Captain Toby P. Rogers, der gewichtige Leiter der Mordkommission Manhattan C/II verzog das Gesicht.
„Was hast du?“, fragte ihn sein langjähriger Freund, der Privatdetektiv Bount Reiniger.
„Rheumaschmerzen“, sagte Toby.
Bount lachte. „In deinem Alter?“
„Rheuma können schon Babys haben, weißt du das nicht?“
„Dann darf die Krankheit auch Elefantenbabys wie dich plagen.“
„Sehr witzig“, knurrte der Captain. „Warte, wenn dir mal was wehtut, dann werde ich mich auch darüber lustig machen.“
Sie saßen einander in Bount Reinigers elegant eingerichtetem Allerheiligsten gegenüber. Der Captain war vor zehn Minuten gekommen, hatte den Grund seines Kommens jedoch noch nicht verraten.
Es klopfte.
„Ja!“, rief Bount.
Seine reizende blonde Assistentin June March öffnete die Tür und trug auf einem kleinen Teakholztablett zwei Tassen köstlich duftenden Kaffees herein.
„Schwarz wie die Nacht“, sagte sie.
„Und heiß wie die Sünde“, sagte Bount Reiniger lächelnd.
„Und nicht süß wie die Liebe?“, fragte Toby Rogers.
„Zucker kommt gleich“, sagte June. „Bount trinkt den Kaffee immer ungesüßt.“
„Well, süß bin ich selber“, sagte Bount Reiniger grinsend.
„Wer sagt das?“, wollte der Captain wissen.
„June.“
Toby blickte Bounts Sekretärin an. „Ist das wahr?“
Das blonde Mädchen zuckte mit den Schultern. „Er ist der Chef. Wie könnte ich ihm da widersprechen.“
„Heißt das, er unterdrückt dich? Besteht zwischen euch eine Klassenkluft? Wenn das der Fall ist, würde ich ihm an deiner Stelle kündigen und zur Polizei gehen. Ich könnte dich gut unterbringen.“
Bount winkte ab. „Glaub ihm nicht, dem alten Gauner. Er kann dir höchstens einen Posten als Klofrau verschaffen.“
June March verließ lachend den Raum. Sie kehrte an ihre elektrische Schreibmaschine zurück, und Augenblicke später hörten die Freunde sie flink hämmern.
„Wenn du mir June abspenstig machst, grabe ich das Kriegsbeil aus“, sagte Bount.
Der Captain blickte auf seine Kaffeetasse. „Sie hat doch tatsächlich meinen Zucker vergessen.“
„Da siehst du mal wieder, wie wenig Eindruck du auf sie machst. Trink den Kaffee ungezuckert! Dabei kommt das Aroma viel besser zur Geltung.“
Nach dem Kaffee ließ sich Toby eine von Bounts Pall Mall anbieten. Bount Reiniger brannte sich auch ein Stäbchen an. Er lehnte sich zurück, musterte den Captain eine Weile und sagte schließlich: „So gern ich dich auch um mich habe, würde ich nun auch gern wissen, warum du mich von meiner Arbeit abhältst.“
„Du hast doch gar nichts zu tun.“
„Das glaubst du, aber wie denkt ein Gesunder darüber? Was hast du auf dem Herzen, Toby?“
„Ich? Nichts.“
„Und weshalb bist du hier?“
„Ich dachte, wir wären Freunde.“
„Das sind wir.“
„Fragt man einen Freund, warum er einen besucht? Sollte man sich nicht einfach darüber freuen, dass er da ist?“
„Okay. Ich freue mich. Aber ich weiß auch, dass du ein Schlitzohr bist, und wenn du bei mir mit solch einer Unschuldsmiene erscheinst, willst du etwas von mir.“
„Ich nicht“, erwiderte der Captain. „Wer sonst?“
Toby rutschte auf dem Besucherstuhl hin und her. „Na schön. Attorney Brown hat Sehnsucht nach dir.“
„Ist nicht wahr!“, sagte Bount erstaunt. Er und Brown waren nicht gerade Busenfreunde. Sie achteten einander zwar, weil jeder auf seinem Gebiet ein Ass war, aber Brown hatte im Allgemeinen etwas gegen Privatdetektive und im Besonderen gegen Bount Reiniger, mit dessen Arbeitsmethoden er nicht immer einverstanden war, obwohl sie meistens schneller zum Erfolg führten als die Methoden der Polizei. „Was will Brown von mir?“, fragte Bount.
„Er will mit dir reden.“
„Warum ruft er mich nicht an?“
„Das Telefon ist ihm zu unpersönlich.“
„Auf einmal? Normalerweise kann er mir gegenüber doch gar nicht unpersönlich genug sein.“
„Wie du siehst, kann er auch anders.“
„Das muss einen besonderen Grund haben“, kombinierte Bount Reiniger.
„Hat es auch. Es wurde auf ihn geschossen.“
„Ein Mordanschlag?“
„Dachtest du, er hätte den Sohn von Wilhelm Tell gespielt?“
„Könnte er gar nicht, weil er dafür schon viel zu alt ist“, sagte Bount. „Was ist passiert, Toby?“
Der Captain berichtete es ihm. Bount wiegte beeindruckt den Kopf. „Hätte verdammt schiefgehen können. Aber ich verstehe immer noch nicht, weshalb er dich zu mir schickt. Möchte er - der Mann, der Privatdetektive nicht ausstehen kann - mich engagieren? Hat er kein Vertrauen mehr zur Polizei?“
„Er wird dir alles selbst erzählen, wenn du dich bequemst, mich ins Police Headquarters zu begleiten.“
„Wenn Brown mit mir reden will, bin ich geradezu verpflichtet, seinem Ruf zu folgen“, sagte Bount. Er nahm noch einen Zug von der Pall Mall und drückte sie dann im gläsernen Aschenbecher aus.
„Können wir gehen?“, fragte Toby.
„Wir können“, sagte Bount Reiniger und erhob sich.