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TIERE EINES KONTINENTS LEBEN AUF KEINEM ANDEREN

VEGETATIONS- UND ZOOGEOGRAFIE

IM KONTEXT

SCHLÜSSELFIGUREN

Alexander von Humboldt (1769–1859),

Alfred Russel Wallace (1823–1913)

FRÜHER

4. Jh. v. Chr. Aristoteles beschreibt Pflanzen und Tiere, die an einem, aber nicht an einem anderen Orten leben.

1749–1788 Comte de Buffon veröffentlicht die 36-bändige Histoire Naturelle (Naturgeschichte) mit seiner Theorie zur Variation der Arten.

SPÄTER

1967 Die amerikanischen Ökologen Robert MacArthur und Edward O. Wilson entwickeln ihr Modell der Inselbiogeografie.

1975 Der ungarische Biogeograf Miklos Udvardy schlägt vor, biogeografische Reiche in kleinere biogeografische Provinzen einzuteilen.

Man wusste schon immer, dass nicht alle Lebensformen am selben Ort vorkommen. Vor dem 18. Jahrhundert versuchten nur wenige, dies zu erklären. In den 1780er-Jahren vermutete der schwedische Botaniker und Taxonom Carl von Linné, beeinflusst von der Bibel, dass alles Leben von einer paradisischen Insel stammte, auf der jede Art in einem bestimmten Habitat lebte. Nach einer Überflutung hätte sich die Vielfalt der Pflanzen und Tiere auf der Erde verteilt.

Der französische Gelehrte Comte de Buffon untersuchte die Verteilung von Fossilien und Tieren mit wissenschaftlichen Methoden. Danach hatten ähnliche, aber isolierte Regionen vergleichbare, aber eigene Gruppen von Säugetieren und Vögeln (buffonsches Gesetz).

Buffon vermutete, dass Anpassung an die Umgebung zur biogeografischen Variation führte. Alle Elefanten etwa waren Nachkommen sibirischer Mammuts. Sie migrierten aus Nordasien und passten sich neuen Umweltbedingungen an. Elefanten in warmen indischen Wäldern verloren ihr Fell. Afrikanische Elefanten entwickelten große Ohren, um in den heißen Savannen Wärme abzuführen.

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Humboldts Expedition

Der preußische Geograf und Naturforscher Alexander von Humboldt legte 1799 bis 1804 auf einer Expedition nach Südamerika, Mexiko und in die Karibik die Grundlagen der Biogeografie (die Lehre der geografischen Verteilung von Tieren und Pflanzen). Mit dem französischen Botaniker Aimé Bonpland zeigte Humboldt nach Analyse gewaltiger Datenmengen die Wechselbeziehung von Geografie, Klima, lebenden Organismen und menschlicher Aktivität auf. Sie sammelten 5800 Pflanzenarten (3600 davon kannte die westliche Forschung nicht) und bestimmten unzählige Standorte, Höhenlagen, Temperatur, Luftfeuchtigkeit und andere geografische Parameter, um die Faktoren des Pflanzenwachstums zu erklären.

Humboldt veröffentlichte 1807 seine berühmte Tableau Physique, ein Querschnittsdiagramm der Vegetation und Klimazonen der äquatorialen Anden, die auf den Expeditionsdaten von Mount Chimborazo und Mount Antisana im heutigen Ecuador beruhten. Er beschrieb und benannte 1811 drei mexikanische Vegetationszonen: Tierra Caliente (warmes Land) mit tropischem immergrünem oder laubigem Wald, Tierra Templada (gemäßigtes Land) mit Eichen- und Kiefernwald und Tierra Fría (kaltes Land) mit Kiefern- und Tannenwald. Seine Definitionen wurden stark verfeinert, aber sie zeigten die geografische Verteilung von Pflanzen nach Faktoren wie Höhenlage, Boden und Klima.

Humboldt erkannte, dass ähnliche Zonen und Pflanzen in verschiedenen Teilen der Welt vorkamen. Auf Grundlage der Daten verfasste er sein Hauptwerk Kosmos (1845–1862).

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Die Vegetation in Mexiko wurde von Humboldt zuerst nach Höhenstufen klassifiziert. Sein System wird noch benutzt, ergänzt durch die Tierra Helada (gefrorenes Land), in der alpine Pflanzen wachsen.

Seitdem untersuchten weitere Studien Faktoren wie Breitengrad, Isolation, Exposition, Evolution und menschliche Aktivität. Sie beeinflussen die geografische Verteilung von Pflanzen (Vegetationsgeografie). Der deutsche Botaniker Adolf Engler betonte die Geologie als einen Faktor. Mit dem deutschen Botaniker Oscar Drude gab er 1896 bis 1928 das mehrbändige Werk Die Vegetation der Erde heraus, die erste systematische, globale Vegetationsgeografie.

Zoogeografie

Nach Humboldts Pionierarbeit zur Pflanzenverteilung beteiligten sich viele am neuen Gebiet der Zoogeografie (geografische Verteilung der Tiere). Auf seiner Reise auf der HMS Beagle von 1831 bis 1836 untersuchte Charles Darwin die Verteilung von Inselarten. Hieraus entwickelte er später seine Theorie zur natürlichen Selektion und Evolution. Er bemerkte, viele Tiere gäbe es nur an einem Ort und nicht in ähnlichen Habitaten andernorts – etwa einige Vögel auf den Falklandinseln und die Galapagos-Riesenschildkröte. Der britische Ornithologe Philip Sclater präsentierte 1857 der Linnean Society of London einen Aufsatz, in dem er die Welt anhand ihres Vogelvorkommens in sechs biogeografische Regionen einteilte. Dabei stellte er heraus, dass es mehr Gemeinsamkeiten zwischen Vogelarten in entfernten Orten des gemäßigten Europas und Asiens (die er Paläarktis nannte) als zwischen dieser Region und Nachbarregionen des subsaharischen Afrikas oder Südasiens gab. Vermutlich hatte die Paläarktis eine eigene Fauna, die in Nachbarregionen nicht vorkam.

»Desto freier haben sich in ihr die Naturkräfte … entwickelt; frei … wie das Pflanzenleben in den Wäldern am Orinoco, wo … dem riesenstämmigen Lorbeer nie die verheerende Hand des Menschen, sondern nur der üppige Andrang schlingender Gewächse, drohet.«

Alexander von Humboldt

Der Beitrag von Wallace

Die führende Autorität der Tierverteilung im 19. Jahrhundert war der britische Biologe und Geograf Alfred Russel Wallace. Auf seinen Expeditionen notierte er sorgfältig jede Tier- und Pflanzenart an jedem Ort. Bei seiner zweiten Expedition sammelte er über 125 000 Tierproben mit über 5000 neuen Arten.

Wallace beobachtete auch das Verhalten der Tiere bei Fressen, Aufzucht und Wanderungen. In den 1850er-Jahren erkannte er, wie die Biogeografie seine Thesen zur Evolution unterstützen konnte, und suchte nach Parallelen und Abweichungen der Lebensformen in verschiedenen Gebieten.

In Der Malayische Archipel stellte Wallace einen scharfen Kontrast zwischen Tieren im Nordwesten und Südosten der Inseln fest. Arten auf Sumatra und Java ähnelten mehr denen des asiatischen Festlands, während solche auf Sulawesi und Neuguinea mehr australischen Tieren glichen. Er entdeckte etwa Beuteltiere auf Sulawesi, aber nicht weiter westlich davon. Entdeckungen wie diese formten seine Ansicht über den Ursprung der Arten, insbesondere, dass neue Arten dort entstanden, wo ihre Vorfahren durch entstehende Gebirgszüge und Ozeanbarrieren getrennt wurden.

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Wallace’ sechs zoogeografische Regionen mit den modernen Ergänzungen von Ozeanien (Inseln des Pazifiks) und Antarktis gelten heute als Bereiche.

In seiner Veröffentlichung zur Zoogeografie, Die geographische Verteilung von Tieren, nutzte Wallace seine Forschungen und die Ergebnisse von Sclater und anderen und zog die Grenzen der zoogeografischen Regionen (s. oben).

Seine Grenze (die Wallace-Linie) zwischen der orientalischen und australischen Region verläuft vom Indischen Ozean zum Philippinischen Meer – durch die Lombokstraße zwischen den Inseln Lombok und Bali und die Makassa-Straße zwischen Borneo und Sulawesi. Die Linie markiert die abrupte Begrenzung der Verteilung vieler Pflanzen und Tiere, die er beobachtet hatte.

Plattentektonik

Im frühen 20. Jahrhundert bemerkte der deutsche Geophysiker Alfred Wegener eine sonderbare Verteilung einiger Pflanzen- und Tierfossilien. Das Reptil Cynognathus aus dem Trias wurde an den Küsten von Brasilien (Südamerika) und Angola (Zentralafrika) gefunden. Wie bereits von Wallace beschrieben, wurde Farnsamen von Glossopteris aus dem frühen Perm in Uruguay, Namibia, Madagaskar, Südindien, der Antarktis und Australien entdeckt.

Wegener glaubte, dass die Kontinente früher den Superkontinent Pangäa bildeten und später auseinanderbrachen. Seine Theorie der Kontinentaldrift (heute Plattentektonik) von 1915 wurde erst nach 1960 bestätigt, sie war aber ein großer Fortschritt in der Fossilienbiogeografie (Paläobiogeografie).

Moderne Anwendungen

Weil sie Änderungen der Artenverteilung anzeigt, bietet die Biogeografie Informationen über den globalen Klimawandel und menschliche Aktivitäten. So haben 2017 Botaniker entdeckt, dass Humboldts Vegetationszonen am Mount Antisana nun 215 bis 266 Meter höher liegen, was eine merkliche Erwärmung des Klimas anzeigt. Biogeografie zeigt auch Änderungen von Wanderung oder Aufzuchtzeiten von Tieren. Dieses Wissen unterstützt Artenschutzmaßnahmen. image

Alfred Russel Wallace

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Wallace kam 1823 in Monmouthshire (GB) auf die Welt. Er verließ die Schule mit 14 Jahren und hatte mehrere Jobs, bevor er an zwei großen Expeditionen teilnahm: zum Amazonasbecken von 1848 bis 1852 und zum Malayischen Archipel (heute Indonesien und Philippinen) von 1854 bis 1862, wo er Tiere und Pflanzen untersuchte und sammelte.

Auf seiner letzten Expedition entwickelte Wallace unabhängig von Charles Darwin seine Theorie der natürlichen Selektion. Er schickte seinen Aufsatz 1858 an Darwin und beide präsentierten ihre Arbeit der Linnean Society of London. Wallace war nicht nur ein außergewöhnlicher Naturforscher, sondern auch Umweltschützer, Sozialreformer und ein Verfechter von Frauenrechten und der Landreform. Er starb 1913.

Hauptwerke

1869 Der Malayische Archipel

1870 Beitrag zur Theorie der natürlichen Selektion

1876 Die geografische Verteilung der Tiere

1880 Inselleben

Ozeanische Biogeografie

Die Weltmeere stellen Biogeografen vor einzigartige Herausforderungen. Die technologischen Anforderungen zur Erforschung dieser riesigen Räume sind hoch. In Tiefen von 1000 m gibt es kein Sonnenlicht und der Wasserdruck zerdrückt alles außer die besten Tauchboote. Die Dynamik des Meerwassers ist auch ein Problem: Die Grenzen zwischen warmem und kaltem Wasser – und hohem und niedrigem Salzgehalt – verschieben sich jährlich und saisonal.

Die umfassendste Begrenzung aller biogeografischen Regionen ist heute die biogeografische Klassifikation der UNESCO von 2009: Global Open Oceans and Deep Seabed (GOODS). GOODS bestimmte 30 pelagische (offener Ozean), 38 benthische (Meeresboden) und zehn hydrothermale Artengemeinschaften (Biozönosen). Sie dient dem Schutz der marinen Biodiversität, darunter geplante marine Schutzgebiete und Fischerei. Es handelt sich um laufende Arbeiten, die noch verfeinert werden müssen.