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Das leicht gelockte Haar hing ihr bis zu den nackten Brüsten hinunter. Sie riss die Heckler & Koch-MPi herum. Die Waffe knatterte los.

Mündungsfeuer zuckte hervor.

Mindestens ein halbes Dutzend Kugeln trafen Kamarov, noch ehe irgendjemand im Foyer des Johnson Plaza auch nur atmen konnte.

Kamarovs Körper zuckte wie eine Marionette.

Die Projektile zerrissen den Smoking und das Hemd. Sie trafen auf die Kevlar-Weste, die Big Joe stets trug. Aber ein Schuss fuhr ihm in die Schläfe, ein weiterer zerfetzte die Halsschlagader. Kamarov fiel schwer zu Boden.

Auch eines der beiden halbnackten Girls bekam eine Kugel ab, das andere sprang kreischend zur Seite.

Schreie gellten durch das Foyer.

Panik breitete sich aus.

Kamarovs Leibwächter versuchten ihre Waffen herauszureißen.

Aber das schafften sie nicht mehr. Das Killer-Girl schwenkte den Lauf seiner MPi herum.

Ihre blütenweißen Smoking-Hemden färbten sich rot. Einer von ihnen stieß einen heiseren Todesschrei aus.

Basil Jordan erwischte es an der Schulter. Die Wucht des Treffers ließ ihn zu Boden gehen.

Unser Kollege Jellico hatte bereits von der ersten Salve, die das Killer-Girl abgefeuert hatte, einen Treffer im Rücken erhalten. Er versuchte noch, seine Waffe zu ziehen und brach dabei zusammen. Sein Partner Carrington warf sich zur Seite, rollte sich am Boden herum und riss dann seine Waffe empor. Er konnte nicht schießen.

Es standen zu viele Menschen um das Killer-Girl herum.

Und im Gegensatz zu unseren Gegnern müssen wir G-men darauf Rücksicht nehmen und können nicht blindlings Unschuldige gefährden.

Ich hatte mich längst gebückt und die SIG aus dem Futteral gezogen, das ich mir an die Wade geschnallt hatte. Der verhältnismäßig weite Schlag der Smokinghose machte es möglich, die Waffe trotzdem relativ schnell in Anschlag zu bringen.

Das Girl wirbelte herum.

Es feuerte wild in die Gegend.

Die meisten Gäste stoben kreischend davon oder warfen sich zu Boden. Manche versuchten, hinter den wenigen Tischen und Sesseln Deckung zu finden. Es herrschte ein einziges Chaos.

Das Girl rannte davon und feuerte dabei noch immer ungezielt und wahllos in die Menge. Sie war völlig ohne Skrupel.

Ich fluchte innerlich, weil ich die SIG nicht benutzen konnte.

Geduckt spurtete ich hinter der Mörderin her.

Einer unserer Agenten, der an einem der Ausgänge postiert gewesen war, versuchte sie mit vorgehaltener Waffe zu stoppen.

"Stehenbleiben, FBI!", rief er gegen das allgemeine Geschrei an.

Sekundenbruchteile später traf ihn eine volle MPi-Salve.

Die Wucht der Geschosse riss ihn nach hinten und ließ ihn der Länge nach auf den Boden knallen. Der Teppichboden färbte sich rot.

Das Girl hetzte auf den Ausgang zu.

Ich hinterher. Hinter mir befand sich Agent Carrington, der sich inzwischen wieder aufgerappelt hatte. Allerdings war ihm jemand von den Gästen in den Weg gerannt, was ihn wertvolle Sekunden gekostet hatte.

Ich steckte mir den Knopf ins Ohr und brüllte in das Mikrophon an meinem Hemdkragen.

"Hier Trevellian! Die Täterin will vermutlich in die Tiefgarage!"

"Da haben wir unsere Leute", kam Fred LaRoccas Stimme aus dem Knopf heraus. "Sie hat keine Chance herauszukommen."

"Freut mich zu hören!"

Ich hetzte weiter.

Es ging einen langen Flur entlang.

Die Killerin hatte bereits die nächste Ecke erreicht, wirbelte herum und feuerte. Ich warf mich zur Seite, während die Projektile dicht über mich hinwegzischten. Sie zerfetzten den Wandbelag, schossen ganze Stücke heraus, die ihrerseits wie Geschosse durch die Luft flogen.

Ich riss die SIG hoch, feuerte zurück.

Zweimal kurz hintereinander.

Aber meine Gegnerin war bereits hinter der Ecke verschwunden.

"Alles klar, Jesse?", rief eine Stimme hinter mir.

Das war Agent Carrington.

"Alles klar!", bestätigte ich.

Wir setzten den Spurt fort und erreichten die Aufzüge. Der Leuchtanzeige war zu entnehmen, dass einer der Aufzüge auf dem Weg nach unten war.

"Ich nehme die Treppe", sagte ich.

"Okay", nickte Agent Carrington.

Er schnellte zu einer der Aufzugstüren, öffnete sie.

Als er in die Liftkabine eintrat, gab es einen ohrenbetäubenden Knall. Die Druckwelle der Explosion konnte selbst ich noch deutlich spüren. Es wurde heiß. Flammen schlugen empor. Die Detonation hatte Agent Carrington buchstäblich zerrissen. Er hatte nicht den Hauch einer Überlebenschance gehabt. Entsetzen und ohnmächtige Wut packten mich. Es kommt leider immer wieder vor, dass Kollegen im Kampf gegen das Verbrechen ihr Leben lassen. Aber gewöhnen werde ich mich an diese Tatsache nie.

Ich packte die SIG mit beiden Händen.

Meine Gegnerin war von äußerster Kaltblütigkeit.

Und vermutlich operierte sie nicht allein...

Jemand musste ihr geholfen haben...