IM KONTEXT
SCHLÜSSELFIGUR
Marshall Nirenberg (1927–2010)
FRÜHER
1941 George Beadle und Edward Tatum demonstrieren, dass Gene die Zellen eines Organismus dazu bringen, spezielle Enzyme herzustellen.
1944 Der Mediziner Oswald Avery zeigt, dass Gene DNA-Abschnitte auf Chromosomen sind.
1953 James Watson und Francis Crick entdecken die Doppelhelixstruktur der DNA.
SPÄTER
1973 Die Amerikaner Herbert Boyer und Stanley Cohen zeigen, dass es möglich ist, Genmaterial zu modifizieren (Gentechnik).
2000 Ein erster Entwurf der kompletten Sequenz der DNA-Basen im menschlichen Genom (Chromosomensatz) wird veröffentlicht.
In den frühen 1940er-Jahren zeigten amerikanische Genetiker, dass Gene ihre Wirkung im lebenden Organismus entfalten, indem sie Zellen dazu bringen, Enzyme herzustellen. Diese Enzyme bestimmen die Eigenschaften des Organismus. Später wurde das Konzept verallgemeinert zu der Regel, dass die Synthese eines Proteins immer von einem bestimmten Gen gesteuert wird.
»Der Mensch wird vielleicht in der Lage sein, seine eigenen Zellen zu programmieren, [bevor] er weise genug ist, dieses Wissen zum Nutzen der Menschheit zu gebrauchen.«
Marshall Nirenberg
(1967)
1944 war klar, dass Gene DNA-Abschnitte sind. 1953 erklärten dann die Molekularbiologen Francis Crick und James Watson die Struktur der DNA: Sie zeigten, dass sie aus zwei Strängen von Nukleotiden besteht. Davon gibt es vier Typen, die jeweils eine der Basen Adenin (A), Cytosin (C), Guanin (G) oder Thymin (T) enthalten. Rasch erkannten Experten, dass in der Sequenz dieser vier Basen die Bauanleitung für die Proteine codiert sein muss. Die Details des Codes waren jedoch unbekannt – und ihn zu knacken, war die nächste Hürde für die Wissenschaftler.
Die Code-Sonne der DNA zeigt, welche Aminosäuren durch jede der 64 möglichen DNA-Triplett-Kombinationen codiert werden. Um einen Code zu ermitteln, nimmt man den ersten Buchstaben aus dem innersten Kreis, den zweiten aus dem hellbauen und den dritten aus dem dunkelblauen Ring.
Die Herausforderung bestand in der Frage: Wie kann eine lange Sequenz von vier Arten von DNA-Basen – A, C, G und T – für ein Protein codieren, das selbst aus einem Strang von Untereinheiten namens Aminosäuren besteht? 20 verschiedene Aminosäuren werden gebraucht, um Proteine zu machen, und Biologen erkannten, dass kurze DNA-Stränge den Code für spezifische Aminosäuren enthalten könnten. Ein Strang aus zwei Basen (der Typen A, C, G und T) kann lediglich in 16 (4 × 4) Kombinationen vorkommen, nicht genug, um 20 Aminosäuren zu codieren. Ein Triplett jedoch könnte 64 (4 × 4 × 4) Kombinationen bilden – mehr als genug. 1961 testeten Crick und der südafrikanische Biologe Sydney Brenner die Idee an einem Gen aus einem Virus. Was sie fanden, deutete darauf hin, dass lebende Zellen die Sequenz der DNA-Basen tatsächlich in Dreierschritten (Tripletts) decodieren.
Der nächste Schritt bestand darin, herauszufinden, welche Basentripletts für welche Aminosäure codieren. Zwischen 1961 und 1966 wurden alle 20 Aminosäuren decodiert – großenteils durch die Arbeit der beiden amerikanischen Genetiker Marshall Nirenberg und Philip Leder sowie des deutschen Biochemikers Heinrich Matthaei. Zunächst machten Nirenberg und Matthaei einige geniale Experimente mit Bakterien, um herauszufinden, was Tripletts, die nur aus einer Base bestehen (TTT, CCC oder AAA), bedeuten. Sie fanden, dass TTT für die Aminosäure Phenylalanin codiert und CCC für Prolin. Nirenberg und Leder klärten dann in weiteren Experimenten weitere Codes auf. Ihre Arbeit bestätigte auch, dass die Basentripletts in Folge gelesen werden, ohne Überlappungen zwischen den Tripletts.
Die Entschlüsselung des genetischen Codes war entscheidend für spätere Fortschritte der Genetik und der Biotechnologie. Es wurde möglich, völlig neue Proteine herzustellen – etwa für neue Medikamente –, indem man Stücke künstlicher DNA in Mikroorganismen einsetzt. Man weiß inzwischen, dass nahezu alle lebenden Organismen denselben Code benutzen – Abweichungen gibt es nur bei einfachen Lebensformen. Dies ist ein starker Beweis für einen gemeinsamen Ursprung allen Lebens auf der Erde.
Was sind Aminosäuren?
Die molekulare Struktur der Aminosäure Glycin wurde 1820 vom französischen Chemiker Henri Braconnot entdeckt. Sie wird etwa durch das DNA-Basentriplett GGC codiert.
Aminosäuren sind eine Klasse von organischen (kohlenstoffhaltigen) Substanzen. Sie sind die Bausteine der Proteine. Jede Aminosäure enthält ein Stickstoffatom verbunden mit zwei Wasserstoffatomen (dies nennt man eine Aminogruppe), eine weitere chemische Gruppe namens Carboxylgruppe (sie enthält ein Kohlenstoff-, ein Wasserstoff und zwei Sauerstoffatome) und mindestens ein weiteres Kohlenstoffatom.
20 verschiedene Aminosäuren werden in den Zellen zu kettenartigen Molekülen, den Polypeptiden, zusammengebaut. Dies sind Untereinheiten von Enzymen und anderen Proteinen. Die Kettenbildung findet in der chemischen Maschinerie der Zelle statt, wobei die Sequenz der Aminosräuen letztlich von der Sequenz der DNA-Basen bestimmt wird.
Die Aminosäuren stammen oft aus dem Abbau von Proteinen in der Nahrung, manche können jedoch auch aus anderen Substanzen synthetisiert werden.