Das BELUGA war ein Restaurant der gehobenen Klasse, in dem angeblich der beste Kaviar in ganz Brooklyn serviert wurde.
Es lag im 22. Stock eines Hochhauses in der Amity Street.
Durch die großen, getönten Fenster hatte man einen traumhaften Blick auf die Villen der Brooklyn Heights auf der einen und Liberty Island auf der anderen Seite.
An diesem Abend war das BELUGA allerdings für den Publikumsverkehr geschlossen.
Eine geschlossene Gesellschaft traf sich hier.
Darren L. Korowski hatte am Ende der langen Tafel Platz genommen. Er war ein breitschultriger, deutlich übergewichtiger Mann mit sehr kräftigen Augenbrauen, die zusammen ein abgeflachtes V bildeten.
Im rechten Mundwinkel steckte eine dicke Havanna.
Bevor er zu sprechen begann, nahm er sie heraus und drehte sie gedankenverloren zwischen den Fingern herum.
"Ich habe euch alle hier zusammengerufen, um Sie darüber in Kenntnis zu setzen, dass ich von nun an Big Joe's Geschäfte übernehme. Vollständig und ohne jede Ausnahme", begann Korowsky. "Er selbst hätte es so gewollt, das wisst ihr..."
Korowsky ließ den Blick schweifen.
Seine kalten grauen Augen musterten einen nach dem anderen.
Er lächelte.
Nach einer angemessenen Pause fuhr er fort: "Big Joe wurde sehr plötzlich aus dem Leben gerissen. Niemand von uns konnte damit rechnen und er wird uns sicher sehr fehlen. Ich werde die Organisation in seinem Sinne weiterführen, aber wir können nicht nur in der Vergangenheit leben. Wir müssen an die Zukunft denken. Ans Überleben. Und dafür ist es notwendig, dass ich einige Umstrukturierungen vornehme..."
"Was soll das heißen?", fragte ein dunkelhaariger Mann. "Und wieso steht überhaupt fest, dass du den Laden übernimmst? Du wartest doch schon lange darauf, dass Big Joe dir den Platz freimacht. Wie ein Geier hast du darauf gelauert. Aber dann hat der Alte Dwight Janov zu seinem Kronprinzen gemacht..."
Der Dunkelhaarige atmete tief durch. "Beide sind jetzt tot", stellte er fest. "Und ich glaube eigentlich nicht daran, dass das die Italiener waren. Mit denen haben wir seit langem Frieden."
Korowskys Gesicht wurde zu einer Maske.
"Sprich dich nur aus, Jacky!", sagte er eisig.
Ein angespanntes Schweigen herrschte jetzt.
"Okay", sagte Jacky schließlich. "Unter 'Umstrukturierungen' stellst du dir doch wahrscheinlich nichts anderes vor, als dass wir alle an dich mehr bezahlen müssen als früher an Big Joe..."
"Die Kosten steigen, Jacky... Die verdammte Inflation!", zischte Korowsky.
Ein Raunen entstand.
Hier und da waren Unmutsäußerungen zu hören, manche auf Englisch, ein paar auf Weißrussisch und manche in einen grotesken Gemisch aus beiden Sprachen.
Dann meldete sich Jacky zu Wort.
"Ich bin dagegen, dass Darren den Laden übernimmt. Es ist wahr, dass wir frischen Wind und eine neue Führung brauchen, aber nicht diesen Blutsauger!"
Zustimmendes Gemurmel entstand.
"Jawohl, er hat recht!"
"Was bildet Korowsky sich überhaupt ein!"
"So geht das nicht!"
Darren L. Korwoskys Gesicht wurde zu einer finsteren Grimasse.
Er brüllte einen Befehl in akzentschwerem Weißrussisch. Die Sprache seiner Vorfahren beherrschte er kaum noch.
Türen sprangen geräuschvoll auf.
In dunkle Anzüge gekleidete Männer drangen in den Raum ein.
Die Pistolen mit aufgeschraubten Schalldämpfern hielten sie beidhändig. Einige waren auch mit Maschinenpistolen vom Typ Uzi ausgerüstet.
Die Männer umringten die Tafel.
Hier und da gingen die Hände der Tafelgäste unter die Jacketts, hielten aber mitten in der Bewegung inne.
Ihnen war klar, dass sie bei einem Schusswechsel nicht den Hauch einer Chance gehabt hätten.
Eine eisige Stille entstand.
Darren L. Korowsky lächelte selbstzufrieden. Diese Situation hatte er erwartet.
Und er war entsprechend vorbereitet gewesen!
"Keiner von euch wird so wahnsinnig sein und hier Ärger machen, oder?", lachte er und zog dann an seiner dicken Havanna. Er bliess Ringe aus Rauch in die Luft. Schließlich sah er einen seiner Gorillas an und schnippste mit den Fingern der linken Hand.
"Deine Waffe!", rief jener Mann, der sich selbst als legitimen Nachfolger von Big Joe Kamarov ansah.
Der Mann in schwarz sicherte seine Automatik mit Schalldämpfer und warf sie Korowsky zu.
Dieser fing sie lässig mit der Linken.
Scheinbar mühelos.
Dann erhob er sich.
Niemand am Tisch wagte es, auch nur heftig zu atmen. Sie starrten ihren neuen Boss an.
Dieser entsicherte die Waffe in seiner Hand und lud sie mit scharf klingenden Geräusch durch. Er genoss die Atmosphäre der Angst, die er verbreitete. Und er wollte diesen Augenblick möglichst lange auskosten. Die Männer an dieser Tafel sollten seine Macht spüren und sich für alle Zeiten an diesen Abend erinnern.
"Jacky...", sagte er dann leise. "Ich glaube nicht, dass wir beide gut zusammenarbeiten werden..."
Jacky stand da wie zur Salzsäule erstarrt. Er wurde bleich wie die Wand. Seine Stimme wirkte jetzt wie ein heiseres Krächzen. "So war das nicht gemeint..."
Korowsky hob die Waffe, richtete sie auf Jacky und drückte blitzschnell ab.
Jacky ächzte auf, als ihn die Kugel in den Oberkörper traf.
Er presste die Hände unter den Rippenbogen. Blut rann zwischen seinen Fingern hindurch. Jacky sackte vornüber und knallte mit der Stirn auf den Tisch.
"Ein Teil der Umstrukturierung wäre damit erledigt", sagte Korowsky eiskalt. Er lachte leise, während die anderen am Tisch ihn entsetzt anstierten.
Der neue Boss blickte in die Runde.
"Hat noch jemand irgendwelche Einwände gegen meine Pläne? Ich nehme an, das ist nicht der Fall..."
Schweigen.
Korowsky senkte die Waffe.
"Ich hatte immer großen Respekt vor Big Joe. Aber in der letzten Zeit hat er sich vielleicht von einigen von euch zu sehr auf der Nase herumtanzen lassen. Ihr könnt sicher sein, dass ich diesen Fehler nicht machen werde..."