IM KONTEXT
SCHLÜSSELFIGUR
Felix Hoppe-Seyler (1825–1895)
FRÜHER
2. Jh. n. Chr. Galen schreibt, dass eine zentrale Komponente der Luft, Pneuma genannt, in die Lungen gelangt und sich mit dem Blut vermischt.
1628 William Harvey zeigt, dass Blut sich in einem doppelten Kreislauf bewegt, bei dem eine Schleife zur Lunge führt, die andere zum Körper.
SPÄTER
1946 Eine unnormale Hämoglobinstruktur wird als Ursache der Thalassämie erkannt.
1959 Max Perutz entdeckt mittels Röntgenkristallografie die molekulare Struktur des Hämoglobins.
Heute Bis zum Jahr 2013 wurden innerhalb der Weltbevölkerung mehr als 1000 Varianten des Hämoglobinmoleküls gefunden.
Blut ist das primäre Transportsystem des Körpers. Es befördert Hormone, Nähr- und Abfallstoffe – doch seine wichtigste Funktion ist der Transport von Sauerstoff. Wie das Blut das macht, begann man erst im 19. Jahrhundert zu verstehen – dank dem deutschen Physiologen und Biochemiker Felix Hoppe-Seyler.
Bei Menschen bestehen 55 Prozent des Blutvolumens aus einer gelblichen Flüssigkeit namens Plasma, die vor allem Wasser enthält. Viele vom Blut beförderte Inhaltsstoffe sind im Plasma gelöst. Allerdings löst sich Sauerstoff nicht gut in Wasser. Blutplättchen und weiße Blutkörperchen, die für die Immunfunktion wichtig sind, machen zwei Prozent aus.
Rote Blutkörperchen (Erythrozyten) machen das verbleibende Blutvolumen aus. Sie bewegen Sauerstoff aus der Lunge bis dorthin, wo er gebraucht wird. Ein Hinweis auf die Art, wie diese Zellen die Aufgabe erledigen, ist ihre rote Farbe. Sie wird von Hämoglobin verursacht, einem großen Protein, mit dem sie vollgepackt sind. Hämoglobin ist der eigentliche Sauerstoffträger des Körpers. Dies hatte 1840 der deutsche Chemiker Friedrich Ludwig Hünefeld erkannt. Nachdem ein weiterer deutscher Chemiker, Otto Funke, 1840 eine kristalline Form des Hämoglobins hergestellt hatte, konnte Hoppe-Seyler zeigen, dass das kristalline Material Sauerstoff aufnehmen, aber auch abgeben kann. Damit war seine Funktion im Blut erwiesen.
Bevor Hämoglobin mit der Arbeit beginnen kann, wird Luft eingeatmet und in winzige Luftsäckchen der Lunge geleitet, die Alveolen. Hier tritt Sauerstoff (O2) durch die dünne Hülle der Alveolen ins Blut und die roten Blutkörperchen über.
Das Hämoglobin in den roten Blutkörperchen ist ein Proteinbündel, das in vier Untereinheiten gegliedert ist. Im Zentrum jeder Untereinheit sitzt ein Eisenion. (Dieses Eisenion verleiht dem Blut die rote Farbe.) Jedes Hämoglobinmolekül nimmt vier Sauerstoffmoleküle auf, die sich jeweils an die Eisenionen binden. Jedes Blutkörperchen enthält 270 Millionen Hämoglobinmoleküle.
Wir wissen inzwischen, dass Hämoglobin 70-mal so viel Sauerstoff tragen kann, als im Blutplasma gelöst werden könnte, und dass die für einen Menschen typischen fünf Liter Blut einen Liter Sauerstoff befördern können. Oxyhämoglobin, die voll gesättigte Form des Hämoglobins, gibt dem sauerstoffreichen Blut in den Arterien seine hellrote Farbe. Sauerstoffarmes Blut ist dunkler, teilweise weil es Carbaminohämoglobin enthält. Diese Verbindung hilft dem Körper, Kohlendioxid (CO2) loszuwerden, das Abfallgas der Zellen. Aber nur ein Viertel des CO2 wird auf diese Weise zurück zur Lunge transportiert, wo es in die Luft entweicht und ausgeatmet wird. Das meiste CO2 des Körpers ist im Blutplasma in Form von Bikarbonationen gelöst.
1959 machte der österreichische Molekularbiologe Max Perutz die viergliedrige Struktur des Hämoglobins mithilfe einer Röntgentechnik sichtbar. Dafür bekam er 1962 den Chemie-Nobelpreis.
Inzwischen kennt man beim Menschen mehr als 1000 Hämoglobinvarianten, darunter solche, die Krankheiten wie Sichelzellanämie und Thalassämie auslösen. Dabei kommt es zu einer schädlichen Abnahme roter Blutkörperchen oder zu Hämoglobinmangel im Blut.
Rote Blutkörperchen, hier ein Mikroskopfoto, zirkulieren im menschlichen Körper etwa 100 bis 120 Tage. Sie werden dann abgebaut und das Eisen wird für neue Blutkörperchen wiederverwertet.
Felix Hoppe-Seyler
Er gilt als einer der Gründerväter der Biochemie und Molekularbiologie. Geboren wurde er als 1825 als Ernst Felix Hoppe in Freyburg an der Unstrut. Mit neun Jahren verwaist, wurde er von Georg Seyler adoptiert, seinem Schwager. Dieser stammte aus einer einflussreichen Familie mit Verbindungen zum bayerischen Illuminatenorden (einer Geheimgesellschaft von Philanthropen). Nach seiner Promotion forschte Felix Hoppe-Seyler zuerst in Tübingen, dann in Straßburg. Neben dem Hämoglobin erforschte er das Chlorophyll, den grünen Pflanzenfarbstoff, der die Sonnenenergie für die Fotosynthese einfängt. Hoppe-Seyler machte sich auch verdient mit der Isolation verschiedener komplexer Proteine (die er damals Proteide nannte). 1877 gründete er die Zeitschrift für Physiologische Chemie und blieb ihr Herausgeber bis zu seinem Tod im Jahr 1895.
Hauptwerk
1858 Handbuch der physiologisch und pathologisch-chemischen Analyse