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DAS X-ELEMENT

GESCHLECHTSBESTIMMUNG

IM KONTEXT

SCHLÜSSELFIGUR

Nettie Stevens (1861–1912)

FRÜHER

1891 Hermann Henking findet eine dunkle Struktur in Spermienköpfen und nennt sie »X«.

1901 Clarence McClung identifiziert Henkings X als ein geschlechtsbestimmendes Chromosom.

1902–1904 Walter Sutton und Theodor Boveri demonstrieren, dass Chromosomen Gene tragen, die erbliche Eigenschaften bestimmen.

SPÄTER

1909 In den USA nennt der Zoologe Edmund Wilson die Geschlechtschromosomen X und Y.

1966 Die Französin Madeleine Charnier beschreibt die temperaturabhängige Geschlechtsbestimmung bei Reptilien: Bei afrikanischen Agamen entwickeln sich wärmer gehaltene Eier in Männchen.

Der deutsche Biologe Hermann Henking bemerkte 1891 eine dunkle Struktur, die nur in den Köpfen von Spermien vorkam. Ohne zu wissen, um was es sich handelt, nannte er sie einfach »X«. 1901 entschied der amerikanische Zoologe Clarence McClung, dass X ein geschlechtsbestimmendes Chromosom ist. Es kommt in der Hälfte der Spermien vor und McClung dachte fälschlich, es kontrolliere das männliche Geschlecht.

Klarheit kam 1905 von der amerikanischen Biologin Nettie Stevens in ihrer Studie über Mehlwürmer. Chromosomen liegen in strukturell ähnlichen Paaren vor, doch sie fand, dass ein Paar bei Männchen ungleich ist: Ein kurzes, gedrungenes Chromosom liegt neben einem längeren. Diese Paare teilen sich bei der Meiose auf, so enthält die Hälfte der Spermien das kurze Chromosom und die Hälfte das längere. Das längere ist identisch mit Henkings X, das kurze wurde als Y bekannt. Stevens bewies, dass Y das männliche Geschlecht bestimmt, nicht X, wie McClung geglaubt hatte. Weibchen tragen zwei X-Chromosomen, somit sind alle Eizellen chromosomal gleich.

Erst zehn Jahre später wurde dasselbe X-Y-System bei den kleineren Chromosomen der menschlichen Zellen gefunden. Heute wissen wir, dass es bei allen Säugetieren und vielen Insekten das Geschlecht bestimmt. Ein Gen auf dem Y-Chromosom sorgt dafür, dass embryonale Sexualorgane sich männlich entwickeln. Aber das System ist nicht universell: Bei Vögeln haben die Weibchen ungleiche Geschlechtschromosomen und die Männchen haben ein identisches Paar. image

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Der menschliche Karyotyp besteht aus 23 Chromosomenpaaren. Ein Paar sind Geschlechtschromosomen, entweder XX (weiblich) oder XY (männlich).