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TIERE HABEN SICH IM LAUF DER ZEIT TIEFGREIFEND VERÄNDERT

LEBEN ENTWICKELT SICH

IM KONTEXT

SCHLÜSSELFIGUR

Jean-Baptiste Lamarck (1744–1829)

FRÜHER

um 400–350 v. Chr. Platon behauptet, dass Lebewesen eine feste, unveränderbare Substanz haben. Diese Ansicht bleibt für die nächsten zwei Jahrtausende erhalten.

1779 Comte de Buffon schätzt, dass die Erde weitaus älter ist, als in der christlichen Bibel behauptet.

SPÄTER

1859 Charles Darwin erklärt in Die Entstehung der Arten, dass die Evolution durch natürliche Selektion stattfindet.

1930er Biologen verbinden Darwins Theorie der natürlichen Selektion mit Gregor Mendels Vererbungsregeln. Sie bilden die Synthetische Evolutionstheorie und erklären, wie Evolution funktioniert.

Die Voraussetzung der Evolution – dass sich Lebensformen über viele Generationen verändern – ist der Schlüssel zur Erklärung, warum Organismen so sind, wie sie sind. Für den größten Teil der Geschichte der Biologie wichen sogar die besten Denker dieser Idee aus. Evolution ist scheinbar kotraintuitiv: Jede Art vermehrt sich, aber wie führt das zu Veränderungen? Arten wurden auch als beständige Produkte eines Schöpfungsakts angesehen. Dieser Gedanke führt zurück bis zu Platons Theorie von festen, »idealen« Formen, die durch religiöse Lehren gestärkt wurden. Außerdem war die Welt nach der Bibel nicht alt genug, damit Evolution stattfinden konnte.

Belege gegen die Schöpfung

Im 17. Jahrhundert bemerkten Geologen die horizontalen Gesteinsschichten und die verschiedenen Fossilien darin. Einige vermuteten daher, dass die Erdgeschichte viel länger dauerte, als sie bisher angenommen hatten. Vermehrte weltweite Reisen führten zur Entdeckung vieler neuer Pflanzen und Tiere, die nicht in der Bibel erwähnt wurden, und Mikroskope wiesen die Existenz von Mikroben nach.

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Felsschichten im Grand Canyon, Arizona (USA), repräsentieren sechs geologische Perioden. Sie sind zwischen 270 Mio. und 1,8 Mrd. Jahren alt.

Im 18. Jahrhundert teilte Comte de Buffon, einer der angesehensten Naturforscher, die Erdgeschichte in sieben Epochen ein – die Planeten entstanden in der ersten und Menschen erschienen in der letzten. Seine private Schätzung des Erdalters, die auf seinem umfangreichen Tierwissen beruhte, betrug eine halbe Million Jahre. Damit war die Erde hundert Mal älter als die wörtliche Auslegung der Bibel.

Buffon klassifizierte Tiere nach ihrer Region und nicht wie der schwedische Botaniker Carl von Linné nach ihrem Aufbau. Damit zeigte er, dass die Verteilung der Arten kein Zufall war, weil in verschiedenen Gebieten unterschiedliche Tiere und Pflanzen lebten. Das stand scheinbar im Widerspruch zu einem Garten der Schöpfung. Trotz dieser Erkenntnis war aber noch nicht einmal Buffon ein Evolutionist. Naturforscher erbrachten zunehmend mehr Fakten, die dem Konzept der unveränderbaren Arten widersprachen. Doch die religiöse Überzeugung vieler Menschen verhinderte die Schlussfolgerung, dass sich Leben ständig entwickelt.

Eine evolutionäre Theorie

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts unternahm der französische Naturforscher Jean-Baptiste Lamarck den entscheidenden Schritt, vom Schöpfungsgedanken abzuweichen. Er war ein engagierter Taxonom mit umfangreichem Wissen über Invertebraten. Aufgrund der Ähnlichkeit zwischen lebenden und ausgestorbenen Tieren bemerkte er, dass einige Fossilien als Zwischenformen verschiedener Arten erschienen. Dadurch wandte er sich von der Ansicht beständiger Arten ab und der Evolutionstheorie zu.

Nach Lamarcks Vorstellung veränderte sich ein Körperteil, weil es sich an die Umwelt anpasste. Dieses neu erworbene Merkmal gab das Tier dann an seinen Nachwuchs weiter. Lamarck vermutete, dass sich Körperteile veränderten, weil sie benutzt wurden oder unbenutzt blieben. Raubtiere jagen etwa ständig Beute, sodass Jäger und Beute stärkere Muskeln entwickelten und dadurch schneller wurden. Unbenutzte Körperteile wurden dagegen schwächer und nahmen ab, bis sie verschwunden waren.

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Lamarck glaubte, je häufiger Tiere ein Körperteil nutzen, umso besser entwickelt es sich. Wenn eine Giraffe ständig ihren Hals nach oben streckt, wird er mit der Zeit immer länger.

Zu dieser Zeit erschien seine Idee plausibel – und seine Theorie war ein erster Versuch, den Mechanismus der Evolution zu erklären. Doch Biologen erkannten bald, dass erworbene Merkmale nicht vererbbar waren. Lamarck hatte grundsätzlich mit der Artenveränderung recht, aber er irrte sich bei den Einzelheiten. Erst nach mehr als einem halben Jahrhundert präsentierte Charles Darwin eine bessere Erklärung: Evolution erfolge durch natürliche Selektion. image

Jean-Baptiste Lamarck

Als jüngstes von elf Kindern einer armen Familie in Picardy (Frankreich) kam Jean-Baptiste Lamarck 1744 auf die Welt. Mit 17 meldete er sich für den Siebenjährigen Krieg zwischen Frankreich und Deutschland und verließ sieben Jahre später die Armee. Seine Passion für Naturgeschichte motivierte ihn, ein viel gepriesenes Buch über französische Pflanzen zu verfassen. Comte de Buffon stellte Lamarck im Pariser Naturgeschichtlichen Museum ein, wo er 1793 zum Professor für Insekten, Würmer und mikroskopische Tiere aufstieg. In dieser Zeit entwarf er seine Theorie der Evolution, die er zuerst 1800 in einer Vorlesung und später in mehreren Büchern vorstellte. Im Alter behinderte Lamarcks nachlassende Sehkraft seine Arbeit und er starb 1829 erblindet und in Armut.

Hauptwerke

1778 Französische Flora

1809 Zoologische Philosophie

1815–1822 Natürliche Geschichte der Invertebraten