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TEILUNG EINER FLÄCHE DURCH ZEHN HALBIERT DIE FAUNA

INSELBIOGEOGRAFIE

IM KONTEXT

SCHLÜSSELFIGUREN

Robert MacArthur (1930–1972),

Edward O. Wilson (*1929)

FRÜHER

1835 Charles Darwin bemerkt Variationen bei Riesenschildkröten und Vögeln von Insel zu Insel im Galapagosarchipel.

1880 Alfred Russel Wallace stellt fest, dass isolierte Inseln natürliche Labors für Studien zur Tieranpassung sind.

1948 Eugene Munroe, ein kanadischer Lepidopterologe, entdeckt in der Karibik, dass die Schmetterlingsvielfalt mit der Inselgröße zusammenhängt.

SPÄTER

2006 Eine Vogelstudie auf 346 ozeanischen Inseln der kanadischen Biologen Attila Kalmar und David Currie zeigt, dass Klima wie auch Inselisolation und -größe die Artenvielfalt beeinflussen.

Ein Habitat, das von einem anderen – gewöhnlich weniger vielfältigen – umgeben ist, wird Insel genannt, etwa eine Meeresinsel, ein Waldfleck umgeben von landwirtschaftlicher Monokultur oder eine Wüstenoase. Die Inselbiogeografie untersucht die Ursachen der Variation der Artenvielfalt auf solchen Inseln.

The Theory of Island Biogeography der amerikanischen Biologen Robert MacArthur und Edward O. Wilson bot 1967 ein mathematisches Modell für Faktoren, die die Komplexität der Ökosysteme auf Meeresinseln beeinflussen. Sie vermuteten, es gebe auf jeder Insel ein Gleichgewicht zwischen der Ankunftsrate (Immigration) neuer Arten und der Aussterberate vorhandener Arten.

Immigration hängt vor allem von der Entfernung zum Festland oder anderen Inseln ab, von denen neue Lebensformen kommen. Liegt die Insel nah am Festland, erreichen sie neue Arten häufiger als von sehr weit entfernt. Die Immigrationsrate wird auch von Isolationsdauer, Fläche, Habitateignung, Meeresströmungen und Klima beeinflusst. Lebensfähige Populationen entstehen eher, wenn es verschiedene Habitate oder Mikrohabitate gibt. MacArthur und Wilson erörterten, eine bewohnbare, aber dünn besiedelte Insel weise eine geringe Aussterberate auf, weil weniger Arten aussterben können. Kämen mehr Arten an, entstehe eine Konkurrenz um Ressourcen, bis Immigrationsund Aussterberate gleich sind.

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Ein Artengleichgewicht auf einer Insel herrscht, wenn die Immigrationsrate (beeinflusst dadurch, wie nah ein anderes Habitat liegt) und die Aussterberate (beeinflusst durch die Größe der Insel) gleich groß sind.

Schließlich erklärten MacArthur und Wilson den Arealeffekt: Größere Inseln mit einer größeren Habitatvielfalt weisen eine geringere Aussterberate und eine größere Artenmischung auf als kleinere Inseln. Diese Vielfalt erhalte ihren Reichtum, selbst wenn sich die Arten änderten.

Wilson und sein Student Daniel Simberloff erfassten 1969 die Arten auf sechs Mangroveninseln in den Florida Keys (USA). Sie räucherten die Vegetation aus, um alle Wirbellosen, vornehmlich Insekten, Spinnen und Schalentiere, zu vertreiben. Über ein Jahr notierten sie zurückkehrende Arten: Die dem Festland nächsten Inseln wurden schneller besiedelt und bestätigten damit die Hauptthese der Theorie.

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Die Walddrossel migriert häufig in Baumgruppen oder andere »Inseln«, wie den Central Park in New York.

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Verfeinerung des Modells

Ökologen wandten die Inseltheorie später auch auf terrestrische Inseln und isolierte Habitate an. Der amerikanische Biologe James Brown untersuchte von 1970 bis 1978 Gebirgswaldinseln im Großen Becken von Kalifornien und Utah. Er zeigte, dass fliegende Arten Inseln eher besiedeln als andere. Die kanadischen Ökologen John Wylie und David Currie stellten 1993 eine modifizierte Theorie von MacArthur und Wilson vor: die »Arten-Energie-Theorie«. Danach ist Vielfalt auch von der verfügbaren Energie wie dem Sonnenlicht abhängig. Auf dieser Theorie basiert noch heute der Schutz von Inselhabitaten und ihrer Vielfalt. image

Insel Barro Colorado

Beim Bau des Panamakanals entstand 1914 der See Gatun mit der Insel Barro Colorado, einer Fläche von 15,6 km2 mit tropischem Wald. Sie wird von der Smithsonian Institution als Naturreservat verwaltet und zählt zu den am besten untersuchten Gebieten der Erde.

Biologen haben wertvolle Daten über Wirbellose, Wirbeltiere und Pflanzen sowie über ihre Besiedlung und Aussterben gesammelt. Bis 1970 verschwanden beispielsweise 45 Vogelbrutpaare von der Insel. Ein wahrscheinlicher Faktor dafür war die Größe der Insel. Sie war viel zu klein für Spitzenprädatoren – Pumas und Jaguare.

Ohne Raubtiere nahm die Anzahl mittelgroßer Omnivoren wie Nasenbären, Brüllaffen und Opossums zu, sie fraßen mehr Vogeleier und Küken. Diese »Mesoprädatorfreisetzung« beeinträchtigte einige kleine Waldvögel, denn viele fliegen nicht über Wasser, auch keine kurzen Distanzen. So konnten sie ihre Zahl nicht durch Immigration vom Festland steigern.