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Ich gab über das Mikro an meinem Hemdkragen einen kurzen Lagebericht und hetzte die Treppe hinunter.

"Milo und Orry sind unterwegs zu dir!", hörte ich Fred LaRoccas Stimme an meinem Ohr, während ich bis zum nächsten Treppenabsatz hetzte.

Die SIG hielt ich dabei im beidhändigen Anschlag.

"Hat sie schon versucht aus der Tiefgarage herauszukommen?", fragte ich ins Mikro.

"Bis jetzt nicht, Jesse."

Augenblicke später erreichte ich die feuerfeste Stahltür, durch die man in die Tiefgarage gelangen konnte. Ich riss sie auf, hielt dabei die SIG in der Rechten. Blitzschnell ließ ich den Blick schweifen.

Es war totenstill. Verdächtig ruhig.

Ich machte ein paar Schritte nach vorn und presste mich dann gegen einen der dicken Betonpfeiler. Jeden Moment erwartete ich, einen Motor aufheulen zu hören.

Aber da kam nichts.

Kein Laut.

In geduckter Haltung schlich ich vorwärts und verschanzte mich dann hinter einem GM in grau-metallic.

Die Stahltür ging auf.

Milo und Orry kamen mit ihren SIGs im Anschlag heraus. Ich machte ihnen ein Zeichen. Sie suchten Deckung.

Milo schlich zu mir.

"Wo steckt sie, Jesse?"

"Keine Ahnung. Aber ich habe irgendwie das Gefühl, dass die Lady uns an der Nase herumführt..."

"Die Ausfahrt ist blockiert, da kommt sie nicht raus!"

"Darauf ist unsere Gegnerin bestimmt auch selbst gekommen..."

"In Luft auflösen kann sie sich aber auch nicht..."

Schritte ließen uns in Richtung Ausfahrt herumwirbeln. Aber das waren unsere Leute, die sich von dort heranpirschten.

G-men in schusssicheren Kevlar-Westen.

"Scheint so, als müssten wir hier jeden Wagen einzeln unter die Lupe nehmen", meinte Milo. Er hatte recht. Sie konnte überall sein. In jedem Kofferraum, hinter den Rücksitzen irgendeiner Limousine oder hinter einer der meterdicken Betonpfeiler, auf der das Johnson Plaza Hotel ruhte.

Ich tauchte aus der Deckung hervor.

Es war wie bei der Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen. Wir pirschten uns weiter voran, sicherten uns gegenseitig ab. Aber von der jungen Frau war nirgends eine Spur. Eine Viertelstunde verging mit dieser nervenaufreibenden Suche.

Dann rief plötzlich Agent Medina: "Ich glaube, ich hab' was..."

Milo und ich eilten zu ihm hin.

Medina stand vor einem Gullideckel, der nicht mehr richtig in seiner Fassung lag.

Möglicherweise war das Killer-Girl in die Kanalisation entkommen, was die Chancen, sie zu finden, gegen Null gehen ließ.

Orry gab diese Vermutung über Funk an Fred LaRocca durch.

Vielleicht konnte man noch etwas erreichen, in dem man das Johnson Plaza Hotel durch die Kollegen des NYPD weiträumig absperren ließ. In ihrem Aufzug war die junge Lady ja mehr als auffällig. Allerdings war sie bei ihrem Mordanschlag insgesamt dermaßen professionell vorgegangen, dass sie vermutlich für diesen Fall vorgesorgt hatte.

Ich räumte den Deckel zur Seite.

Für eine zierliche Frau, wie die Killerin, war er ziemlich schwer. Kein Wunder, dass sie es in der Eile nicht mehr hingekriegt hatte, ihn richtig in der Fassung zu platzieren.

"Augenblick!", rief Milo.

"Was ist los?"

"Da sind ein paar Haare..."

Das Killer-Girl war offenbar mit seiner langen, dunklen Lockenmähne hängengeblieben.

Milo nahm die Haarfasern zwischen Daumen und Zeigefinger.

Wenn wir Glück hatten, konnte uns eine Genanalyse den Namen der Täterin verraten, sofern sie schon einmal erkennungsdienstlich behandelt worden war.

Ich stieg in den röhrenartigen Abfluss hinein. Mit Hilfe der angerosteten Metallsprossen in der Wand gelangte ich abwärts.

Ein schmaler Zugang führte zum Hauptkanal, der wie ein Wildbach rauschte.

Ein perfekter Fluchtweg.

Von den Abwasserkanälen aus bestanden Verbindungen zu stillgelegten U-Bahnschächten. Bis zu zehn Stockwerke tief war der Untergrund von New York City mit Gängen und Tunneln durchzogen. Eine Stadt unter der Stadt. Man musste sich nur dort auskennen.

An Spuren war nichts mehr zu finden.

"Die ist auf und davon, Jesse!", hörte ich Milos Stimme.