die Zellen zu identifizieren. In die Membran integrierte Proteine kontrollieren, welche Partikel durchgelassen werden. Weitere Proteine auf beiden Seiten der Membran unterstützen Prozesse wie die Zellatmung.
Sauerstoff- und Kohlendioxidmoleküle diffundieren durch die Membran, denn sie sind klein und nicht elektrisch geladen. Einige große und geladene Moleküle werden mittels Osmose durch Kanalproteine geleitet. Transportproteine pumpen Moleküle gegen den Konzentrationsgradienten durch die Membran und verbrauchen dabei Energie.
Das Modell von Singer und Nicolson wurde inzwischen modifiziert, aber es gibt immer noch ein klares Bild der Zellmembranstruktur und -funktion ab.
Osmose
Eine Pflanze braucht Osmose, um ihre Zellen zu füllen, bis sie steif sind. Die starkwandigen Zellen platzen nicht, anders als Tierzellen. Wasserverlust lässt die Zellen schrumpfen und die Pflanze welken.
Damit eine Zelle überlebt, müssen Stoffe durch die Zellmembran hinein- und hinausgelangen. Sie tun das mittels einfacher Diffusion, aktivem Transport und Osmose.
Osmose ist die Bewegung von Wassermolekülen durch eine Membran, von einer Zone mit hoher Konzentration von Wassermolekülen zu einer mit geringer. Die Membran muss ausreichend permeabel sein, dass Wasser durchkommt, aber alle anderen darin gelösten Substanzen blockiert werden. So fließt nur das Wasser durch. Eine stark konzentrierte Lösung enthält weniger Wassermoleküle als eine verdünnte. Das Wasser fließt also von der verdünnten zur konzentrierten Zone.
Ist die Konzentration in und außerhalb der Zelle gleich hoch, nennt man sie isotonisch, und es findet keine Bewegung statt. Ist die Flüssigkeit außerhalb der Zelle dünner (hypotonisch), wird Wasser in die Zelle gesogen, die Zelle schwillt an. Ist sie außen höher konzentriert (hypertonisch), fließt Wasser hinaus, die Zelle schrumpft.