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7th Avenue 1133, Ecke 54th Street West, das war die Anschrift des Privatdetektivs Bount Reiniger.

1133 war ein Wolkenkratzer im Herzen von Manhattan. Und Bounts Büro-Apartment befand sich im 14. Stock.

Diese Nacht stand alles andere als unter einem günstigen Stern. Bount hatte bis Mitternacht in der Bowery zu tun gehabt. Danach hatte er einen Zuhälter beim zuständigen Polizeirevier abgeliefert und die dreizehnjährige Nutte, die von diesem Dreckskerl ausgenutzt worden war, in einen Zug gesetzt, der sie zu ihren Eltern zurückbrachte.

Wie heißt es doch gleich bei den Pfadfindern? Jeden Tag eine gute Tat. Für diesen Tag hatte Bount also seine gute Tat hinter sich. Als er nach Hause kam, vermied er es, auf die Uhr zu sehen. Er wollte sich nicht unnötig aufregen. Geschlaucht schleppte er sich ins Bad. Die warme Dusche tat ihm gut. Jetzt noch einen Schlummertrunk, und er würde mit der ach so grausamen Welt wieder ausgesöhnt sein.

Aber erstens kommt es anders - und zweitens als man denkt.

Bount seufzte schwer.

Da saßen sie nun in seinem Büro: Wilkie Lenning, Benny Palmer und last but not least Scarlett Drummond. Und sie stahlen ihm ohne Scheu auch noch den Rest der Nacht.

Palmers Gesicht sah seltsam aus. Da, wo ihn der Axtstiel getroffen hatte, war es schrecklich aufgequollen. Wilkie hatte dem Mann das Blut flüchtig abgewaschen.

Palmer rutschte verlegen auf dem Stuhl hin und her. „Ehrlich gesagt, Mr. Reiniger, ich bin nicht besonders glücklich darüber, dass Wilkie mich hier hergeschleppt hat. Ich meine, ich muss es ihm zwar hoch anrechnen, dass er mich nicht einfach auf dem Gehsteig liegenließ, aber ...“

Bount trug seinen Schlafrock. Darunter kaum noch was. Er rauchte eine Chesterfield und breitete nun die Arme aus, was Palmer veranlasst hatte, zu verstummen.

Bount sagte gleichmütig: „Ich bin der Letzte, der sich Ihnen aufdrängen möchte. Wenn Sie meinen, ohne meine Hilfe auskommen zu können, ist das okay.“

Palmer schüttelte aufgeregt den Kopf. „So war das nicht gemeint, Mr. Reiniger. Sie sind ein tüchtiger Mann. Ich wollte Sie in keiner Weise beleidigen. Derjenige, der sich in Ihrer Obhut befindet, kann sich bestimmt glücklich preisen ...“

„Was wollen Sie also?“, fragte Bount, um die Sache abzukürzen. Immerhin zeigte die Uhr bereits auf halb drei, und Bounts Bett war immer noch unberührt.

Scarlett spielte geistesabwesend mit dem Griff ihrer Handtasche. Lenning hatte die Hände in die Taschen geschoben und schaute Benny Palmer gespannt an.

Der Barbesitzer wand sich wie ein getretener Wurm. Er hatte Angst. Was ihm die beiden Kerle angetan hatten, hatte seinen Widerstand gebrochen. Er wagte sich nicht mehr, gegen sie aufzulehnen. Er fürchtete sich schrecklich vor dem Tag, an dem sie wiederkommen würden, und er wusste heute schon, dass er sich dann bereiterklären würde, das verlangte Geld wöchentlich an sie abzuliefern. Es ging nicht anders. Es hatte keinen Sinn, hart zu bleiben. Diese verfluchten Gangster hatten so viele Gemeinheiten auf Lager, dass ihnen kein Mensch gewachsen war.

„Ich ...“, seufzte Benny Palmer schweren Herzens. „Ich ...“ Er sank in sich zusammen. „Mein Gott, Mr. Reiniger, ich weiß nicht, was ich will. Natürlich würde ich es begrüßen, wenn Sie mir helfen würden. Andererseits aber ... Wenn diese Kerle das herausbekommen, bin ich geliefert. Die bringen mich um. Das könnten nicht einmal Sie verhindern.“

Bount nickte. „Ich kann Sie verstehen. Lassen wir’s also. Bezahlen Sie, was diese Kerle verlangen, und wenn die Burschen ihre Forderungen allmählich in die Höhe schrauben, bis Ihnen das Wasser bis ans Kinn reicht, bezahlen Sie immer noch brav weiter. Schließlich müssen Leute wie diese ja auch von etwas leben. Warum also nicht von Ihrem Geld?“

Palmer legte verzweifelt die Hände aufs Gesicht. „Herrgott noch mal“, schrie er gequält heraus. „Warum bin ich nicht Kellner geblieben!“

Wilkie Lenning legte dem Mann sachte die Hand auf die Schulter. „Komm, Benny. Scarlett und ich bringen dich jetzt nach Hause. Überschlafe die Sache erst mal. Du kannst Reiniger morgen immer noch anrufen und ihm sagen, ob du wirklich nicht willst, dass er dir hilft. Du bist heute ziemlich durcheinander. Das ist verständlich. Morgen wirst du einen klareren Kopf haben.“

Palmer schüttelte mit einem kurzen Schulterzucken Lennings Hand ab. „Nein, Wilkie. Ich werde mich heute noch entscheiden! Jetzt! In diesem Augenblick.“ Der Barbesitzer blickte Bount entschlossen an. „Ganz gleich, was passiert, Mr. Reiniger. Ich möchte Ihre Hilfe in Anspruch nehmen! Jawohl, das ist es, was ich will!“

Bount nickte. Er legte die Chesterfield weg und stützte die Ellenbogen auf seinen Schreibtisch. „Wie oft waren die Kerle bei Ihnen, Mr. Palmer?“ „Dreimal.“

„Können Sie sie beschreiben?“ Benny Palmer versuchte es, aber es kam nicht viel dabei heraus. Entschuldigend sagte er: „Ich kann mir Gesichter sehr schlecht merken.

Aber einer der beiden heißt Larry.“ „Für wen arbeiten diese Männer?“, erkundigte sich Bount.

„Keine Ahnung. Das sagten sie nicht.“

„Du müsstest die Bar sehen, Bount“, sagte Wilkie Lenning und wiegte den Kopf. „So was von Gründlichkeit ist mir noch nicht untergekommen. Geradezu erschreckend.“

Scarlett nickte dazu kaum merklich.

„Wie lange werden Sie brauchen, bis Sie die ,Weiße Orchidee‘ wieder aufmachen können?“ fragte Bount den Barbesitzer.

„Ich werde die meisten Reparaturarbeiten selbst durchführen. Ich denke, dass ich es in einer Woche schaffen kann.“

„Sind Sie der Einzige, der von diesen Gangstern heimgesucht wurde, Mr. Palmer?“

„Das weiß ich nicht. Meine Freizeit ist ziemlich knapp bemessen. Ich habe kaum Kontakt zu den Besitzern der Konkurrenzunternehmen.“

Bount sagte lächelnd: „Wenn Sie Ihre Bar wieder öffnen, werden Sie mich zu Ihren hartnäckigsten Stammkunden zählen können.“

Benny Palmer erwiderte mit leuchtenden Augen: „Darauf freue ich mich heute schon. Ganz ehrlich.“