IM KONTEXT
SCHLÜSSELFIGUREN
Luis Alvarez (1911–1988),
Walter Alvarez (*1940)
FRÜHER
1694 Der englische Astronom Edmund Halley schlägt vor, dass ein Kometeneinschlag die biblische Flut auslöste. Er wird aber von der Kirche gedrängt, seine These zurückzunehmen.
1953 Die amerikanischen Geologen Allan O. Kelly und Frank Dachille vermuten, dass Dinosaurier durch einen Asteroideneinschlag ausstarben.
SPÄTER
1990 Der kanadische Geologe Alan Hildebrand entdeckt in Proben vom Chicxulub-Krater Folgen einer Impaktmetamorphose einschließlich Glasaggregaten (Tektite) und Quarz.
2020 Der britische Planetenforscher Gareth Collins zeigt, dass der tödliche Asteroid steil einschlug, sodass größere Trümmerwolken entstanden.
Die Geschichte des Lebens auf der Erde erlebte mehrere großen Massenaussterben, wie Fossilienfunde zeigen. Jedes Ereignis wurde intensiv untersucht, aber das eine, das die Vorstellung von Wissenschaftlern und Nichtwissenschaftlern fesselte, geschah vor etwa 66 Mio. Jahren, am Ende der Kreidezeit. Dabei wurden drei Viertel der Arten auf der Erde – auch Dinosaurier, mit Ausnahme derer, die sich zu Vögel entwickelten – geologisch gesehen mit einem Wimpernschlag ausgelöscht. Über die mögliche Ursache dieses Aussterbens wurde jahrelang ohne Lösung debattiert, weil physische Nachweise fehlten. Erst 1980 wurde ein Aufsatz veröffentlicht, der neue geologische Funde präsentierte. Der amerikanische Physiker Luis Alvarez und sein Sohn, der Geologe Walter Alvarez, behaupteten, dass ein Asteroideneinschlag dieses Ereignis auslöste – ein großer Gesteinsbrocken, der um die Sonne kreist.
Der Asteroid, der vor 66 Mio. Jahren einschlug, war etwa 10 km groß. Die Zahl der die Erde passierenden Asteroiden dieser Größe zeigt, dass ein Einschlag alle 100 Mio. Jahren vorkommen kann.
Luis Alvarez erhielt 1968 den Nobelpreis für Physik für seine Arbeit über subatomare Teilchen. Er nutzte 1979 eine Methode der Nuklearchemie, um die Iridiumkonzentration in sedimentärem Ton zu bestimmen.
Die Hypothese von Alvarez beruhte auf einem Fund in Gubbio (Italien), mit extrem hohen Werten des Metalls Iridium in einer Tonschicht im Sedimentgestein, die der Zeit des Dinosaurieraussterbens entsprach. Das Iridium war 30-mal konzentrierter als gewöhnlich. Weitere Funde desselben Phänomens in anderen Teilen der Welt folgten. In Dänemark war der Iridiumgehalt einer Tonschicht 160-fach höher als normal. Weil Elemente der Platingruppe wie Iridium selten in der Erdkruste vorkommen, folgte daraus, dass der Ton vom Staub eines außerirdischen Objekts stammt.
Nach einer Möglichkeit kam der Staub von einer Supernova – der Explosion eines Sterns. Doch die Zusammensetzung des Tons ähnelte mehr dem Material des Sonnensystems, eine Supernova ereignet sich aber weit außerhalb. Der wahrscheinlichste Grund war daher der Einschlag eines großen Asteroiden. Die Kollision hätte eine gewaltige Wolke aus pulverisiertem Gestein erzeugt, 60-mal schwerer als der Asteroid, die über mehrere Jahre das Sonnenlicht blockierte. Sie hätte die Fotosynthese unterdrückt und zu einem katastrophalen Zusammenbruch von Nahrungsketten und zum Massenaussterben geführt.
Die Größe des Asteroiden wurde über den Iridiumgehalt auf ungefähr 10 km Durchmesser berechnet, aber es fehlte ein Einschlagkrater. Doch 1990 wurde ein immenser Krater in der Nähe der Stadt Chicxulub (Mexiko) entdeckt, der von einem Einschlag stammte. Er besaß genau die richtige Größe und das richtige Alter.
Skeptiker der Asteroidenhypothese glaubten, dass das Verschwinden der Dinosaurier wie auch die Veränderung der Flora zu der Zeit zu graduell war und nicht von einem plötzlichen Ereignis ausgelöst wurde. Nach einer konkurrierenden Idee waren massive Vulkanausbrüche gegen Ende der Kreidezeit die Ursache. Diese schufen eine der weltgrößten Vulkanformationen – den Dekkan-Trapp im westlichen Zentralindien – und könnten die Lebensbedingungen auf der Erde verändert haben. Vulkane, die Schwefelgase in die Atmosphäre ausstoßen, könnten zur Versauerung der Meere führen und der Ausstoß von Kohlendioxid könnte zur Erhöhung der Temperaturen beitragen. Nach einer anderen Meinung könnte ein Einschlag die Vulkanaktivität intensiviert haben.
»… wir träumen davon, neue Geheimnisse der Natur zu entdecken, so bedeutend und aufregend wie diejenigen, die unsere wissenschaftlichen Helden aufgedeckt haben.«
Luis Alvarez
Nobelpreisrede, 1968
Der Chicxulub-Krater, entstanden durch einen Einschlag, erstreckt sich von der Halbinsel Yucatán in den Golf von Mexiko. Seinen Rand bildet ein Ring aus Cenoten (Karsthöhlen).
Doch Klima- und ökologische Modelle stützten die Asteroidenhypothese. Danach könnten die lang anhaltenden Winter die Erde für Dinosaurier unbewohnbar gemacht, aber die wärmenden Effekte des Vulkanismus das Abkühlen abgeschwächt und die ökologische Erholung gefördert haben. Ohne Vulkanismus hätte eine noch größere Zahl von Arten austerben können.