Shulman und Derringer hatten McCure gepackt und hochgerissen. Wie zwei Schraubstockbacken hatten sie ihn zwischen sich eingeklemmt. Alfie McCure bekam nicht mal genug Luft zum Atmen. Angst kroch in seine Glieder. Er hatte immer gedacht, dieses Gefühl würde es für ihn nicht geben. Als Stuntman hatte er die waghalsigsten Dinge getan, ohne Angst zu haben. Aber hatte er sich schon einmal so hilflos gefühlt wie heute? Das war es, was ihn ängstigte. Diese Hilflosigkeit. Dieses Ausgeliefertsein. Kevin La Casa hatte sein Leben jetzt in der Hand. Der Gangboss konnte damit machen, was er wollte. Alfie McCure begann zu zittern.
Langsam erhob sich La Casa. Er starrte McCure eiskalt in die Augen. Mit den Fäusten stützte er sich auf den Schreibtisch. Einen Moment war nur das Atmen der im Raum befindlichen Männer zu hören. „La Casa, Sie sind nicht bei Trost!“, zischte Alfie McCure. Nur keine Furcht zeigen, dachte er. Sonst bist du dran. Wenn es dir gelingt, ihn zu bluffen, dir den Anschein zu geben, du hättest keine Angst vor ihm, hast du vielleicht noch eine Chance.
„Wir wollen doch das Spiel mit den verteilten Rollen sein lassen“, sagte Kevin La Casa scharf. „Sie wissen, was ich jetzt von Ihnen hören will, Alfie!“
McCure fauchte: „Sagen Sie Ihren Männern, sie sollen mich auf der Stelle loslassen!“
„Wir bringen dich zum Reden, Freundchen, verlass dich drauf!“, knurrte Larry Derringer und verzerrte sein hässliches Gesicht zu einem erschreckenden Grinsen.
„Wo ist die zweite Druckplatte, Alfie?“, fragte La Casa mit dröhnender Stimme.
„An einem sicheren Ort!“, schrie McCure zornig. „Da können Sie nicht ran, La Casa.“
„Ich rate Ihnen in Ihrem eigenen Interesse dringend, mir keine Schwierigkeiten zu machen, McCure!“
„Denken Sie, ich bin verrückt? Ich habe die Platten anfertigen lassen. Ich habe diese Idee gehabt. Ich will damit Geld verdienen. Viel Geld. Mit einer Platte können Sie nichts anfangen, das wissen Sie. Wenn Sie mir ein Angebot machen, das sich hören lassen kann, will ich Ihnen die zweite Platte bringen. Andernfalls ...“
La Casa schmetterte seine Fast auf den Tisch. „Was denken Sie, wie rosig Ihre Lage ist, Alfie? Ihr Leben ist keinen löchrigen Cent mehr wert, wenn ich mit dem Finger schnippe. Und Sie haben die Frechheit, mir etwas verkaufen zu wollen?“
„Anders kriegen Sie die Platte nicht!“
„Das wollen wir doch gleich mal sehen!“ La Casa nickte seinen beiden Männer zu. „Okay, Jungs. Lasst ihn mal an euren Fäusten schnuppern.“ Die Schraubstockbacken öffneten sich. Alfie McCure sprang Pete Shulman mit einem gereizten Wutschrei an. Er drosch dem Gangster seine Faust an die Schläfe, Shulman wurde zur Seite geworfen. Der Weg zur Tür schien frei zu sein. McCure rannte sofort los. Aber Larry Derringer erwischte ihn am Kragen. Er riss ihn herum und schlug zu. McCures Lippen platzten auf. Blut rann ihm übers Kinn. Er heulte auf, krümmte sich zusammen. Im nächsten Moment fielen die beiden Gangster über ihn her und schlugen ihn erbarmungslos zusammen.
La Casa kam um seinen Schreibtisch herum. Alfie McCure lag jetzt röchelnd auf dem Boden. „Dreht ihn um!“, befahl La Casa.
Derringer bückte sich, fasste nach McCures Schulter, rollte den gurgelnden, stöhnenden Mann herum. La Casa stand über McCure. Sein Gesicht war spöttisch verzerrt. Er genoss den Augenblick des absoluten Triumphs.
„Nun, Alfie. Höre ich jetzt, wo die zweite Platte versteckt ist?“
McCures Brustkorb hob und senkte sich schnell. Er war den Tränen nahe. Wenn er sagte, wo La Casa die zweite Platte finden konnte, war er die Chance ein für allemal los, mit einem Handstreich viel Geld zu machen.
„Ich sag’s nicht!“, brüllte McCure verzweifelt. „Ich sag’s nicht, und wenn ihr mich totschlagt! Dann haben wir eben beide nichts davon!“
La Casa lachte frostig. „Wer wird denn in deinem Alter schon ans Sterben denken, Alfie.“
„Ich sag’s nicht!“
„Zwischen Leben und Tod kann der Schmerz noch schreckliche Orgien feiern, mein Lieber!“, sagte La Casa mit erhobener Stimme.
„Auch damit kriegt ihr mich nicht zum Sprechen. Aus mir kriegt ihr nichts raus! Nicht so!“
La Casa trat seufzend zurück. Er schaute seine Männer an und sagte: „Na schön. Macht also weiter.“
Sie brachen seinen Widerstand mit System. Sie hatten schnell raus, welche Schmerzen McCure kaum ertragen konnte, und genau die bereiteten sie ihm mit satanischer Freude. Alfie McCure brüllte sich die Seele aus dem Leib. Mehrmals versagte seine Stimme, so laut schrie er seine Schmerzen heraus. Sie hörten nicht auf, bis ihnen Kevin La Casa erneut mit einem Handzeichen Einhalt gebot.
Alfie McCure sah schlimm aus - aber er war noch immer bei Bewusstsein.
„Die zweite Platte!“, schrie Kevin La Casa ungeduldig. „Junge, es sieht nicht gut aus für dich. Treib’s nicht auf die Spitze. Noch mal so eine Tracht Prügel würdest du garantiert nicht überleben! Rede, Alfie! Verdammt noch mal, mach uns beiden das Leben nicht so schwer. Sag mir, was ich wissen will, und ich schicke meine Männer nach einem Arzt, der dich wieder auf die Beine bringt. Sieh ein, dass die Sache für dich ohnedies um ein paar Nummern zu groß gewesen wäre. Wo ist die zweite Platte, Alfie? Wo? Sag es mir!“ McCure bewegte die dicken, aufgeplatzten Lippen. La Casa ging neben ihm in die Hocke, weil er nicht verstehen konnte, was der Mann sagte.
„Wie war das? Sag’s noch mal, Alfie.“
„Kingsbridge“, gurgelte McCure. „Da finden wir die zweite Platte?“ „Ja.“
„Wo?“
„234. Straße West.“
„Nummer?“, fragte La Casa aufgeregt.
„7023“, röchelte McCure. „Sherry ... Wyndotte ... Meine Freundin ... Sie hat ... die verdammte Platte ... Sie soll sie euch ... geben!“ La Casa richtete sich mit strahlenden Blick auf. Er grinste Shulman und Derringer an. „Kingsbridge. 234. Straße West 7023!“, sagte er hastig. „Gebt dem da den Rest. Und dann schafft mir die zweite Druckplatte so schnell wie möglich herbei!“ Namenlose Bestürzung verzerrte Alfie McCures entstelltes Gesicht.
„Lasst mich leben!“, schrie er verzweifelt. „Ich will leben. Nur deshalb habe ich euch alles gesagt! Lasst mich doch leben!“
La Casa hob gleichgültig die Schultern. „Geht leider nicht, mein Junge. Ich kann Typen, die später mal möglicherweise querschießen könnten, nicht am Leben lassen. Das Risiko ist zu groß.“
Shulman und Derringer zerrten McCure hoch.
„Du Schwein!“, brüllte McCure mit allem, was er noch zu bieten hatte. „Du gottverdammtes, falsches, verlogenes Schwein!“
La Casa machte mit verdrossener Miene eine herrische Handbewegung. „Schafft den Schreihals endlich raus. Ich kann sein Geplärre schon nicht mehr hören!“
Sie führten seinen Befehl aus. McCure starb eine halbe Stunde später unter Derringers Kugeln auf dem Hof einer verlassenen Gummifabrik.