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Exakt um 10.00 erreichte uns ein Anruf von Captain Franklin Lopez, dem Chief des 47. Polizeireviers in New York City.

Einer seiner Leute hatte die Aussage eines Taxifahrers aufgenommen, der mitten in der Nacht eine junge Frau zur weißrussischen UNO-Botschaft gefahren hatte.

Am nächsten Morgen war ihm dann beim Blick in die Zeitung aufgefallen, dass er vermutlich eine Mörderin befördert hatte. Jetzt war er scharf auf eine eventuelle Belohnung.

Agent Fred LaRocca wurde abgestellt, um den Taxifahrer nochmal genauestens zu befragen und seine Aussagen zu überprüfen.

Wir fuhren indessen zur weißrussischen UN-Botschaft.

"Wenn wir Glück haben, dann ist Larina noch auf dem Botschaftsgelände", meinte Milo.

"Ich weiß nicht, ob ich das als Glück bezeichnen würde, Milo. Wir kämen dann wohl kaum an sie heran..."

"Na, jedenfalls säße sie dann fest."

"Es sei denn, jemand transportiert sie im Diplomatengepäck außer Landes..."

"Vor Jahren soll angeblich mal ein lybischer Terrorist auf diese Weise aus Großbritannien ausgeschleust worden sein. Aber wenn das in diesem Fall herauskäme, gäbe das einen diplomatischen Skandal, der sich gewaschen hätte. Ich glaube nicht, dass die Regierung in Minsk das riskieren würde."

"Optimist!"

"Die Regierung dort will doch Kredite und Investitionen aus dem Westen. Da können die sich solche krummen Touren kaum erlauben. Für den normalen Kongressabgeordneten ist Weißrussland dann doch gleich in einer Reihe mit Syrien und dem Irak - und dann ist im Handumdrehen keiner mehr da, der die Hand hebt, wenn es um die Bewilligung von Geldern geht."

Ich zuckte die Achseln, während wir an einer Kreuzung an der Bowery warten mussten.

"Unser Killer-Girl wird einen Grund gehabt haben, sich an die Botschaft zu wenden. Und der einleuchtendste wäre, dass Larina dort Hilfe erwartet..."

Milo seufzte. "Mit einem schönen, altmodischen Durchsuchungsbefehl wäre alles so verdammt einfach..."

"Aber den würden wir nicht einmal dann bekommen, wenn alle Lebenslänglichen von Riker's Island hinter die Botschaftsmauern geflüchtet wären..."

Pavel Kostadinov, ein Attaché des weißrussischen Botschafters, empfing Milo und mich in einem weiträumigen Büro. Mister McKee hatte zuvor sämtliche Hebel in Bewegung gesetzt, um dieses Treffen zu ermöglichen.

Der Empfang war kühl und geschäftsmäßig.

"Wir wollen eigentlich mit Major Grishenko sprechen", erklärte ich, nachdem wir uns vorgestellt und unsere Ausweise vorgezeigt hatten.

"Ich bedaure sehr, aber Mister Grishenko ist im Moment nicht in der Botschaft. Im Übrigen möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass Sie auf dem Botschaftsgelände keinerlei Befugnisse besitzen."

"Unser Vorgesetzter hat uns eindringlich darauf hingewiesen", nickte Milo. "Wir werden das sicher nicht vergessen."

"Gut. Dann ersparen Sie uns allen Schwierigkeiten..."

"...an denen sicher weder wir noch Sie interessiert sind", vollendete ich etwas ungeduldig.

"Ihre Fragen bitte."

Ich legte ein Fahndungsfoto von Larina auf den Tisch.

"Das ist ein Bild der Täterin", erklärte ich. "Sie nennt sich Larina und ist vermutlich Weißrussin."

"Nun, dann wünsche ich Ihnen viel Glück bei der Fahndung. Nur frage ich mich, weshalb Sie damit zu uns kommen. Die Tatsache, dass sie möglicherweise eine Bürgerin unseres Staates ist, kann dafür allein doch nicht ausschlaggebend sein."

"Wir erhofften uns nähere Informationen über Ihre Identität, denn sie ist mit Major Grishenko bekannt. Es gibt Fotos, die diese Frau auf Empfängen Ihrer Botschaft zeigt. Optisch hat sie sich etwas verändert, aber..."

"Wenn Sie damit andeuten wollen, dass unsere UNO-Botschaft oder Angehörige unserer Botschaft irgendetwas mit der Ermordung eines gewissen Kamarov zu tun haben, dann weise ich das in schärfster Form zurück!"

Der Attaché hatte eine sehr gerade Haltung angenommen.

"Davon kann keine Rede sein", versucht ich ihn zu beschwichtigen. Mir war klar, dass ich in ein Fettnäpfchen getappt war. Ein falsches Wort und Kostadinov würde uns die Tür weisen, ohne dass wir etwas dagegen tun konnten. "Es geht uns darum, den Mord an Jossif Kamarov und zwei FBI-Agenten aufzuklären. Und alles, was für von Ihnen erhoffen, sind Informationen..."

Ich holte ein Foto aus der Innentasche meiner Lederjacke, das Larina mit Grishenko zusammen zeigte. Kostadinov nahm es mit eisiger Miene entgegen.

"Diese Frau gehört weder zum Botschaftspersonal noch ist sie mir sonstwie bekannt", erklärte er dann pflichtgemäß. "Woher stammt dieses Bild übrigens?"

Ich überhörte die Frage geflissentlich.

Stattdessen erklärte ich: "Es wäre sehr wichtig für uns, mit Mister Grishenko persönlich zu sprechen. Auf dem Foto wirken die beiden sehr vertraut. Es ist ja möglich, dass diese Larina nur eine flüchtige Bekanntschaft von Mister Grishenko war, aber selbst dann kann er uns vielleicht wichtige Details zu ihrer Persönlichkeit sagen, die es uns am Ende leichter machen, sie aufzuspüren. Jede Kleinigkeit kann da wichtig sein."

"Es tut mir leid, aber Major Grishenko ist nicht zu sprechen."

"Ist er vielleicht in seiner Residenz?"

"Geben Sie sich keine Mühe, Agent Trevellian."

Ich spürte, dass ich hier auf Granit biss. Grishenko war aus irgendeinem Grund für uns nicht zu fassen.

Ich studierte Kostadinovs Züge.

Er wirkte nervös.

Mein Instinkt sagte mir, dass er mehr wusste. Aber wir hatten keinerlei Möglichkeit, an diese Informationen heranzukommen.

"Ein Taxifahrer behauptet, gesehen zu haben, wie diese Larina - oder wie immer ihr wirklicher Name sein mag - sich in der letzten Nacht zur Botschaft fahren ließ", stellte ich fest und wartete ab.

Kostadinov bemühte sich, ein Pokerface aufzusetzen.

Sein Lächeln war dünn.

"Unser Haus ist keineswegs rund um die Uhr für den Publikumsverkehr geöffnet", erklärte er dann süffisant.

"Mit anderen Worten: Sie erklären, dass Larina sich nicht in der UN-Botschaft aufhält und sich auch nie an Sie gewandt hat."

"So ist es. Und ich denke, unser Gespräch ist nun beendet. Ich kann Ihnen wirklich nicht weiterhelfen..."