SCHLÜSSELFIGUR
Douglas Spalding (1841–1877)
FRÜHER
4. Jh. v. Chr. Aristoteles beschreibt detailliert Verhaltensweisen von Tieren.
13. Jh. n. Chr. Albertus Magnus untersucht Tiere in Bezug auf ihre Fähigkeiten und ihr Verhalten.
SPÄTER
1927 Iwan Pawlow veröffentlicht seine Beobachtung des konditionierten Reflexes bei Hunden.
1975 E. O. Wilsons Buch Soziobiologie löst Interesse an sozialen Aspekten des Verhaltens aus.
2004 Der amerikanische Ornithologe Peter Marler erforscht den Gesang der Vögel und entdeckt, dass einige Eigenschaften davon angeboren und andere erlernt sind.
Zu wissen, wie ein Tier wahrscheinlich reagieren wird, war von unschätzbarem Wert für Menschen der Vorgeschichte, wenn sie jagten oder versuchten, nicht selbst zur Beute zu werden. Später, im 4. Jahrhundert v. Chr., schrieb Aristoteles als einer der Ersten Beobachtungen zu allen Aspekten des Tierlebens nieder, einschließlich ihrer Gewohnheiten. Aber für Tausende von Jahren gab es keine Bemühungen, Tierverhalten wissenschaftlich anzugehen.
Einer, der es versuchte, war im 13. Jahrhundert der deutsche Philosoph Albertus Magnus. Er studierte sowohl die Physiologie als auch die Psychologie der Tiere. Seine Befunde schrieb er in dem 26-bändigen Werk De Animalibus (Über die Tiere) nieder. Manche Tiere, etwa Hunde, erklärte er, hätten ein ausgezeichnetes Gedächtnis, könnten lernen und beherrschten einfache Formen der Logik; andere, etwa Fliegen, hätten dagegen kein Gedächtnis und lernten nie.
Webervögel bauen komplexe Nester. Forscher haben entdeckt, dass ältere Vögel ihre Technik verfeinern. Es handelt sich also um eine Kombination von gelerntem und angeborenem Verhalten.
John Ray, ein englischer Naturforscher, war der Erste, der Tierverhalten als etwas Angeborenes darstellte. 1691 schrieb er über das Instinktverhalten von Vögeln. Sie bauten ihre Nester in einer Weise, »dass man mit Sicherheit erkennen kann, zu welcher Art Vogel es gehört«. Ein Vogel könne ein Nest bauen, sagte Ray, auch wenn er als Küken nie gesehen habe, wie eines gebaut wird.
Der französische Naturforscher Georges Leroy schrieb eines der ersten Bücher, das sich speziell mit Tierverhalten beschäftigte. In seinen Lettres sur les Animaux (1768) diskutierte er die Entwicklung von Wölfen, Füchsen und Rehen in ihrer natürlichen Umgebung.
Charles Darwin, den man vor allem für seine Theorie der Evolution durch natürliche Selektion kennt, war einer der prominentesten Verhaltensforscher des 19. Jahrhunderts. Nachdem er bereits ein Kapitel von Die Entstehung der Arten (1859) den Instinkten gewidmet hatte, publizierte er 1872 Der Ausdruck der Gemütsbewegungen bei Menschen und Tieren. Er war besonders am Verhalten von Haustieren interessiert und wie es mit dem ihrer wilden Vorfahren in Beziehung steht. Darwin beobachtete auch die Verhaltensentwicklung seines eigenen kleinen Sohns und publizierte die Befunde 1877 in dem Aufsatz Biographische Skizze eines Kleinkinds.
Charles Darwin beobachtete instinktives und erlerntes Verhalten bei seinem ersten Kind, William, von der Geburt bis zum Alter von fünf Jahren.
Ein Zeitgenosse Darwins war der britische Biologie Douglas Spalding. Sowohl Spalding als auch Darwin studierten Verhalten lieber in natürlicher Umgebung als im Labor. Spalding studierte, was später Prägung genannt wurde – er sagte »Einstempeln« dazu. Das ist eine Verhaltensweise, bei der sehr junge Tiere sich an das erste sich bewegende Objekt hängen, das sie treffen, üblicherweise die Mutter.
Prägung muss innerhalb einer bestimmten kritischen Phase stattfinden: Ist die Mutter nicht da, findet Prägung nicht statt. Spalding zog Küken während der ersten Tage ihres Lebens im Dunkeln auf. Er bemerkte, dass sie, sobald sie Licht ausgesetzt waren, seiner Hand folgten – dem ersten beweglichen Objekt, das sie sahen. Er glaubte, dieses Verhalten müsse angeboren sein, da es offensichtlich nicht durch vorangegangene Erfahrung erworben sein konnte.
Spalding war überzeugt, dass Instinkte angeboren und ererbt sind, glaubte aber zugleich, dass sie mit dem Lernen verbunden sind, wobei eines vom anderen geleitet wird. Er publizierte seine Beobachtungen zur Prägung bei Enten- und Hühnerküken 1873. Darwin las den Artikel und fand ihn »bewundernswert«.
Die Idee der Prägung wurde 40 Jahre später vom deutschen Biologen Oskar Heinroth weiterverfolgt, der, ohne Spaldings Experimente zu kennen, dasselbe Phänomen bei Wasservögeln beobachtete. Er nannte es »Prägung«, also sehr ähnlich wie Spalding. Heinroth zeigte, dass zumindest bei der Art, die er untersuchte, die Prägung der Art gilt und nicht dem Individuum. Ein Gänseküken, das auf einen Menschen geprägt wird, wird also alle Menschen so behandeln, als seien sie Angehörige seiner Art. Heinroth benutzte auch als Erster den Begriff »Ethologie« für die Verhaltensforschung.
Ein Schüler Heinroths war Konrad Lorenz, ein Österreicher, der zu einer wegweisenden Figur in der Verhaltensforschung wurde. Als junger Mann hielt Lorenz Dohlen und andere Vögel und korrespondierte mit Heinroth über das Verhalten der Vögel. 1932 veröffentlichte er einen Artikel, in dem er seine Sicht darlegte, die Dohlen lösten Probleme durch »Selbstkonditionierung«, eine Art Versuch-und-Irrtum-Verfahren.
Über die Prägung sagte Lorenz, sie ermögliche es etwa einer Ente oder Gans, ihre eigene Art zu erkennen und ein angemessenes Paarungsverhalten zu entwickeln. Einer seiner ausgefalleneren Befunde war die Beoachtung, dass Gänse, die als Küken auf Kinderwagen geprägt worden waren, später versuchten, sich mit diesen in einem Wiener Park zu paaren.
Lorenz war der Ansicht, alles Verhalten lasse sich aufteilen in solches, das durch Erfahrung gelernt wird, und solches, das angeboren oder instinktiv ist. Instinkte werden laut Lorenz in »festen Aktionsmustern« ausgedrückt, die durch spezifische Reize ausgelöst werden. Ein Beispiel ist das Balzverhalten des weiblichen Stichlings – es wird durch die Ansicht des roten Bauchs eines paarungsbereiten Männchens ausgelöst. Solche Verhaltensmuster sind angeboren und werden auch ausgeführt, wenn das Tier den auslösenden Reiz zum ersten Mal erlebt. Instinkte kommen durch den Prozess der natürlichen Selektion zustande und die Tiere erben sie von ihren Eltern. So sind zum Beispiel Wölfe, die im Rudel jagen, erfolgreicher bei der Jagd und leben länger. Damit ist es wahrscheinlicher, dass die im Rudel jagenden Wölfe ihre Gene an Nachkommen weitergeben. Über viele Generationen hinweg wird dann das Jagen im Rudel zu einer vererbten Eigenschaft von Wölfen.
Konrad Lorenz machte Prägungsexperimente mit Gänsen. Wenn er das erste bewegliche Objekt war, das ein frisch geschlüpftes Gänseküken sah, folgte es ihm, als wäre er seine Mutter.
»[Die] Verbindung zwischen dem externen Reiz und der Reaktion [ist] ein unkonditionierter Reflex …«
Iwan Pawlow
(1927)
Lorenz entwickelte viele seiner Ideen gemeinsam mit dem holländischen Biologen Nikolaas Tinbergen. Das Forscherpaar machte Experimente mit »übernormalen Reizen«: Sie übertrieben bestimmte Reize, um intensivere Reaktionen hervorzurufen. Tinbergen entdeckte zum Beispiel, dass Vögel lieber künstliche Eier bebrüten, auf denen Flecken und Farben hervorgehoben sind, als natürliche, schlichte Eier.
Zusammen mit dem österreichischen Ethologen Karl von Frisch erhielten Tinbergen und Lorenz den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin des Jahres 1973. Von Frisch ist am besten bekannt für seine Arbeit an Bienen. 1919 hatte er gezeigt, dass Bienen lernen können, zwischen verschiedenen Gerüchen zu unterscheiden. Bemerkenswerter noch ist seine Entdeckung, dass sie Entfernung und Richtung einer Futterquelle anderen Mitgliedern ihres Stocks durch Tanzen mitteilen. Eine Biene, die eine Nektarquelle gefunden hat, führt einen Rundtanz auf, der andere Bienen dazu bringt, im Umkreis des Bienenstocks nach der Nektarquelle zu suchen. Liegt die Quelle mehr als 50 Meter vom Stock entfernt, führt die Biene stattdessen einen Schwänzeltanz auf, indem sie immer wieder ein Stück geradeaus läuft und ihr Hinterteil schwenkt. Die Richtung ihrer Schwänzelstrecke informiert die Bienen im Stock über die Richtung der Nektarquelle relativ zur Position der Sonne.
Der Schwänzeltanz der Bienen informiert Mitglieder des Stocks, wo sie Pollen und Nektar finden. Bienen brauchen dieses Verhalten nicht zu lernen.
In seinem Aufsatz von 1963 Über Ziele und Methoden der Ethologie formulierte Tinbergen vier Fragen: Welche Reize produzieren das Verhalten? Wie trägt das Verhalten zum Erfolg des Tiers bei? Wie entwickelt sich das Verhalten im Lauf des Lebens? Wie ist das Verhalten innerhalb der Art entstanden? Tinbergen glaubte, dass die Beantwortung dieser Fragen notwendig ist, um jedes Verhalten vollständig zu verstehen. In den letzten Jahrzehnten haben Forscher noch viel mehr über erlerntes und angeborenes Verhalten herausgefunden. So wird jetzt anerkannt, dass viele Verhaltensweisen eine Kombination aus beidem sind.
Bei der Untersuchung, wie Futter die Sekretion von Speichel bei Hunden stimuliert, fiel dem russischen Physiologen Iwan Pawlow auf, dass die Hunde schon beim Erscheinen eines Labormitarbeiters zu speicheln begannen. Pawlow verknüpfte daraufhin den Klang einer Glocke mit Futter und zeigte, dass der Hund allein beim Klang der Glocke Speichel absondert – ein Beispiel für Konditionierung.
Douglas Spalding
Geboren 1841 in London, zog Douglas Spalding als Kind mit seiner Familie nach Schottland um. Er arbeitete eine Weile als Dachdecker. Dann überredete der Akademiker Alexander Bain die University of Aberdeen, Spalding den kostenlosen Besuch von Lehrveranstaltungen zu gestatten. Spalding zog zurück nach London, um Anwalt zu werden, zog sich aber Tuberkulose zu und reiste durch Südeuropa auf der Suche nach Heilung. Fasziniert vom Verhalten der Tiere, war er einer der Ersten, die zeigten, wie Lernen und Instinkt zusammenwirken. Er beschrieb auch als Erster das Phänomen der Prägung. Seine Arbeit wurde anerkannt und er wurde zum Gutachter der Zeitschrift Nature bestellt – eine Position, die er bis zu seinem frühen Tod im Jahr 1877 bekleidete.
Hauptwerk
1873 Instinct: With Original Observations on Young Animals