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Herbert Meeker hatte große Ähnlichkeit mit seinem Bruder. Zehn Monate war er nur jünger als Carl. Sie feierten im selben Jahr Geburtstag. Ihr Vater war nicht gerade erfreut gewesen, als er nach so kurzer Zeit erfuhr, dass seine Frau schon wieder schwanger war, denn das Geld war knapp, und die Frau strotzte nicht eben vor Kraft und Gesundheit.

Später aber hatte Mr. Meeker allen Grund gehabt, auf seine starken, ehrlichen Jungs stolz zu sein. Sie hielten zusammen wie Pech und Schwefel, und Aufrichtigkeit war an ihr Banner geheftet, Männer mit dem besten Kern, den man sich wünschen kann.

„Eine Hochzeit, Pater Willard“, sagte Herbert Meeker, und seine Augen funkelten. „Eine schöne Hochzeit, mit allem Drum und Dran ... Teppich, Orgelmusik, zwei, drei Leute, die das Ave Maria singen ... Glockengeläute ... Was kostet das?“

Pater Willard, ein weißhaariger Mann mit gütigen Augen, musterte den Hafenarbeiter schmunzelnd. Sie befanden sich im Pfarrhaus. Herbert Meeker hatte einen großartigen Kontakt zu dem Priester. Sie setzten sich häufig zu einem Glas Wein zusammen und unterhielten sich über Gott und die Welt.

„Was höre ich da?“, sagte Pater Willard. „Du trägst dich mit Heiratsabsichten?“

Meeker senkte den Blick. „Ich möchte zuerst nur mal wissen, was mich so eine kirchliche Trauung kostet.“

„Heißt das, du würdest auf sie verzichten, wenn sie zu teuer käme? Das kannst du mir doch nicht antun.“

„Wenn ich Corinna zum Altar führe, sollen die Leute glauben, ein Generaldirektor heiratet. Ich sehe nicht ein, warum Corinna schlechter dran sein soll als irgendeine andere Frau, bloß weil sie einen Hafenarbeiter heiratet. Bestimmt ist sie mit mir besser bedient als mit einem Kerl von ganz oben, der ein Verhältnis mit seiner Sekretärin hat und sich nach zwei Jahren schon wieder scheiden lässt.“

„Du bist zweifelsohne ein guter, ein wertvoller Mensch, Herbert Meeker, aber du darfst nicht denken, dass es solche Menschen ,dort oben‘ nicht gibt.“

„Geld verdirbt den Charakter, sagt man.“

„Das kommt immer auf die Person an. Ich kenne reiche Leute, die wunderbare Menschen sind. Und ich kenne arme Leute, die nicht einmal davor zurückschrecken würden, den Opferstock in ihrer Kirche zu plündern. Man darf niemals den Fehler machen, zu verallgemeinern, mein Sohn.“

„Was würde nun so eine tolle Hochzeit kosten, Pater?“, fragte Herbert Meeker.

„Da ich weiß, dass du mit irdischen Gütern nicht besonders reich gesegnet bist, und in Anbetracht dessen, dass wir schon so viele Jahre gute Freunde sind, werde ich dir einen Sonderpreis machen, der für dich erschwinglich sein wird.“

Herbert Meeker strahlte. „Ich würde alles kriegen? Den Teppich ... die Orgelmusik ... Das Ave Maria ... Das Glockengeläute ... Meine Güte, mir läuft es vor Freude kalt den Rücken hinunter, Pater Willard.“

„Ich denke, es wäre nun an der Zeit, dass du mir deine kleine Braut vorstellst. Ich möchte sie kennenlernen.“

„Morgen!“, sagte Meeker eifrig. „Wenn Sie morgen Zeit haben, bringe ich Corinna zu Ihnen. Sie werden von ihr begeistert sein. Sie ist ein liebenswertes Mädchen. Ein ... ein Engel ist sie, der wunderbar in Ihre Kirche passt.“

„Du kannst kommen, wann du willst“, sagte Pater Willard. „Du weißt, dass du immer willkommen bist.“

Überglücklich verabschiedete sich der Hafenarbeiter von Pater Willard, der nicht ahnte, dass er diesen Mann, den er so sehr ins Herz geschlossen hatte, nicht lebend wiedersehen würde.

Meeker schlenderte singend und pfeifend nach Hause. Hin und wieder legte er ein paar Tanzschritte ein. So großartig hatte er sich noch nie gefühlt. Er vergaß den Ärger im Hafen, dachte nicht an die Verbrecher, die ihm und seinen Freunden das Leben immer schwerer machten, dachte nur an Corinna, sah sie in einem blütenweißen Kleid vor sich ... mit Schleier ... Solche Kleider konnte man leihen ... Die Kirche in Festbeleuchtung ... Und sie schritten über den Teppich, auf den Altar zu, vor dem Pater Willard sie festlich gekleidet erwartet ...

Das Leben kann so wunderschön sein, hat einem so viel Freuden zu bieten.

Die Hafenratten? Wenn sie ihnen geschlossen entgegentraten, würde es diese Gangsterbrut bald nicht mehr geben!

Meeker betrat das Haus, in dem er wohnte. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, lief er die Treppe hinauf. Er wohnte im zweiten Stock. Ob er Corinna noch anrufen sollte?

Es war schon spät. Vielleicht lag sie schon im Bett. Er wollte sie nicht wecken.

Er öffnete die Tür, machte in der Diele Licht, betrat das Wohnzimmer und erstarrte, denn sein sechster Sinn signalisierte ihm Gefahr. Er befand sich nicht allein in diesem Raum.

Außer ihm war noch jemand da!

Seine Augen wurden schmal. Das Licht, das von der Diele ins Wohnzimmer fiel, reichte aus. Meeker konnte alles sehen - die Sitzgruppe, den alten Schrank, die Kommode zwischen den Fenstern ...

Wer befand sich in seiner Wohnung? Ein Abgesandter von Cameron Drake? Ein Killer? Gab es einen Verräter unter den Freunden? War dem Gangsterboss zu Ohren gekommen, dass man gegen ihn etwas unternehmen wollte? Beabsichtigte Drake, einem Schlag gegen ihn zuvorzukommen?

Wo ist der Kerl?, fragte sich Herbert Meeker und blickte sich wachsam um. Er irrte sich bestimmt nicht. Es war jemand hier!

Sollte er sich zurückziehen, die Wohnung verlassen, solange dazu noch die Möglichkeit bestand? Hatte es einen Zweck, die Polizei zu alarmieren?

Bis die hier eintraf, war der Bursche längst über alle Berge. Deshalb entschloss sich Meeker, den ungebetenen Gast selbst dingfest zu machen.

Doch ehe er irgendetwas tun konnte, passierte es ...

Jim Denton und Bob Jones - wieder maskiert - schlugen die Übergardinen zur Seite. Jeder hielt eine abgesägte Schrotflinte in seinen Händen. Jack Renclock hatte sie in Cameron Drakes Auftrag damit ausgerüstet. Sie wussten damit erschreckend gut umzugehen.

Herbert Meeker blickte entsetzt in die Mündungen der doppelläufigen Waffen. Er begriff, dass der Film für ihn gleich reißen würde. Corinna ... Die Hochzeit in der Kirche ... Das Ave Maria ... All das würde es nicht für ihn geben.

Glocken würden läuten, aber es würden Totenglocken sein ...

Diese furchtbaren Gedanken machten Herbert Meeker so rasend, dass er die Gangster trotz der Waffen angriff. Doch sie ließen ihn nicht an sich heran. Gleichzeitig zogen sie den Stecher durch, und das Schrot streckte den Hafenarbeiter nieder.