IM KONTEXT
SCHLÜSSELFIGUR
Campbell de Morgan (1811–1876)
FRÜHER
Um 1600 v. Chr. Im alten Ägypten beschreibt der Papyrus Edwin Smith Brustkrebs.
Um 400 v. Chr. Hippokrates benutzt den Begriff karkinoma (»krebsartig«) zur Beschreibung von Tumoren.
1855 Rudolf Virchow führt den Ursprung von Krebs auf normale Zellen zurück, glaubt aber fälschlich, eine Reizung des Gewebes sei die Ursache.
SPÄTER
1962, 1964 Das Royal College of Physicians in London und der Surgeon General der USA berichten über eine Verbindung zwischen Rauchen und Krebs.
1972 Der CT-Scanner ermöglicht es, Tumoren für Operationen und Bestrahlungen zu lokalisieren.
Krebs ist eine der häufigsten Todesursachen weltweit, er steht an zweiter Stelle nach den Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Krebs entsteht, wenn eine normale Zelle abnorm zu wachsen beginnt. Normalerweise teilen sich Zellen, damit neue Zellen die alten oder beschädigten ersetzen. Bei Krebs ist dieser Prozess gestört: Neue Zellen entstehen, ohne dass sie gebraucht werden. Manche Zellen teilen sich unkontrolliert und bilden Tumore.
Einen wichtigen Durchbruch im Verständnis von Krebs erzielte in den 1870er-Jahren der britische Chirurg Campbell de Morgan. Er stellte fest, dass Krebs an einem Ort des Körpers entsteht, aber sich dann auf andere Teile ausbreiten kann – ein Prozess, der heute Metastasierung genannt wird. Nach einer Krebsoperation sind Kontrolluntersuchungen nötig, um festzustellen, ob der Krebs wiederkommt.
»Heute kann alles [Krebsgewebe] im Bereich unserer Operation sein; morgen kann [es] weit darüber hinaus verteilt sein.«
Campbell de Morgan
Krebs ist seit der Antike bekannt. Der griechische Arzt Hippokrates glaubte, er käme von einem Überschuss an schwarzer Galle. Seine Theorie hielt sich fast 2000 Jahre. Im 18. Jahrhundert erkannten Ärzte, dass Krebs unnormales Wachstum ist, und sobald in den 1840er-Jahren Anästhetika erhältlich waren, wurde die operative Entfernung von Tumoren üblich. 1839 hatte der deutsche Biologe Theodor Schwann postuliert, dass der Körper aus Zellen zusammengesetzt ist, 1855 war der deutsche Arzt Rudolf Virchow der Erste, der erkannte, dass Krebs in normalen Zellen entsteht.
Zu dieser Zeit war bereits bekannt, dass Umweltfaktoren einige Krebsformen begünstigen. So gab es im 18. Jahrhundert eine hohe Inzidenz von Hodenkrebs bei Männern, die in ihrer Jugend als Kaminkehrer gearbeitet hatten. Man wusste auch, dass Erblichkeit eine Rolle spielt. Aber die Mediziner stritten über die Natur des Krebses – insbesondere, ob es sich um eine konstitutionelle oder eine lokalisierte Erkrankung handelt.
Im Lauf mehrerer Jahrzehnte führte de Morgan systematische klinische Studien zum Krebs durch und präsentierte seine Befunde 1874. Er führte aus, dass Krebs lokal beginnt und sich dann von seinem Ursprung aus verbreitet. Krebszellen, sagte er, können unabhängig durch die Gewebe wandern, die einen Tumor umgeben, sie können sich aber auch über das Lymphsystem oder den Blutstrom verbreiten. Solche »Krebskeime« können jahrelang schlummern – manchmal auch unbestimmt lang.
De Morgans logische, evidenzbasierte Argumentation überzeugte seine Zeitgenossen und bestimmte die Richtung künftiger Forschung. 1914 stellte der deutsche Zoologe Theodor Boveri die These auf, Krebs entstehe aus Zellen mit irregulären Chromosomen, sei also genetisch bedingt. 60 Jahre später stellte der amerikanische Genetiker Alfred Knudson ein Modell der Genmutation auf, das wiederum zum Konzept der Tumorsuppressorgene führte, die in Krebszellen mutiert sind. Solche Mutationen können vererbt oder auch durch Schädigungen von außen bewirkt werden.
Krebs ist bis heute eines der schlimmsten Gesundheitsprobleme, aber frühzeitiges Eingreifen kann Leben retten. Früherkennung ist ebenfalls wesentlich und Screening-Programme sind eine zentrale Gesundheitsstrategie.
Radiotherapie benutzt hochenergetische Strahlen wie Röntgen, um Krebszellen abzutöten. Bei Tumoren in Kopf oder Hals hält eine Maske den Patienten in Position, Laserlicht markiert das Ziel.
Campbell de Morgan
Geboren 1811 in Clovelly, Devon, studierte Campbell de Morgan Medizin am University College in London und wurde dann Chirurg am Middlesex Hospital, wo er für den Rest seines Lebens arbeitete. Er war eng eingebunden in die Gründung der dortigen medizinischen Fakultät, war Dozent und dann Professor. 1861 wurde de Morgan zum Fellow of the Royal Society ernannt. Seine Forschungen an Krebs in den 1870er-Jahren zeigten, dass Krebs lokal entsteht und sich dann verbreitet. De Morgan war auch der Erste, der die gutartigen rötlichen Flecken der Haut beschrieb, die seinen Namen tragen: Campbell-de-Morgan-Flecken.
De Morgan war bekannt für seine Bescheidenheit und Freundlichkeit. Er starb 1876 an Lungenentzündung, nachdem er einen sterbenden Freund gepflegt hatte, der ebenfalls daran litt.
Hauptwerke
1872 The Origin of Cancer
1874 Observations on Cancer