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GAIA IST DER SUPERORGANISMUS, ZUSAMMENGESETZT AUS ALLEM LEBEN

DIE GAIA-HYPOTHESE

IM KONTEXT

SCHLÜSSLFIGUR

James Lovelock (geb. 1919)

FRÜHER

1789 Der schottische Geologe James Hutton prägt den Begriff »Superorganismus«.

1920er Wladimir Wernadski erklärt, wie die Zusammensetzung der Erdatmosphäre entstand und durch biologische Prozesse erhalten wurde.

1926 Der amerikanische Physiologe Walter Cannon führt den Begriff »Homöostase« ein.

SPÄTER

2016 Die Raumkapsel Trace Gas startet zum Mars, um seine Atmosphäre nach Methan und anderen Gasen zu untersuchen, die auf biologische Aktivität hinweisen.

2019 Die Weltorganisation für Meteorologie warnt, dass sich die Erde bis zum Jahrhundertende um 3–5 °C erwärmen kann, wenn die Emissionen so hoch bleiben wie derzeit.

Die Gaia-Hypothese will als ambitionierter Vorschlag zeigen, dass die Erdbiosphäre – das Gebiet auf oder nahe der Erdoberfläche, in dem alles Leben existiert – sich selbst reguliert. Sie erhält Bedingungen wie Temperatur und chemische Zusammensetzung, damit Leben existiert.

Dieses Konzept war der geniale Einfall des britischen Forschers James Lovelock in den 1970er-Jahren. Er überlegte, warum, im Gegensatz zu einem toten Planeten, die Erdatmosphäre Sauerstoff und geringe Mengen Methan enthält, die durch biologische Prozesse entstehen. Nicht nur die Zusammensetzung der Erdatmosphäre wurde durch lebende Organismen erzeugt, sie hielten sie auch durch eine Feedbackschleife aufrecht. Nimmt etwa im Kohlenstoffkreislauf die Biomasse der Pflanzen zu, sinkt der Anteil an Kohlendioxid in der Luft und der Anteil an Sauerstoff steigt. Mehr Pflanzen bedeutet mehr Futter für Tiere und deren Biomasse steigt. Sie nehmen mehr Sauerstoff auf und geben mehr Kohlendioxid ab, langfristig bleibt daher der Anteil beider Gase stabil.

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Ozeane, Landmassen und die Atmosphäre der Erde funktionieren nach der Gaia-Hypothese zusammen als lebender Organismus. Diese Ansicht der Erde nahm die Raumsonde Galileo auf.

Lovelock vermutete, dass dieser Prozess den Feedbackschleifen der Homöostase ähnelt, bei der ein Körper Temperatur, Wassergehalt und chemische Zusammensetzung optimal hält. Mit dem amerikanischen Biologen Lynn Margulis beschrieb er mehrere andere Feedbackmechanismen, bei denen Lebendiges mit Gesteinen, Mineralien und Meerwasser wechselwirkt, ebenso wie mit der Luft, um die Biosphäre im Gleichgewicht zu halten. Sie bezeichneten den Planeten als einen Superorganismus – eine Sammlung interagierender Lebensformen, die sich alle zusammen wie ein individueller Organismus verhalten. Sie benannten ihre Hypothese nach der altgriechischen Göttin Gaia und veröffentlichten sie 1974.

Gleichgewicht auf Daisyworld

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Daisyworld und darüber hinaus

Lovelock vereinfachte seine Hypothese mit dem virtuellen Planeten Daisyworld, der eine grundlegende Feedbackschleife hat. Der Planet beherbergt zwei Gänseblümchenarten. Schwarze wachsen unter kühlen Bedingungen und ihre dunklen Blütenblätter absorbieren Sonnenwärme. Weiße reflektieren die Wärme und gedeihen an warmen Orten. Schwarze fangen Wärme ein und erwärmen den Planeten, während weiße Gänseblümchen ihn abkühlen. Schwarze verteilen sich über die Pole Daisyworlds, während die weißen einen Gürtel um die wärmere Äquatorialregion bilden. Steigt die Anzah weißer Gänseblümchen, kühlt Daisyworld ab, sodass sich die schwarzen ausbreiten können. Diese wiederum erwärmen Daisyworld und die weißen nehmen wieder zu. Dieser Zyklus wiedeholt sich, bis schließlich ein Gleichgewicht erreicht ist, in dem die Temperatur nur geringfügig schwankt.

Viele fühlten sich von der Gaia-Hypothese angesprochen, aber Forscher bemängelten, ihr fehlten Exaktheit und Beweise. Obwohl Lovelocks Theorie sich nie in der Wissenschaft etablierte, ist ihre Sichtweise des Planeten als Ganzes Teil der Forschung zum Klimawandel. Das Verbrennen fossiler Treibstoffe und die Freisetzung gewaltiger Mengen Kohlendioxid in die Atmosphäre ist ein jüngstes Beispiel, wie Leben den Planeten beeinflusst. image

James Lovelock (*1919)

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Geboren 1919 in Großbritannien, arbeitete Lovelock nach seinem Chemiediplom ab 1941 am National Institute for Medical Research (NIMR) in London. Zwei Jahrzehnte später arbeitete er mit einem Forschungsteam bei der NASA, um Instrumente für Raumsonden zu entwickeln, einschließlich einem zur Detektion von Leben auf dem Mars. Ende der 1960er- und Anfang der 1970er-Jahre entwickelte Lovelock die Gaia-Hypothese.

1974 veröffentlicht, machte sie Lovelock berühmt. In den folgenden 20 Jahren verfeinerte er sie. Im 21. Jahrhundert wandte er sich der Klimaforschung zu und wurde zum unfreiwilligen Anwalt der Atomkraft zur Reduktion von Kohlenstoffemissionen, was einige Gaia-Anhänger gegen ihn aufbrachte.

Hauptwerke

1974 Atmosphärische Homöostase durch und für die Biosphäre: die Gaia-Hypothese, mit Co-Autor L. Margulis

1984 Das Ergrünen des Mars

2019 Novacene: Das kommende Zeitalter der Hyperintelligenz