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ALLE KÖRPER HÄNGEN IRGENDWIE VONEINANDER AB

NAHRUNGSKETTEN

IM KONTEXT

SCHLÜSSELFIGUR

Richard Bradley (1688–1732)

FRÜHER

9. Jh. Der arabische Gelehrte al-Jahiz beschreibt Nahrungsketten im Buch der Tiere.

1717 Antoni van Leeuwenhoek bemerkt, dass Krabben mikroskopische Tierchen fressen, Schellfische Krabben und Dorsche Schellfische fressen.

SPÄTER

1749 Der schwedische Botaniker Carl von Linné skizziert zwei Nahrungsketten in seinem Konzept »Ökonomie der Natur«.

1927 Der englische Zoologe Charles Elton schreibt über Nahrungsketten und -kreisläufe in seinem Buch Tierökologie.

2008 Der deutsche Paläobiologe Jürgen Kriwet zeigt, dass der Mageninhalt eines ausgestorbenen Hais Amphibien enthielt, die Fische fraßen.

Wie interagieren Lebewesen, um Nahrung zu erhalten? Die ersten Konzepte zu Nahrungsketten, die die Ernährungshierarchie verschiedener Tiere in einem Habitat beschreiben, kamen im 9. Jahrhundert auf. Ausführlicher damit befasste sich der britische Botaniker Richard Bradley zur Zeit der Aufklärung im späten 17. Jahrhundert. Ohne ein Studium, aber mit einer Vorliebe für Pflanzen, schrieb er intensiv über Gartenbau. Er bemerkte, dass sich Insekten oder ihre Larven von Gartenpflanzen ernährten, dass es für jede Pflanzenart eigene Schädlinge gab und dass diese Beute von Räubern wie Spinnen und Vögel waren. In seinem Buch Neue Verbesserungen bei Pflanzungen und Gartenarbeit schlug er 1719/20 vor, alle Tiere seien in Bezug auf Nahrung kettenartig aufeinander angewiesen.

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Die Ernährungshierarchie verschiedener Organismen in einem Habitat wird mit Nahrungsketten dargestellt. Organismen werden in Kategorien wie Produzenten, Konsumenten und Destruenten eingeteilt, die sich auf allen Ebenen der Kette ernähren. Nahezu alle Produzenten, autotrophe Lebewesen, stellen ihre Nahrung durch Fotosynthese her.

Produzenten und Konsumenten

In modernen Nahrungsketten sind Pflanzen die Produzenten und bilden die Basis einer Nahrungskette. Sie enthalten Chlorophyll und wandeln mithilfe von Sonnenlicht Kohlendioxid und Wasser in Zucker um. Dieser Prozess, die Fotosynthese, setzt auch Sauerstoff frei. Fotosynthetische Organismen, zu denen Algen, Bakterien und Grünpflanzen zählen, erzeugen ihre eigene Nahrung – ohne sie würde nur wenig anderes existieren. Sie werden von herbivoren Primärkonsumenten wie Schafen, Hasen und Raupen gefressen. Diese Primärkonsumenten sind Beute der Sekundärkonsumenten – Karnivoren wie Füchse, Eulen und Schlangen. Weiter oben in der Nahrungskette fressen zunehmend größere Räuber kleinere Tiere, wobei Tiere ohne Jäger (aber vielleicht mit Parasiten) an der Spitze stehen – die Spitzenprädatoren. Auf jeder Stufe wird Energie von einem Glied zum nächsten übertragen. Die Kette hält sich selbst am Leben, wenn ihre Pflanzen und Tiere sterben. Destruenten bauen die Körper und jeglichen Abfall, etwa Dung, ab und recyceln Rohmaterialien für die Produzenten der nächsten Generation.

Nahrungsnetze und Symbiose

Der niederländische Geistliche John Bruckner erkannte 1768, dass Nahrungsketten nicht isoliert existieren und Organismen verschiedener Nahrungsketten interagieren und ein Nahrungsnetz formen. Charles Darwin beschrieb es später als ein Netz aus komplexen Beziehungen.

In einer Nahrungskette oder einem -netz nennt man die Individuen einer bestimmten Art in einem geografischen Gebiet Population. Sind zwei oder mehr Populationen an ein bestimmtes Gebiet gebunden, etwa durch die Vegetation, werden sie zu einem Teil einer Gemeinschaft. In einer Gemeinschaft interagieren Arten jeder Nahrungskette auf mehrere Weisen. Einige fressen andere – Raub (Prädation) – ,während andere anderweitig interagieren. Das kann gut für beide Seiten sein – Mutualismus – oder ein Organismus profitiert auf Kosten eines anderen, dem Wirt, und tötet ihn vielleicht – Parasitismus. Wenn eine Art von einer anderen profitiert, ohne diese zu gefährden oder zu unterstützen, nennt man dies Kommensalismus. image

»Jede Art hat ihren spezifischen Ort in der Natur, in der geografischen Lage und in der Nahrungskette.«

Carl von Linné

Genera plantarum (1749)

Nahrungsketten in der Tiefsee

In der Tiefe des Pazifiks wurde 1976 eine außergewöhnliche Nahrungskette entdeckt – sie erhält ihre Energie nicht von der Sonne, sondern aus dem Erdinneren. Hydrothermalquellen sind Öffnungen im Meeresboden, wie Geysire, in denen Meerwasser von Magma erhitzt wird. Einige stoßen Wasser mit einer Temperatur von mehr als 400 °C aus. Die beiden Formen – Schwarzer und Weißer Raucher – unterscheiden sich durch ihre Mineralien. Schwarze Raucher enthalten Sulfide, die durch Bakterien mittels Chemosynthese in Energie umgewandelt werden. Diese Organismen sind die Basis einer ungewöhnlichen Nahrungskette, zu der große Kalkröhrenwürmer, Muscheln und Garnelen zählen und die alle von den Bakterien abhängig sind. Ein besonders seltsames Tier – der Pompejiwurm – hält sein vorderes Ende in angenehmes, 22 °C warmes und sein hinteres, geschützt durch eine Schicht symbiotischer Bakterien, in 80 °C heißes Schlotwasser.