IM KONTEXT
SCHLÜSSELFIGUR
Karl Ernst von Baer (1792–1876)
FRÜHER
320 v. Chr. Aristoteles begründet die Theorie, ein Embryo beginne als undifferenzierte Masse und forme sich allmählich.
1651 William Harvey beschreibt die Stadien, in denen sich Hühnerembryonen in Eiern entwickeln, und behauptet: »Alles Leben kommt aus dem Ei.«
1677 Antoni van Leeuwenhoek sieht als Erster Spermien im Mikroskop; er ist überwältigt von den kleinen, wimmelnden »Organismen« darin.
1817 Christian Pander beschreibt die drei Keimblätter bei Hühnchen.
SPÄTER
1842 Robert Remak beweist die Existenz der drei Keimblätter und benennt sie.
Seit den Zeiten Aristoteles’ bis ins späte 19. Jahrhundert war sich die Wissenschaft uneinig über das Prinzip, wie Tiere sich reproduzieren. Zwei mögliche Alternativen, die Aristoteles vorgeschlagen hatte, Präformation und Epigenese, wurden heftig debattiert.
Einige Befürworter der Präformation glaubten, eine Miniversion des zukünftigen Erwachsenen sei schon in jedem Ei vorhanden, andere glaubten, sie sei im Spermium und ein Organismus entstehe einfach durch Vergrößerung von etwas bereits Vorhandenem. Unterstützer der Epigenese dachten, Männchen und Weibchen trügen Material bei, um einen Organismus zu produzieren, und jedes Individuum entwickle sich allmählich aus einer formlosen, undifferenzierten Masse.
Hartsoekers Skizze des Homunkulus, eines kleinen Menschen, der seiner Ansicht nach im Spermienkopf lebt, erschien 1694 in Essai de Dioptrique (Versuch über die Lichtbrechung).
Die primären Keimblätter (Ektoderm, Mesoderm und Entoderm) bilden sich in den ersten beiden Wochen der Entwicklung komplexerer Tiere, auch des Menschen.
1677 untersuchte Antoni van Leeuwenhoek Sperma verschiedener Tiere, auch vom Menschen. Dabei sah er viele wimmelnde Spermien unter dem Mikroskop. In den 1670er-Jahren sah auch der holländische Physiker Nicolaas Hartsoeker die wimmelnden Zellen und postulierte, in den Zellköpfen seien winzige Menschen. Er glaubte also an Präformation.
Ein Befürworter der Epigenese, der deutsche Physiologe Caspar Friedrich Wolff, studierte Hühnerembryonen und fand keine Beweise für die Präformation. 1759 publizierte er seine Doktorarbeit, in der er die Theorie ablehnte und argumentierte, die Organe formten sich Schritt für Schritt. 1789 behauptete er auch, die Entwicklung jedes Individuums werde von einer »essenziellen Kraft« angetrieben, aber er gab die Idee und die entsprechenden Forschungen wieder auf.
1817 beschrieb der deutsch-baltische Biologe Christian Pander die frühe Entwicklung des Hühnchens und identifizierte drei getrennte Regionen im Hühnerembryo, heute bekannt als die primären Keimblätter. Karl Ernst von Baer erweiterte Panders Befunde. 1827 entdeckte er das menschliche Ovum (Ei) und publizierte eine Theorie der Embryonalentwicklung, basierend auf Beobachtung und Experiment. Baer beschrieb, dass Embryonen zunächst getrennte Schichten bilden und dass diese sich dann in komplexere Körperteile entwickeln. In seinen Worten: »Der Keim wird in heterogene Lagen geteilt.«
1842 erbrachte der deutsche Embryologe Robert Remak den mikroskopischen Beweis für die drei Keimblätter. Im Embryo ist ein Keimblatt eine Gruppe von Zellen, die sich in Organe und Gewebe weiterentwickelt. Schwämme haben nur ein Blatt, Quallen und Seeanemonen haben ein inneres (Entoderm) und ein äußeres Blatt (Exoderm). Komplexe Tiere mit bilateraler Symmetrie (einer Ähnlichkeit der rechten und linken Seite) entwickeln ein drittes Blatt (Mesoderm).
1891 zerteilte der deutsche Biologe Hans Driesch Seeigeleier im Zweizellstadium und stellte fest, dass jede Zelle sich zu einem kompletten Seeigel entwickelt, was mit einer Präformation unvereinbar war. 1944 wurde jedoch die Idee der »essenziellen Kraft«, die die Embryonalentwicklung steuert, bekräftigt: DNA wurde als Träger der genetischen Information identifiziert.
Karl Ernst von Baer
1792 als Sohn preußisch-deutscher Adliger in Piep, Estland, geboren, studierte Baer an der Universität von Dorpat Medizin und promovierte 1814. Im folgenden Jahr zog er nach Würzburg, um sein Medizinstudium fortzusetzen. Dort traf er den Physiologen und Anatomen Ignaz Döllinger, der ihn ermutigte, die Entwicklung des Hühnchens zu erforschen. Die meisten seiner Beiträge zur Embryologie schrieb Baer zwischen 1819 und 1834. Er machte wichtige Entdeckungen: die Blastula (Hohlkugel, Frühstadium des Embryos) und das Notochord (eine stabförmige Struktur, die Teil der Wirbelsäule wird). 1834 zog Baer ins russische St. Petersburg und wurde Miglied der Akademie der Wissenschaften. 1862 gab er die aktive Mitgliedschaft auf und erkundete als Forschungsreisender vor allem den Norden Russlands. Baer starb in Dorpat 1876.
Hauptwerke
1827 Die Entstehung des Eis bei Säugetieren und dem Menschen
1828, 1837 Die Entwicklungsgeschichte der Tiere (2 Bände)