Nebenan im Arbeitszimmer klingelte das Haustelefon. La Casa ging, um abzuheben. „Ja?“, blaffte er in die Sprechrillen.
„Alfie McCure ist da, Boss!“, sagte ein Mann.
„Soll kommen“, entschied der Gangboss. Er setzte sich an seinen Schreibtisch und führte zwei kurze Telefonate. Sein Pfannkuchengesicht verdüsterte sich. Er betrachtete sich in einem kleinen Taschenspiegel. Das dichte jettschwarze Haar hing ihm in die Stirn. Er kämmte sich mit den Fingern und betrachtete dann den kleinen Talgpickel, an dem er jeden Morgen herumdrückte, und der dadurch immer größer wurde und jetzt schon rot leuchtete.
Als McCure an die Tür klopfte, rief La Casa: „Immer herein, Mr. McCure.“ Das klang aufgekratzt und freundlich. Der Taschenspiegel verschwand blitzschnell.
McCure trat ein. La Casa sah sofort, dass der Junge mächtig nervös war. Der Gangboss hatte Erkundigungen über McCure eingeholt. Jetzt wusste er, dass Alfie mal Stuntman gewesen war, und man hatte ihm auch von McCures Missgeschick erzählt. Automatisch warf der Gangboss einen Blick auf McCures rechten Schuh. Tatsächlich, die Sohle war wesentlich dicker als die des linken Schuhs.
La Casa lächelte dem blonden Mann freundlich entgegen, erhob sich jedoch nicht, als er ihm die Hand hinhielt. McCure sollte von vornherein klarsehen, dass La Casa auf eine gewisse Rangordnung achtete. Ihr erster Kontakt war kein persönlicher gewesen. Ein Mittelsmann hatte La Casa die Neuigkeit überbracht, dass Alfie McCure mit ihm ein gutes Geschäft machen wollte. Jetzt, wo sie sich zum ersten Mal von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden, brauchten sie eine Minute, um sich zu beschnüffeln.
Kein Gegner für dich!, sagte sich La Casa.
Nimm dich vor dem in Acht, der ist verflucht gefährlich, sagte sich McCure.
„Nehmen Sie Platz“, bat La Casa und McCure setzte sich. „Haben Sie die Platten bei sich?“
„Nur eine“, erwiderte McCure mit einem listigen Glitzern in den Augen. „Wo ist die andere?“
„Gut aufgehoben.“
La Casa lachte abgehackt. „Trauen Sie mir nicht?“
McCure hob die Achseln. „Ich kenne Sie zu wenig.“
La Casa nickte. „Ist schon in Ordnung. Ich kann es Ihnen nicht verübeln, dass Sie vorsichtig sind. Darf ich die eine Platte mal sehen?“ McCure legte die in ein Samttuch eingeschlagene Druckplatte vor La Casa auf den Tisch. Der Gangboss leckte sich erregt die Lippen. Mit starrem Blick schlug er das Tuch auseinander. Obwohl es taghell im Arbeitszimmer war, knipste er die Schreibtischlampe an.
„Und die Rückseite der Banknote ...“, sagte La Casa.
„... ist ebenso erstklassig.“
Kevin La Casa nickte bedächtig. „Scheint tatsächlich eine hervorragende Arbeit zu sein - soweit ich das als Laie feststellen kann. Sie werden verstehen, dass ich die Platte von einem Experten prüfen lassen muss.“ „Natürlich“, nickte McCure.
„Der Mann heißt Robbins. Frederick Robbins. Eine Kapazität, was Geld anbelangt. Er kennt die gängigsten Währungen von der ganzen Welt. Wenn er die Platte für ausgezeichnet befindet, können wir ins Geschäft kommen.“
Alfie McCure grinste zuversichtlich. „Ich bin sicher, er wird nichts daran auszusetzen haben.“
„Das hoffe ich“, nickte La Casa.
„Wo ist der Mann?“
„Er müsste eigentlich schon hier sein“, erwiderte La Casa. Da hämmerte jemand an die Tür. „Das ist er schon“, sagte der Gangboss, und er hatte damit recht.
Frederick Robbins war ein eingetrocknetes Männchen mit krummem Rücken, blassen Zügen, einem Kneifer auf der gebogenen Nase und kurzen Armen. La Casa machte die Männer miteinander bekannt und übergab dem Spezialisten sodann die Druckplatte. McCures Nerven waren angespannt wie Klaviersaiten. Seine Hände wurden feucht. Vom Urteil dieses Mannes hing es ab, ob er mit La Casa das Geschäft seines Lebens machen konnte oder nicht. Jeremy Jagg hatte sich mit der Anfertigung der Druckplatten die größte Mühe gegeben. Dieser Frederick Robbins konnte einfach keinen Fehler finden. Das war überhaupt nicht möglich.
McCure wischte sich die Handflächen an der Hose trocken. Zehn Minuten prüfte Robbins nun schon. La Casa konzentrierte sich ganz auf das Gesicht des Spezialisten. Robbins legte die Platte auf den Schreibtisch. McCure schluckte trocken. Wieso sagte der Kerl nichts? War vielleicht doch etwas nicht in Ordnung? Etwas, das nur ein Fachmann entdecken konnte?
Alfie McCure spürte, wie ihm der Schweiß auf die Stirn trat. Er dachte an die zweite Platte, auf die inzwischen Sherry gut aufpasste. Hätte er mit dieser hierherkommen sollen, um La Casas Experten zu gewinnen?
Der Gangboss lehnte sich zurück. „Nun, Fred. Was ist mit dieser Platte?“
„Sie ist ein Meisterwerk“, sagte Robbins mit seiner dünnen Stimme. Alfie McCure hätte ihn vor Freude abküssen mögen. „Der Mann, der diese Platte angefertigt hat, ist ein wahrer Meister seines Fachs.“ Jeremy Jagg! Du sollst leben!, jubelte Alfie McCure im Geist. Ich wusste, dass du der Beste bist! Der Einzige, der dazu imstande ist!
Die Spannung zerbröckelte wie eingetrockneter Schaum. McCure atmete befreit auf. La Casa entließ den Experten mit einem knappen Kopfnicken.
McCures Augen sprühten vor Übermut. „Habe ich zu viel gesagt?“ „Nein. Das haben Sie nicht.“ „Machen wir das Geschäft?“, fragte Alfie McCure kribbelig.
La Casa nickte. „Wir machen es.“ „Sie möchten die Druckplatten also haben.“
„Das will ich“, bestätigte La Casa mit fester Stimme.
McCure rutschte erregt auf dem Stuhl hin und her. „Na schön. Ich akzeptiere Sie als Geschäftspartner, La Casa. Nennen Sie mir einen vernünftigen Preis, und die Platten gehören Ihnen. Wie viel sind Sie bereit, dafür zu bezahlen?“
La Casa lächelte eiskalt. „Ich sagte vorhin, ich möchte die Druckplatten haben, McCure. Ich habe nicht gesagt, dass ich dafür etwas bezahlen will.“
McCure lachte heiser. „Sie machen Scherze. Natürlich machen Sie Witze. Sie nehmen doch nicht im Ernst an ...“
„Doch, McCure. Das nehme ich allen Ernstes an!“, fiel La Casa dem ehemaligen Stuntman scharf ins Wort. „Ich will diese Platten haben. Und zwar umsonst!“
McCure hatte nicht gesehen, dass La Casa auf einen unter der Schreibtischplatte befindlichen Knopf gedrückt hatte. Jetzt platzte die Arbeitszimmertür auf.
Pete Shulman und Larry Derringer stampften herein. McCures Augen wurden so groß wie Moorhuhneier. In diesem Augenblick begriff er, dass es verrückt war, mit Kevin La Casa ein faires Geschäft machen zu wollen.