IM KONTEXT
SCHLÜSSELFIGUR
Wilhelm Kühne (1837–1900)
FRÜHER
1752 Der Franzose René-Antoine Ferchault de Réaumur erforscht die Rolle des Magensafts bei der Verdauung.
1857 Louis Pasteur führt die Keimtheorie der Gärung ein und verbindet den Prozess mit lebenden Organismen.
SPÄTER
1893 Der deutsche Chemiker Wilhelm Ostwald bezeichnet Enzyme als Katalysatoren.
1894 Emil Fischer, ein deutscher Chemiker, schlägt das Schlüssel-Schloss-Modell vor, um zu erklären, wie Enzyme mit ihren Zielmolekülen interagieren.
1926 Der amerikanische Chemiker James Sumner stellt Kristalle des Enzyms Urease her und demonstriert, dass es ein Protein ist.
Eine enorme Menge biochemischer Aktivität findet in lebenden Zellen statt, während sie die Energie gewinnen, die sie zur Selbsterhaltung brauchen. Diese Aktivität heißt Stoffwechsel. Es sind die chemischen und physikalischen Änderungen bei der Erhaltung des Lebens. Auch die Reparatur und Erneuerung von Geweben, die Energiegewinnung aus Nahrung und die Zerlegung von Abfallstoffen gehörten dazu. Die meisten dieser Reaktionen laufen nicht spontan ab. Sie sind nur durch Katalyse möglich – das Wirken von Katalysatoren. Diese verändern die Rate einer Reaktion, sie werden selbst nicht verändert und können weitere Reaktionen katalysieren. Enzyme kennt man heute als biologische Katalysatoren, sie erleichtern die essenziellen chemischen Reaktionen zur Erhaltung aller Lebewesen. Ohne Enzyme würden die Reaktionen, von denen das Leben abhängt, viel zu langsam ablaufen.
»[Katalysatoren] erzeugen eine Umsetzung der Bestandteile, ohne dass sie dabei mit ihren Bestandteilen selbst teilnehmen.«
Jöns Jakob Berzelius
(1779–1884)
1833 isolierten die französischen Chemiker Anselme Payen und Jean François Persoz als Erste ein Enzym (das sie als Ferment bezeichneten). Es war eine Substanz, die Stärke in Zucker verwandeln kann. Sie hatten die Substanz aus keimender Gerste gewonnen und Diastase genannt (heute ist sie als Amylase bekannt). Zwei Jahre später, 1835, prägte der schwedische Chemiker Jöns Jakob Berzelius den Begriff »Katalysator«, um Substanzen zu beschreiben, die chemische Reaktionen antreiben, ohne selbst dabei verändert zu werden. Im folgenden Jahr entdeckte der deutsche Physiologe Theodor Schwann das Pepsin. Es war das erste aus Tiergewebe gewonnene Enzym. Während der nächsten Jahre wurden weitere Enzyme entdeckt.
Die Produktion alkoholischer Getränke durch Gärung wird seit Jahrtausenden praktiziert, doch erst im 19. Jahrhundert kam heraus, dass der Prozess von lebenden Organismen verursacht wird. In den späten 1850er-Jahren kam Louis Pasteur beim Studium der alkoholischen Gärung von Wein zu dem Schluss, dass der Zucker von »Fermenten« in Hefezellen zu Alkohol vergoren wird. Er glaubte, diese Substanzen könnten nur innerhalb lebender Organismen funktionieren. Der deutsche Biochemiker Justus von Liebig widersprach Pasteurs Ansicht. Er meinte, die Gärung sei ein rein chemischer Prozess, der keine Mikroorganismen benötigt.
1876 entdeckte Wilhelm Kühne Trypsin, das in der Bauchspeicheldrüse produziert wird und im Dünndarm Proteine zerlegt. Er war der erste Wissenschaftler, der den Begriff »Enzym« benutzte; er wurde fortan für nicht lebende Substanzen wie Pepsin und Amylase verwendet, während »Ferment« bezogen war auf chemische Aktivitäten mithilfe lebender Organismen.
Aber dann benutzte der deutsche Chemiker Eduard Buchner 1897 in einer Reihe von Experimenten Hefeextrakt statt lebender Hefezellen, um Zucker zu vergären. Er stellte fest, dass die Vergärung auch stattfindet, wenn keine lebenden Hefezellen anwesend sind, womit der Streit entschieden war. Er nannte das Enzym, das die Gärung bewirkt, Zymase (heute weiß man, dass es sich um mehrere Enzyme handelt).
Enzyme werden üblicherweise nach dem Molekül benannt, mit dem sie wechselwirken, indem die Endung -ase an die Substanz angehängt wird. So spaltet etwa Laktase die Laktose, den Milchzucker. Dieses Namensschema wurde 1899 von dem französischen Mikrobiologen Emile Duclaux vorgeschlagen.
Das Enzym Trypsin (hier ein Modell) bindet an Moleküle der Aminosäuren Arginin und Lysin. Seine Aufgabe ist es, Proteine im Darm zu zerlegen und bei ihrer Verdauung zu helfen.
Wilhelm Kühne
1837 als Sohn einer wohlhabenden Familie in Hamburg geboren, ging Wilhelm Kühne im Alter von 17 Jahren an die Universität Göttingen, um Chemie, Anatomie und Neurologie zu studieren. Nach zwei Jahren erwarb er einen Doktortitel mit einer Arbeit über künstlich induzierten Diabetes bei Fröschen.
Danach studierte er Physiologie an mehreren Universitäten in Europa, bevor er 1871 Hermann von Helmholtz als Lehrstuhlinhaber für Physiologie an der Universität Heidelberg nachfolgte.
Dort konzentrierte Kühne seine Forschung auf die Physiologie von Muskeln und Nerven (vor allem des Sehnervs) sowie auf die Chemie der Verdauung. Bekannt wurde er für die Entdeckung des Enzyms Trypsin, das Proteine abbaut. Kühne blieb in Heidelberg bis zu seinem Ruhestand 1899 und starb dort im folgenden Jahr.
Hauptwerk
1877 Über das Verhalten verschiedener organisierter und sogenannter ungeformter Fermente