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ZELLEN VON FEINER, ELEGANTER GESTALT

NERVENZELLEN

IM KONTEXT

SCHLÜSSELFIGUR

Santiago Ramón y Cajal (1852–1934)

FRÜHER

Frühes 10. Jh. Der persische Arzt al-Razi beschreibt sieben Hirnnerven und 31 Spinalnerven in seiner medizinischen Enzyklopädie Kitab al-Hawi.

1664 Der holländische Mikroskopiker Jan Swammerdam löst Froschmuskelkontraktionen duch mechanische Reizung eines Nervs aus.

1792 Der italienische Naturforscher Giovanni Fabbroni meint: Bei Nervenaktionen sind chemische und physikalische Faktoren beteiligt.

1839 Theodor Schwann stellt die Zelltheorie auf.

SPÄTER

1929 Die Physiologen Joseph Erlanger und Herbert Spencer Gasser zeigen, dass Nerven mit einem einzigen elektrischen Signal arbeiten.

Das Nervensystem ist ein Netzwerk dünner Zellen, das sich vom Gehirn und Rückenmark zu jeder Ecke des Körpers erstreckt. Aber diese Zellen sind so schwer zu sehen, dass zu der Zeit, als der deutsche Physiologe Theodor Schwann 1839 seine Zelltheorie aufstellte – die These, dass der ganze Körper aus Zellen aufgebaut ist –, Nerven für Ausnahmen gehalten wurden. Erst die Forschungen des Italieners Camillo Golgi und des Spaniers Santiago Ramón y Cajal zeigten, dass Nerven in der Tat eine spezielle Art von Zellen sind – Neuronen.

Für Biologen des 19. Jahrhunderts sahen Nerven wie Spinnen aus mit zahllosen dürren Beinen, die sie Ausläufer nannten. Eher als Zellen schienen sie elektrische Drähte zu sein. Aber 1873 fand Golgi heraus, dass er mit Kaliumdichromat und Silbernitrat Nerven schwarz färben konnte, sodass sie im Mikroskop sichtbar wurden. Golgi sah, dass die Ausläufer aus einem einzelnen langen Schwanz bestehen sowie Verzweigungen, die aus dem Zellkörper wachsen.

14 Jahre später verbesserte Ramón y Cajal die Golgi-Färbung und fertigte detaillierte Zeichnungen von Nervenzellen an. Er bemerkte, dass zwischen den Ausläufern der einzelnen Nerven Lücken sind. Das Nervensystem besteht also aus getrennten, individuellen Zellen (Neuronen). Der lange Schwanz eines Neurons wurde als Axon bekannt und die verzweigten Fäden wurden Dendriten genannt.

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Sorgfältige Zeichnungen – angefertigt von Santiago Ramón y Cajal als Teil seiner bahnbrechenden Mikroskopstudien – zeigen, dass er die Neurone aus der Netzhaut als einzelne Zellen sah.

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Staffellauf der Zellen

Ramón y Cajal glaubte, Nervensignale würden von Zelle zu Zelle weitergereicht wie in einem Staffellauf. Er sah zapfenförmige Strukturen an den Enden der Axone und vermutete, dass sie Signale über einen schmalen Spalt hinweg senden, der später Synapse genannt wurde. Ramón y Cajal sah auch, dass Neurone, die mit Sinnesrezeptoren verbunden sind, etwa in der Haut, anders verschaltet sind als solche, die mit Muskeln verbunden sind. Sinnesneurone haben Axone, die nach innen zeigen, und Dendriten nach außen, während Axone der Neurone, die Muskeln bewegen (Motoneurone), nach außen zeigen.

Zusammenfassend stellte Ramón y Cajal fest, dass Neurone Signale nur in einer Richtung übermitteln: Sie empfangen Nachrichten über die Dendriten und geben sie über das Axon weiter. Signale laufen über bestimmte Bahnen und diese Bahnen kann man durch das Nervensystem verfolgen.

Von den 1930er-Jahren an erkannte man, wie Sinneseindrücke aus dem Körper ans Gehirn gemeldet werden. Wissenschaftler entdeckten auch die Kombination von Chemie und Elektrizität, die Signale durch die Zellen schickt, sowie eine Reihe von Stoffen, die Signale über Synapsen hinweg übermitteln, die Neurotransmitter. Wir haben heute ein detailliertes Bild der physischen Struktur der Nerven, auch wenn wir noch nicht voll verstanden haben, wie das Gehirn funktioniert. image

Santiago Ramón y Cajal

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1852 in Petilla de Aragón in Spanien geboren, wurde Santiago Ramón y Cajal von seinem Vater überrredet, Medizin zu studieren. Er diente als Militärarzt in Cuba. Nach seiner Rückkehr erhielt er 1877 seinen Doktortitel. Ramón y Cajal arbeitete als Direktor des Museums von Saragossa und als Professor an der Universität Saragossa, bevor er Professor für Anatomie an der Universität von Valencia wurde. 1887 zog Ramón y Cajal nach Barcelona, wo er wichtige Entdeckungen im Bereich des Nervensystems machte. 1899 wurde er Direktor des Nationalen Instituts für Hygiene. Er teilte sich den Medizin-Nobelpreis von 1906 mit Camillo Golgi. Seine Forschungsarbeit zum Nervensystem setzte er bis zu seinem Tod im Jahr 1934 fort.

Hauptwerke

1889 Handbuch der Histologie und der mikrographischen Technik

1894 Neue Ideen zur feinen Anatomie der Nervenzentren

1897–1899 Lehrbuch des Nervensystems des Menschen und der Wirbeltiere