IM KONTEXT
SCHLÜSSELFIGUR
Wladimir Wernadski (1863–1945)
FRÜHER
1699 Der Naturforscher John Woodward erkennt, dass Wasser wichtige Stoffe für das Pflanzenwachstum enthält.
1875 Der Geologe Eduard Suess führt den Begriff »Biosphäre« ein, um »den Platz auf der Erdoberfläche, an dem Leben ist«, zu beschreiben.
SPÄTER
1928 Der russische Zoologe Wladimir Beklemischew warnt, dass die Zukunft der Menschen mit dem Schutz der Biosphäre verknüpft ist.
1974 Der Brite James Lovelock und der amerikanische Biologe Lynn Margulis stellen ihre Gaia-Hypothese vor, nach der die Erde sich wie ein lebender Organismus verhält.
Die Erde besteht aus zwei Arten von Materie, der lebenden und der unbelebten. Organismen oder lebende Materie existieren nicht isoliert von ihrer Umwelt. Während ihres Lebens nehmen sie Materialien aus ihrer Umwelt auf und geben Abfallprodukte ab, an ihrem Lebensende sterben sie und verfallen. Organismen bestehen aus denselben Atomen wie unbelebte Materie. Diese Verbindungen – wie Kohlenstoffoder Stickstoffatome – werden in chemischen Prozessen recycelt. Die Gesamtmenge jedes Atoms ändert sich nicht, sie werden aber auf verschiedene Weise immer neu miteinander verbunden.
Als einer der ersten Forscher untersuchte der russische Geochemiker Wladimir Wernadski die Natur des Lebens in Beziehung zur Erde. Er prägte den Begriff »Biogeochemie«, der die chemischen Kreisläufe und wie sie Lebewesen beinflussen, beschreibt. Seine Monografie Die Biosphäre von 1926 erregte Aufmerksamkeit, weil sich sein Titel auf die Gebiete der Erdoberfläche bezog, in denen Leben existiert.
Die Erde besteht aus vier Sphären oder Subsystemen: die Biosphäre, die Atmosphäre (umgebende Gashülle), die Hydrosphäre (Wasser auf der Erdoberfläche, in der Atmosphäre und im Untergrund) und die Lithosphäre (Gesteinsmantel). Wernadski behauptete, dass die Biosphäre von lebenden Organismen durch mehrere natürliche Kreisläufe geformt wird.
Kohlenstoff ist das vierthäufigste Element im Universum und bildet das chemische Rückgrat des Lebens. Er wird kontinuierlich recycelt, dabei gibt es einen schnellen und einen langsamen Kreislauf.
Zum langsamen Kohlenstoffkreislauf zählt die langfristige Speicherung von Kohlenstoff im Gestein, ein Zyklus kann dabei 100 bis 200 Mio. Jahre dauern. Kohlenstoff regnet als schwache Kohlensäure aus der Atmosphäre auf die Erde und verwittert Gestein chemisch. Flüsse bringen die so freigesetzten Carbonate in die Meere, wo sie von Meeresorganismen aufgenommen werden. Diese sinken auf den Meeresboden, wenn sie sterben. Über Millionen Jahre wird die tote Materie zusammengepresst und bildet kohlehaltiges Sedimentgestein.
Durch diesen Prozess entstehen etwa 80 Prozent des Kohlenstoffs im Gestein, etwa 20 Prozent kommen als organisches Material in Schiefer (feinkörniges Sedimentgestein) oder als Öl, Kohle oder Gas vor. Wenn diese fossilen Treibstoffe verbrannt werden, gelangt Kohlenstoff in die Atmosphäre zurück. Die Meere absorbieren Kohlendioxid und geben es wieder – etwas langsamer als Gestein – in die Atmosphäre ab.
Der schnelle Kohlenstoffkreislauf bewegt das Element durch alle lebenden Organismen. Er wird nicht in Millionen Jahren, sondern in Lebensspannen gemessen. Wenn lebende Organismen atmen, absorbieren sie Sauerstoff aus der Luft und setzen Energie, Wasser und Kohlendioxid frei. Pflanzen und Phytoplankton (marine Mikroorganismen) nutzen Kohlendioxid als Rohmaterial zur Fotosynthese, die mit Sonnenenergie Zucker herstellen (plus Sauerstoff als Abfall).
Tiere fressen Phytoplankton, Pflanzen und/oder andere Tiere. Wenn sie sterben, sind sie Nahrung für einige Tiere, Pilze und Bakterien. Gebundener Kohlenstoff geht in diese Destruenten und danach in den Boden über. Nur wenig geht durch zelluläre Atmung verloren. Wird gebundener Kohlenstoff verbrannt, wird er in Kohlendioxid umgewandelt und in die Luft abgegeben. Im Herbst und Winter verlieren auf der Nordhalbkugel viele Pflanzen ihre Blätter und die Kohlendioxidkonzentration steigt an, weil weniger Fotosynthese stattfindet. Neue Blätter im Frühling senken die Konzentration. Pflanzen und Phytoplankton wirken wie die Lungen des Planeten.
»Du wirst sterben, aber der Kohlenstoff nicht. Seine Karriere endet nicht mit dir. Er wird in den Boden zurückkehren und eine Pflanze kann ihn mit der Zeit wieder aufnehmen, um ihn erneut in einen Kreislauf des Pflanzen- und Tierlebens einzuspeisen.«
Jacob Bronowski
Britisch-polnischer Mathematiker (1908–1974)
Der Kohlenstoffkreislauf beschreibt, wie Kohlenstoffatome ständig durch komplexe Prozesse zwischen lebenden und nicht lebenden Teilen eines Ökosystems ausgetauscht werden.
Der schottische Physiker Daniel Rutherford entdeckte ihn 1772 und der französische Chemiker Jean Antoine Chaptal gab ihm 1790 den Namen Stickstoff. Er bildet 78 Prozent der Atmosphäre und ist lebensnotwendig. Er ist ein wichtiger Bestandteil aller Bausteine lebender Organismen: DNA, RNA und Proteine. Als ein inertes (nicht reaktives) Gas muss er daher für Organismen in andere Formen wie Ammoniak, Nitrate oder organischen Stickstoff (Harnstoff) umgewandelt werden.
Luftstickstoff kann in brauchbare Formen durch Blitze oder stickstoffbindende Bakterien in Böden und Wurzeln einiger Pflanzen (Leguminosen; s. rechts) gebunden werden. Stickstoff kann auch in Böden durch tiefer liegendes Gestein gelangen. Einige Pflanzen entziehen dem Boden durch ihre Wurzeln Stickstoff als anorganisches Nitrat.
Den Kreislauf setzen Tiere fort, die Pflanzen und/oder andere Tiere fressen. Wenn Pflanzen und Tiere sterben und zerfallen, wandeln Zersetzer wie Bakterien und Pilze eine bedeutende Menge Stickstoff aus dem toten organischen Material in Ammoniak um. Ammoniak wird in Nitrate in einem Prozess umgewandelt, den die französischen Chemiker Jean-Jacques Schloesing und Achille Münz 1877 entdeckten und als Nitrifikation bezeichneten.
Nitrifikation benötigt Sauerstoff, sodass sie nur in sauerstoffreichen Strömen in den Meeren oder an Bodenoberflächen abläuft. Den ersten Schritt führen zwei Gruppen Mikroorganismen aus: ammoniakoxidiernde Bakterien und Archaeen, die Ammoniak mit Sauerstoff zu Nitriten verbinden. Im zweiten Schritt folgt die Oxidation der Nitrite zu Nitraten durch nitritoxidierende Bakterien. Pflanzen nehmen Stickstoff als Nitrate aus dem Boden auf.
Die letzte Stufe des Stickstoffkreislaufs, die Denitrifikation, zeigten 1886 die französischen Chemiker Ulysse Gayon und Gabriel Dupetit auf. Sie entdeckten denitrifizierende Bakterien im Boden, die Nitrite und Nitrate in atmosphärischen Stickstoff umwandeln und in die Luft abgeben. Ein kleiner Teil des atmosphärischen Stickstoffs liegt als Stickstoffoxid, das Smog (Luftverschmutzung) bildet, und als Treibhausgas Distickstoffoxid vor. Die letzte Stufe des Stickstoffkreislaufs entfernt gebundenen Stickstoff aus Ökosystemen und setzt ihn in die Atmosphäre frei – die so erzeugte Menge Stickstoff entspricht ungefähr der Menge zu Beginn des Kreislaufs.
Nitratdünger führt zu hohen Nitratkonzentrationen in Wasserquellen, in denen dann Algen wuchern. Sie bauen den Sauerstoff im Wasser ab, sodass andere Organismen nicht überleben.
Der französische Töpfer Bernard Palissy befürwortete 1563 den Einsatz von Mist (Stickstoffquelle) zum Getreideanbau, ein Brauch seit antiken Zeiten. Doch natürlicher Dünger stand nur begrenzt zur Verfügung und bis 1913 hatten die deutschen Chemiker Fritz Haber und Carl Bosch ein Verfahren entwickelt, um im Labor aus atmosphärischem Stickstoff Ammoniak herzustellen. Sie erzeugten Ammoniumnitrat, einen der häufigsten Kunstdünger. Dieses Verfahren half wesentlich dabei, die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren, es besaß aber auch Nachteile. Durch den Kunstdünger sammelte sich Nitrat in Wasserquellen, wurde Trinkwasser kontaminiert und exzessives Algenwachstum ausgelöst, das Sauerstoff und Licht in Wassersystemen verdrängte. Der Amerikaner John H. Ryther machte 1954 als Erster auf dieses Phänomen aufmerksam. Dieser Einfluss und andere menschliche Aktivitäten auf natürliche Kreisläufe haben ernste Konsequenzen für das Leben auf der Erde.
Wladimir Wernadski
Wladimir Wernadski wurde 1863 in St. Petersburg (Russland) geboren und studierte an der örtlichen Universität unter Wassili Wassiljewitsch Dokutschajew, dem Gründungsvater der Bodenwissenschaft. Er schloss 1887 mit einem Master in Mineralogie, Geologie und Chemie ab. Danach studierte er drei Jahre in Frankreich, Italien und Deutschland Kristallografie. 1890 bis 1911 lehrte Wernadski Kristallografie und Mineralogie an der Staatsuniversität Moskau und wurde 1898 Professor.
Nach der Russischen Revolution untersuchte Wernadski Radioaktivität als Energiequelle und die Rolle von lebenden Organismen bei der Formgebung des Planeten Erde. Er gründete und leitete 1928 das biogeochemische Labor der Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Wernadski starb 1945 in Moskau im Alter von 81 Jahren.
Hauptwerke
1924 Geochemie
1926 Die Biosphäre
1943 »Die Biosphäre und die Noosphäre«
1944 »Probleme der Biochemie«
Stickstoff binden
Leguminosen wie Erbsen, Sauoder Ackerbohnen und Klee haben Wurzelknöllchen, die stickstoffbindende Bakterien enthalten.
Stickstoff muss reduziert oder gebunden werden, bevor Pflanzen oder Tiere ihn nutzen können. Blitze binden Stickstoff, aber am verbreitetsten binden ihn Mikroorganismen, insbesonders Bodenbakterien. Das war bereits 1838 bekannt, als der französische Chemiker Jean-Baptiste Boussingault die erste Agrarforschungsstation gründete und entdeckte, dass Leguminosen selbst ihren Stickstoff binden, er wusste aber nicht, wie. Der niederländische Mikrobiologe und Botaniker Martinus Beijerinck fand heraus, dass Mikroorganismen in Wurzelknöllchen – spezialisierte Organe fast aller Leguminosen – dafür verantwortlich waren. Boden- und Wurzelbakterien erzeugen Ammoniak, das Pflanzen in stickstoffhaltige organische Moleküle wie Aminosäuren und DNA umwandeln.
Die Entdeckung erklärt die Wirkungsweise des Fruchtwechsels. Werden Nichtleguminosen in einem Feld angebaut, in dem vorher Leguminosen wuchsen, fällt die Ernte höher aus.