IM KONTEXT
SCHLÜSSELFIGUR
Barbara McClintock (1902–1992)
FRÜHER
1902–1904 Walter Sutton und Theodor Boveri veröffentlichen unabhängig voneinander Beweise, dass das Genmaterial auf Chromosomen liegt.
1909 Frans Alfons Janssens bemerkt, dass bei der Meiose mütterliche und väterliche Chromatiden sich überkreuzen und Segmente austauschen.
1910er Studien an Fruchtfliegen aus dem Labor von Thomas Hunt Morgan zeigen, wie das Crossing-over von Chromosomen die Vererbungsmuster prägt.
SPÄTER
1961 Bei ihren Forschungen an Bakterien entdecken François Jacob und Jacques Monod, wie genetische Information je nach Bedarf an- oder ausgeschaltet wird.
Die Tatsache, dass Gene auf demselben Chromosom liegen, könnte den Eindruck erwecken, die entsprechenden Eigenschaften würden immer gemeinsam vererbt. Aber die Chromosomen sind nicht so stabil. Chromosomen zerbrechen auf natürliche Weise während der Zellteilung – und sie tauschen sogar Abschnitte aus. 1909 bemerkte der belgische Biologe Frans Alfons Janssens, dass sich Chromosomen während der Meiose spalten und dass mütterliche und väterliche Chromosomen sich überkreuzen (Crossing-over). Er vermutete zu Recht, dass sie Teile austauschen, indem sie an bestimmten Stellen brechen und Chromosomenteile ihrer Nachbarn einbauen. Die Gene wechseln also den Ort. Zuvor verbundene Gene werden getrennt und es entstehen Chromosomen mit neuen Kombinationen.
Ein transponierbares Element (oder springendes Gen) wechselt seinen Platz. Es beeinflusst das Verhalten eines Zielgens an der neuen Position, schaltet es an oder ab.
Zwischen 1910 und 1915 studierten der amerikanische Genetiker Thomas Hunt Morgan und sein Team an der Columbia University die Wirkung dieser Art von Genmischung auf die Vererbung von Eigenschaften bei Fruchtfliegen.
Mitte der 1920er-Jahre arbeitete die amerikanische Genetikerin Barbara McClintock an Maispflanzen. Sie kreuzte Pflanzen, die braune Maiskörner produzieren, mit solchen, die gelbe Körner haben, und erzeugte Nachkommen mit gemischten Farben. Wie Morgan Fliegen gezählt hatte, so zählte McClintock Maiskörner, um Vererbungsmuster zu finden.
McClintock kombinierte ihre Zuchtexperimente mit Mikroskopuntersuchungen der Maischromosomen. Sie zeigte, dass diese nicht nur durch das übliche Crossing-over Gene austauschen, sondern dass manche Gene zu ganz anderen Chromosomen überwechseln. Diese »springenden Gene« – später transponierbare Elemente genannt – beeinflussen die erblichen Eigenschaften und beweisen, dass seine Position genauso wichtig sein kann wie das Gen selbst.
Kreuzt man Maispflanzen, entstehen Körner mit verschiedenen Farben. Sie resultieren aus Änderungen im Verhalten von Anthocyaninpigmenten in den Speicherzellen der Körner.
McClintock arbeitete heraus, dass einige der springenden Gene die Chromosomen aufbrechen – wo immer sie hinspringen, lösen sie Crossing-over aus. Auf diese Weise ändern sie das Genom tiefgreifend und erhöhen den Grad an genetischer Varianz.
McClintock zeigte auch, dass nicht alle Teile der Chromosomen direkt verantwortlich dafür sind, Eigenschaften zu exprimieren. Sie können subtilere Wirkungen haben – indem sie die Funktion anderer Gene beeinflussen. Insbesondere, so entdeckte sie, können sie Gene an- und ausschalten. Die Idee, dass manche Gene von anderen aktiviert werden, half, eine andere Frage zu beantworten: Wenn alle Zellen im Embryo, kopiert aus dem ursprünglichen befruchteten Ei, genetisch identisch sind, wie ist es dann möglich, dass sie sich in Organe und Körperteile differenzieren? So fangen Zellen im Pankreas an, Insulin zu produzieren, aber Zellen im Gehirn tun das nicht – obwohl doch alle das Insulingen enthalten.
Der Beweis, dass nur bestimmte Gene angeschaltet werden – abhängig davon, wo im Embryo sie sich befinden – lieferte eine Erklärung. 1961 veröffentlichten die französischen Genetiker François Jacob und Jacques Monod den Beweis dafür, dass Gene an- und abgeschaltet werden. Die beiden arbeiteten an Bakterien und konnten zeigen, dass ein bakterielles Gen ein Enzym produziert, das Milchzucker abbaut – aber nur wenn Milchzucker in der Umwelt vorhanden ist. Jacob und Monod identifizierten eine Reihe von Komponenten – darunter den Aktivator –, die das Gen regulieren, abhängig von der Umgebung.
Barbara McClintock
Geboren 1902 in Hartford/Connecticut in den USA als Tochter eines homöopathischen Arzts, studierte Barbara McClintock in den 1920er-Jahren Genetik und Botanik an der Cornell University. Sie blieb bis 1936 dort und forschte zusammen mit ihrer Kollegin Harriet Creighton an der Frage, wie Chromosomen beim Crossing-over Segmente austauschen.
McClintock setzte ihre Forschungen an der University of Missouri fort und dann am Cold Spring Harbor Laboratory, wo sie während der 1940er-Jahre entdeckte, dass Teile von Chromosomen – heute transponierbare Elemente genannt – ihre Position ändern können. Anfangs wurde die Bedeutung ihrer Arbeit nicht anerkannt, aber 1971 erhielt sie schließlich die National Medal of Science und 1983 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin. Barbara McClintock starb 1992.
Hauptwerke
1931 A Correlation of Cytological and Genetical Crossing-Over in Zea mays
1950 The Origin and Behaviour of Mutable Loci in Maize