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PFLANZEN KÖNNEN SCHLECHTE LUFT VERBESSERN

FOTOSYNTHESE

IM KONTEXT

SCHLÜSSELFIGUR

Jan Baptista van Helmont (1580–1644)

FRÜHER

1450 Nikolaus von Kues behauptet, Pflanzen würden ihren Massenzuwachs allein aus Wasser beziehen.

SPÄTER

1754 Joseph Black, britischer Chemiker, isoliert »fixierte Luft« (Kohlendioxid).

1884 Der Pflanzenzytologe Eduard Strasburger nennt chlorophyllhaltige Körperchen in Blättern »Chloroplasten«.

1893 Der Begriff »Fotosynthese« wird von dem amerikanischen Botaniker Charles Barnes eingeführt.

1965 Der Ägypter Mabrouk El-Sharkawy und der Amerikaner John Hesketh, beide Pflanzenphysiologen, zeigen, dass die Fotosyntheserate von der Blattanatomie abhängt.

Grüne Pflanzen, Algen und Cyanobakterien nutzen Wasser, Energie von der Sonne und Kohlendioxid, um zu wachsen. Dieser Prozess wird Fotosynthese genannt, ein Begriff, der von den griechischen Wörtern phos (für »Licht«) und synthesis (für »Zusammensetzung«) abgeleitet ist. Abfallprodukt der Fotosynthese ist Sauerstoff, den Pflanzen in die Atmosphäre entlassen.

Fotosynthese betreibende Organismen werden auch »photoautotroph« genannt, weil sie Licht benutzen, um aus anorganischer Materie organische Moleküle zu machen – vor allem aus Kohlendioxid und Wasser. Die organischen Moleküle sind verschiedene Zucker, die man essen kann.

Photoautotrophe Organismen bilden die Basis jeder Nahrungskette. Pflanzen und andere photoautotrophe Lebewesen ernähren fast alle Lebewesen auf der Erde, die keine Fotosynthese treiben. Organismen, die sich direkt von Photoautotrophen ernähren, nennt man Pflanzenfresser; Tiere, die Pflanzenfresser fressen, konsumieren indirekt photoautotrophe Wesen. Ohne Pflanzen, die Fotosynthese betreiben, würde Leben, wie wir es kennen, nicht existieren. Aber erst seit dem 17. Jahrhundert erforschen Wissenschaftler, wie Pflanzen wachsen.

»Es ist mehr als eine Redensart, wenn man sagt: Pflanzen erschaffen Leben aus dünner Luft.«

Michael Pollan

Amerikanischer Wissenschaftsautor

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Wasser

Anfang der 1600er-Jahre ließ sich der holländisch-belgische Arzt und Chemiker Jan Baptista van Helmont durch den deutschen Gelehrten Nikolaus von Kues zu einem Experiment inspirieren, um das konventionelle Wissen seiner Zeit zu überprüfen, dass eine Pflanze ihre Massenzunahme dem Boden verdankt. Helmont pflanzte eine kleine, 2,2 Kilogramm schwere Weide in einen großen Topf mit 91 Kilogramm sorgfältig gewogener Erde.

Fünf Jahre lang goss van Helmont den Baum regelmäßig, dann wog er Baum und Boden von Neuem. Der Baum hatte 74 Kilogramm zugenommen, doch die Erde hatte nur um 57 Gramm abgenommen. Van Helmont schloss daraus, dass Pflanzen nur Wasser brauchen, keine Erde, um zu wachsen.

Sein Schluss war nur teilweise korrekt: Er wusste nicht, dass die Erde mineralische Nährstoffe für das Pflanzenwachstum bereitstellt. Er war aber der Erste, der bewies, dass Pflanzen Wasser brauchen, um zu wachsen. Er machte auch viele Experimente zu Dämpfen, die bei chemischen Reaktionen frei werden, und prägte den Begriff »Gas«. Ein Gas, das er gas sylvestre (Waldgas) nannte, wurde später als »fixierte Luft« (Kohlendioxid) identifiziert.

Sauerstoff

Im späten 18. Jahrhundert befasste sich Joseph Priestley, ein britischer Naturforscher, Minister, Chemiker und Pädagoge, mit »Lüften« oder Gasen. Er glaubte an die Hypothese jener Zeit, dass Luft mit »Phlogiston« kontaminiert sein kann, einer unsichtbaren Substanz, die bei der Verbrennung entflammbarer Materialien freigesetzt wird.

In einem der Experimente, die er in seinem Werk Experiments and Observations on Different Kinds of Air beschrieb, fand Priestley heraus, dass Luft nicht aus einer einzelnen Substanz besteht, sondern aus einer Mixtur von Gasen. Er isolierte einige Gase, darunter 1774 eines, das er »dephlogistizierte Luft« nannte. Es schien mit Phlogiston verseuchte Luft zu reinigen.

Priestley beobachte 1774 auch, dass eine Maus, die man allein unter eine Glasglocke setzt, stirbt, dass sie jedoch überlebt, wenn man einen Zweig Minze mit der Maus zusammen unter die Glasglocke stellt.

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Antoine Lavoisier demonstrierte 1778, dass beim Verbrennen Reaktionen mit Sauerstoff (den er oxygène nannte) passieren. Er widerlegte die Phlogiston-Theorie, doch nicht alle folgten ihm.

Priestley zog den Schluss, dass die Pflanze gute Luft abgibt und dabei die »beschädigte« Luft wiederherstellt, sodass die Maus leben kann. Die Tatsache, dass Pflanzen Sauerstoff abgeben, war somit bewiesen. Später im Jahr wiederholte der französische Chemiker Antoine Lavoisier Priestleys Experiment und isolierte dasselbe Gas.

Licht und grüne Blätter

1779 ließ sich der holländische Chemiker Jan Ingenhousz durch Priestleys Arbeiten inspirieren und erforschte seinerseits, was Pflanzen zum Wachsen brauchen.

Ingenhousz führte mehr als 500 Experimente durch und berichtete darüber in seinem Buch Experiments upon Vegetables (1779). Er benutzte eine Wasserpflanze, Laichkraut, um die Gasblasen, die die Pflanze abgibt, leicht erkennen zu können. Um zu zeigen, dass das Gas in den Blasen dephlogistizierte Luft ist, sammelte er die Blasen und benutzte das Gas, um eine Flamme zu entzünden.

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Sénébiers Experiment beweist, dass Pflanzen Kohlendioxid (CO2) benötigen. Mit Glasglocken kontrollierte er die Luft um die Pflanzen herum. Die Pflanze in A wächst nicht, weil CO2 aus der Luft gezogen wird, aber die Luft in B enthält CO2 – und die Pflanze wächst.

Ingenhousz zeigte, dass die Blasen nur erscheinen, wenn das Laichkraut dem Licht ausgesetzt ist.

Er beschrieb auch, dass nur grüne Blätter und Stängel Sauerstoff abgeben, dass bei hellem Licht mehr Sauerstoff abgegeben wird und dass Pflanzen die Luft bei Nacht mit »fixierter Luft« (Kohlendioxid) kontaminieren.

Kohlendoxid

Jean Sénébier, ein Schweizer Naturforscher, Botaniker und Pastor, brachte die Idee zu Fall, dass Pflanzen schlechte Luft aufnehmen, Phlogiston absorbieren und dabei gute Luft (Sauerstoff) abgeben. 1762 beschrieb Sénébier ein elegantes Experiment: In zwei Glasglocken stand jeweils eine Pflanze mit Zugang zu Wasser und Sonnenlicht (siehe oben). Eine Glocke hatte Verbindung zur Umgebungsluft, die andere wurde versiegelt und die gesamte »fixierte Luft« (Kohlendioxid) herausgepumpt. In beiden Glasglocken befand sich ein Behälter mit derselben Menge Wasser. Das Wasser in der versiegelten Glocke enthielt Natriumhydroxid, das jegliches Kohlendioxid absorbierte. Die Pflanze mit Zugang zu Luft, die Kohlendioxid enthielt, wuchs weiter, während die Pflanze ohne Kohlendioxid ihr Wachstum einstellte.

»… dies ist eine grüne Welt, mit vergleichsweise wenigen und kleinen Tieren, die abhängig von Blättern sind. Von Blättern leben wir.«

Patrick Geddes

Schottischer Ökologe (1854–1932)

Die Fähigkeit einer Pflanze, Kohlenstoff in anorganischer Form als Kohlendioxidgas aufzunehmen und den Kohlenstoff in organische Stoffe zu verwandeln, nennt man Kohlenstofffixierung.

Sénébier folgerte, dass Pflanzen bei Sonnenlicht Kohlendioxid absorbieren, um es als Nährstoff zu verwenden. Er folgerte auch, dass Blätter Sauerstoff abgeben, obwohl er fälschlich annahm, dass diese reine Luft »das Produkt der Transformation fixierter Luft« ist.

Der schwedische Chemiker Théodore de Saussure postulierte 1804, dass Wasser dazu beitragen müsse, die Masse einer Pflanze zu steigern. Er fand heraus, dass die Menge an Kohlendioxid, die von einer wachsenden Pflanze aufgenommen wird, weniger wiegt als das Gesamtgewicht der organischen Masse plus dem produzierten Sauerstoff. Also musste Wasser für die Differenz verantwortlich sein.

Grüne Körner

Joseph-Bienaimé Caventou und Pierre-Joseph Pelletier, zwei französische Apotheker, extrahierten Alkaloide aus Gemüsepflanzen. Sie entdeckten interessante Inhaltsstoffe wie Coffein, Strychnin und Chinin. 1817 isolierten sie das grüne Pigment der Pflanzen. Sie nannten es Chlorophyll, nach den griechischen Wörtern chloros (»grün«) und phyllon (»Blatt«).

Der deutsche Botaniker Hugo von Mohl studierte die grünen Pflanzenzellen unter einem Mikroskop und beschrieb 1837 das Chlorophyll als »Körner«, doch ihren Zweck erkannte er nicht.

Energie

Mitte des 19. Jahrhunderts waren die grundlegenden Zutaten und Produkte des Prozesses bekannt, mit dem Pflanzen ihre Masse vermehren. Julius Robert von Mayer, ein deutscher Arzt und Physiker, erkannte, dass es sich um eine Energieumwandlung handelte. Er war einer von mehreren Wissenschaftlern, deren Arbeit zum ersten Hauptsatz der Thermodynamik beitrug, dem Energieerhaltungssatz. Mayer beschrieb das Gesetz 1841. Es besagt, dass Energie weder zerstört noch erschaffen werden kann.

1845 stellte Mayer die These auf, dass Pflanzen Lichtenergie in chemische Energie (»chemische Differenz«) umwandeln.

Die Rolle des Chlorophylls

Der einfache Zucker, der bei der Fotosynthese entsteht, wird von den Pflanzen in Glukose für ihre unmittelbaren Energiebedürfnisse umgewandelt. Überschüssige Glukosemoleküle werden in langen, verzweigten Ketten aneinandergehängt, um Stärke zu bilden. Stärke ist das Speichermolekül der Pflanze, sie dient ihr als Energiespeicher. Glukose und Stärke sind unterschiedliche Formen von Kohlenhydraten.

»Die Pflanzen nehmen eine Kraft, das Licht, auf und bringen eine Kraft hervor: die chemische Differenz.«

Julius Robert von Mayer

(1814–1878)

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Herbstliche Laubfärbung entsteht, wenn die Chloroplasten kein Chlorophyll mehr herstellen. Sonst maskiert dieses die anderen Pigmente im Blatt, etwa gelbe und rote Karotinoide.

In den Jahren 1862 bis 1864 färbte der deutsche Botaniker Julius von Sachs Stärkekörner in Blättern mit Jodsalz an. Er stellte fest, dass Stärke nur bei Licht gebildet wird. 1865 zeigte er mithilfe der neuesten Mikroskoptechnik, dass Stärke sich nur innerhalb der Chlorophyllkörner bildet.

Dass Chlorophyllkörper Sauerstoff abgeben, zeigte ein geniales Experiment des deutschen Physiologen Theodor Engelmann im Jahr 1882. Er benutzte ein Prisma, um ein Lichtspektrum auf ein Grünalgenfilament unter dem Mikroskop zu projizieren. Er gab sauerstoffliebende Bakterien mit auf den Objektträger. Sie drängten sich auf den Algenteilen unter dem roten und blauen Licht zusammen. Das bewies, dass das Chlorophyll rotes und blaues Licht absorbiert, um Sauerstoff zu produzieren. Die grüne Wellenlänge wird nicht absorbiert, sondern reflektiert, sodass unsere Augen das grüne Licht sehen.

Erst im 20. Jahrhundert machten Fortschritte in der molekularen Chemie den nächsten Schritt möglich: die chemischen Reaktionen der Fotosynthese zu enthüllen. image

Jan Baptista van Helmont

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Geboren in Brüssel in den Spanischen Niederlanden (heute Belgien) im Jahr 1580, promovierte van Helmont 1599 an der Katholischen Universität von Louvain in Medizin. Er wurde ein berühmter Arzt und reiste durch ganz Europa, um sich fortzubilden.

Nachdem er eine Adlige geheiratet hatte, widmete sich van Helmont der chemischen Forschung. Er glaubte, Experimente seien nötig, um die Welt zu verstehen. Er war ein Anhänger von Paracelsus und lehnte Aristoteles’ Theorie der vier Elemente ab. Er selbst glaubte nur an zwei: Luft und Wasser. Seine zahlreichen Aufsätze wurden erst nach seinem Tod im Jahr 1644 veröffentlicht. Sein Sohn publizierte die gesammelten Werke 1648. Van Helmont gilt wegen seiner Forschungen über die chemischen Reaktionen der Gase als Vater der Chemie der Luft.

Hauptwerke

1613 Über die magnetische Heilung von Wunden

1642 Eine neue Theorie des Fiebers

1648 Der Ursprung der Medizin

Cyanobakterien

Fotosynthetisch aktive, einzellige Cyanobakterien leben im Wasser. Genau wie Pflanzen enthalten sie Chlorophyll und nutzen Kohlendioxid, Wasser und Sonnenlicht, um Zucker und andere organische Moleküle zu produzieren.

Vor etwas 3,5 Mio. Jahren enthielt die Atmosphäre der Erde nur wenig Sauerstoff, aber es gibt Fossilien von Cyanobakterien aus dieser Zeit. Vermutlich haben sie den ersten Sauerstoff – als Abfallprodukt der Fotosynthese – in die Atmosphäre entlassen und damit den Kurs der Evolution geändert. In der sauerstoffreicheren Atmosphäre waren Organismen nun fähig, mehr Energie aus der Nahrung zu gewinnen und größere, vielzellige Körper zu versorgen.

Cyanobakterien (früher als Blaualgen bezeichnet) sind auch Stickstofffixierer: Sie nehmen Stickstoff aus der Luft auf und bauen ihn in organische Moleküle wie Proteine und Nukleinsäuren ein. Das macht sie zu nahrhaften Futterlieferanten an der Basis der Nahrungskette.