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EINE KOMPLETTE THEORIE, WIE EIN MUSKEL KONTRAHIERT

MUSKELKONTRAKTION

IM KONTEXT

SCHLÜSSELFIGUREN

Jean Hanson (1919–1973),

Hugh Huxley (1924–2013)

FRÜHER

1682 Antoni van Leeuwenhoek beschreibt ein Streifenmuster in Muskeln.

1780er Luigi Galvani entdeckt, dass elektrische Funken Muskeln kontrahieren lassen.

1862 Der französische Neurologe Duchenne de Boulogne verzerrt die Gesichtszüge von Versuchspersonen, indem er Elektroden an Nerven anlegt.

SPÄTER

1969 Hugh Huxley stellt das Modell der schwingenden Querbrücke auf: Der Kopf des Myosins bindet an Aktin und rotiert dann, um das Aktin vowärtszuziehen.

1990 Künstliche Muskeln aus elektroaktiven Polymeren werden entwickelt – für eine mögliche Anwendung in der Robotik

Die Untersuchung von Nerven ging immer Hand in Hand mit der von Muskeln, denn ein kontrahierender Muskel ist ein Hinweis, dass das Nervensystem funktioniert.

1954, nur zwei Jahre nachdem der Mechanismus hinter dem Aktionspotenzial aufgeklärt war, wurde der chemische Prozess hinter der Muskelkontraktion auf ähnliche Weise enthüllt. Die Entdeckung gelang gleichzeitig zwei Forscherpaaren: Eines bestand aus dem britischen Physiologen Andrew Huxley, der eine wichtige Figur bei der Erforschung des Aktionspotenzials gewesen war, und dem Deutschen Rolf Niedergerke. Das zweite Paar bestand aus den britischen Biologen Jean Hanson und Hugh Huxley (nicht verwandt mit Andrew).

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Filamente aus Aktin und Myosin bilden Sarkomere. Wenn ein Muskel kontrahiert, ziehen die Myosinfilamenten an den Aktinfilamenten, bis beide enger zusammenrücken und den Muskel verkürzen. Dies geschieht wiederholt während einer einzigen Kontraktion.

Muskeltypen

Es gibt drei Arten von Muskeln im menschlichen Körper: Skelettmuskeln, die die Glieder und den Körper willentlich bewegen, weisen unter dem Mikroskop ein Streifenmuster auf und werden deshalb quer gestreift genannt. Die unwillkürlichen Muskeln, etwa die des Verdauungssystems, haben keine Streifen und werden darum glatte Muskulatur genannt. Der dritte Typ ist der Herzmuskel, den es nur im Herzen gibt. Sein Aussehen liegt zwischen »glatt« und »quer gestreift«.

Alle Muskeln funktionieren, indem sie sich der Länge nach kontrahieren oder zumindest ihre Spannung erhöhen. Die Kontraktion übt einen Zug aus, der auf einen Körperteil wirkt und ihn bewegt. Im Allgemeinen arbeiten Muskeln in antagonistischen Paaren, die in entgegengesetzte Richtungen ziehen: Wenn der eine Muskel kontrahiert, entspannt sich der andere.

Wie Muskeln funktionieren

Muskeln sind großenteils aus Eiweiß (Protein) aufgebaut. Zwei Typen von Protein – Myosin und Aktin – bilden lange Filamente; diese sind zu Muskelfasern (Myofibrillen) gebündelt. In jeder Myofibrille überlappen sich die dünneren Aktinfilamente mit den dickeren Myosinfilamenten. Zusammen bilden diese Proteine kontraktile Strukturen, die man Sarkomere nennt. In einer Muskelfaser sitzen Tausende von Sarkomeren hintereinander; eine Bizepsfaser enthält gewöhnlich 100 000 davon. Die Streifen in der quer gestreiften Muskulatur – und in geringerem Maße im Herzmuskel – kommen zustande, weil die Sarkomere einer Faser sich in etwa so orientieren wie die der darüber- und darunterliegenden Fasern. In glatter Muskulatur liegen die Sarkomere weniger ordentlich, funktionieren aber genauso.

Mehrere Myofibrillen sind von einer Zellmembran umhüllt, bilden also eine einzige Zelle – die aber mehrere Kerne hat. Wenn ein Nervensignal ankommt, sendet es Neurotransmitter über eine Synapse und löst eine Spannungsspitze in der Membran der Myofibrille aus. Wie in einem Nerv resultiert das in einer Welle elektrischer Ladung – einem Aktionspotenzial –, das die Muskelfaser entlangrast. Die vorübergehende Spannungsänderung bewirkt, dass Calciumionen in die Myofibrillen einströmen. Der Calciumanstieg, gekoppelt mit einem Angebot an Energie aus den Muskelfasern, lässt die Aktin- und Myosinfibrillen übereinander hinweggleiten, sodass jedes Sarkomer um rund zehn Prozent kürzer wird. All diese winzigen Kontraktionen akkumulieren sich und bewirken die Zugkraft des Muskels. Dieser Zustand bleibt erhalten, solange genügend Calciumionen in den Muskelfasern vorhanden sind und den Sarkomeren genügend Energie zur Verfügung steht. image

Jean Hanson

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1919 in Derbyshire geboren, promovierte Jean Hanson am King’s College London und verbrachte dort den Großteil ihres Lebens in der biophysikalischen Forschung.

Während eines Rockefeller-Stipendiums am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den USA traf sie Hugh Huxley, Brite wie sie. Das Paar formulierte gemeinsam die Gleitfilamenttheorie der Muskelkontraktion. Ihre Entdeckung wurde mit Skepsis aufgenommen, selbst nachdem sie 1956 mit einem Elektronenmikroskop die Kontraktion der Muskelfasern sichtbar gemacht hatten. Hanson wandte ihr Interesse dann den Muskeln wirbelloser Tiere zu.

1966 wurde Hanson Professorin am King’s College und Leiterin der Biophysik. 1973 starb sie auf dem Höhepunkt ihrer Karriere an einer seltenen Gehirninfektion.

Hauptwerk

1954 Changes in the Cross-Striations of Muscle During Contraction and Stretch and Their Structural Interpretation