IM KONTEXT
SCHLÜSSELFIGUR
Otto Loewi (1873–1961)
FRÜHER
1839 Der tschechische Anatom Jan Evangelista Purkinje entdeckt Nervenzellen im Kleinhirn. Sie werden später Purkinjezellen genannt.
1880 Santiago Ramón y Cajal zeigt, dass elektrische Signale immer in einer Richtung durch Nerven fließen. Später findet er Lücken zwischen den Zellen.
1897 Charles Sherrington prägt den Begriff »Synapse« für die damals rätselhafte »Trennfläche« zwischen kommunizierenden Neuronen.
SPÄTER
1952 Der australische Physiologe John Eccles entdeckt das exzitatorische postsynaptische Potenzial, das ein Aktionspotenzial in Gang setzt.
Heute Mehr als 200 Neurotransmitter des Menschen sind bekannt.
Während Nervensignale als elektrische Signale am Nerv entlang fließen, werden sie von Nerv zu Nerv als chemische Botschaften übermittelt. Diese Tatsache wurde 1921 von dem deutschen Pharmakologen Otto Loewi bewiesen, der diese Chemikalien entdeckte: Man nennt sie heute Neurotransmitter. Die Suche nach der exakten Art der Kommunikation zwischen Neuronen hatte 30 Jahre zuvor begonnen, als der spanische Arzt Ramón y Cajal behauptete, es gebe keine physische Verbindung zwischen einem Neuron und dem nächsten. Stattdessen ist eine Lücke zwischen benachbarten Zellen, über die hinweg die Zellen kommunizieren müssen. 1897 nannte der britische Neurophysiologe Charles Sherrington diese Lücke oder »Trennfläche« Synapse, was »zusammengreifen« bedeutet. Er und der britische Elektrophysiologe Edgar Adrian teilten sich 1932 den Medizin-Nobelpreis.
Die Struktur, in der ein (präsynaptisches) Neuron ein chemisches Signal an ein anderes (postsynaptisches) Neuron sendet, heißt Synapse. Die Lücke dazwischen heißt synaptischer Spalt.
Dank der Entdeckung des Elektronenmikroskops konnte die winzige, nur 40 nm breite Synapse 1953 sichtbar gemacht werden, lang nachdem Loewi herausgefunden hatte, wie sie funktioniert.
Neurotransmitter werden im Zellkörper des Neurons produziert. Sie wandern das Axon entlang zu Vesikeln (Membransäckchen). Wenn ein Aktionspotenzial über das Axon läuft, wird die Membran depolarisiert. Calciumionen strömen in die Zelle, Neurotransmitter werden in die Synapse entlassen.
Ramón y Cajal zeigte, dass elektrische Signale immer in derselben Richtung durch Zellen laufen. Das Signal läuft immer weg vom zentralen Zellkörper entlang dem Axon der Zelle. Die Spitze des Axons kann sich in mehrere Endknöpfchen verzweigen, die verschiedene Zellen kontaktieren. Jenseits der Synapse befindet sich ein Dendrit (ein fadenförmiger Ausläufer) des nächsten Neurons. Die meisten Neurone haben mehrere Dendriten, die wiederum verschiedene Nervensignale in den Zellkörper senden. Dort wirken sie entweder stimulierend oder hemmend auf ein elektrisches Signal, das entlang des Axons zu den nächsten Synapsen gesendet wird, und so weiter. Bis in die 1920er-Jahre hatten Neurowissenschaftler all dies gut verstanden, aber der Mechanismus der Kommunikation über die Synapse hinweg blieb ein Rätsel. Es war unklar, ob er chemisch oder elektrisch ist. Loewi berichtete, die Idee eines klärenden Experiments sei ihm in zwei Träumen gekommen.
Loewi isolierte die lebenden Herzen zweier Frösche. Beide Herzen wurden in Salzwasser gebadet, sodass sie außerhalb des Körpers weiterschlugen. Bei einem wurde der Vagusnerv, der das Herz mit dem Gehirn verbindet, entfernt, das andere blieb intakt. Loewi stimulierte Letzteres mit einem kleinen Stromstoß, um es zu verlangsamen. Dann nahm er etwas von der Flüssigkeit, in der das verlangsamte Herz schwamm, und schüttete sie in das Bad mit dem nervenlosen Herz. Der Schlag dieses zweiten Herzens verlangsamte sich augenblicklich auf dieselbe Weise. Loewi schloss daraus, dass der Vagusnerv einen Stoff produziert, um mit dem Herzen zu kommunizieren, und dass dieser Stoff dieselbe Botschaft zu dem nervenlosen Herz schickt. Er identifizierte den Stoff schließlich als Acetylcholin.
1914 hatte Henry Dale Acetylcholin aus Mutterkorn isoliert, einem giftigen Pilz, und festgestellt, dass es den Herzschlag hemmt – im Gegensatz zu Adrenalin, das ihn beschleunigt. Diese beiden Chemikalien waren die ersten Neurotransmitter, die identifiziert wurden.
Otto Loewi
Geboren in Frankfurt am Main im Jahr 1873, studierte Otto Loewi an der Universität Straßburg Medizin. Nachdem er gesehen hatte, wie schrecklich Tuberkulosepatienten und andere unheilbar Kranke leiden, beschloss er, statt Kranke zu behandeln, lieber neue Therapien zu erforschen. Er habilitierte sich in Marburg in Pharmakologie. 1902 ging er für einige Monate nach London und traf dort auch auf Henry Dale. Im folgenden Jahr nahm Loewi eine Stelle in Graz, Österreich, an. Dort packte er die Arbeit an, für die er berühmt werden sollte: Er und Dale teilten sich 1936 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin für ihre Entdeckung der Neurotransmitter. Loewi blieb in Österreich bis zum Anschluss von 1938. Dann musste er als Jude vor den neuen Herren, den Nazis, fliehen und ging schließlich in die USA. Er wurde Professor am New York University College of Medicine. 1945 wurde er US-Staatsbürger. 1961 starb er in New York.
Hauptwerk
1921 Über humorale Übertragbarkeit der Herznervenwirkung