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Rocky Costello war ein hübscher Bursche, der große Chancen bei den Mädchen hatte. Er war ein Mittelding zwischen James Dean und John Travolta. Groß, schwarzhaarig und schlaksig.

Er trug eine schwarze Lederjacke mit unzähligen blitzenden Nieten. Seine Schuhe hatten hohe Absätze, und aus der Gesäßtasche seiner Jeans ragte ein langer Aluminiumkamm.

Costellos Eltern waren arm. Dennoch hatten sie ihrem Sohn eine gute Schulbildung angedeihen lassen wollen. Rockys Vater hatte dafür schwer geschuftet, und vermutlich hätte der Junge die Schule geschafft, wenn er nicht so furchtbar jähzornig gewesen wäre.

Als er von seinem Lehrer auf eine mündliche Prüfung hin eine negative Note bekam, drehte Rocky Costello durch. Es gab zwischen ihm und dem Lehrer eine heiße Diskussion, in deren Verlauf sich Rocky in Wut redete. Und dann schlug er zu. Er verdrosch den Mann in blinder Wut. Wenn ihn seine Klassenkameraden nicht zurück gerissen hätten, hätte er den Lehrer wahrscheinlich erschlagen.

Selbstverständlich flog Rocky Costello noch am selben Tag von der Schule. Er hatte Glück, dass der Lehrer auf eine Anzeige wegen Körperverletzung verzichtete. So blieb ihm das Gefängnis erspart.

Danach kam es notgedrungen zum Streit mit den Eltern.

Rocky Costello schlug zu Hause alles kurz und klein und rückte dann aus. Das war nun schon zwei Jahre her, und seine Eltern hatten immer noch keine Ahnung, wo er sich herumtrieb.

In diesen beiden Jahren hatte Rocky Costello gelernt, Geld zu verdienen. Er machte alles, wenn es bezahlt wurde. Das sprach sich schnell herum. Da er ein intelligenter Bursche war, griffen gewisse Leute gern mal auf ihn zurück, wenn es darum ging, ein Problem so rasch wie möglich aus der Welt zu schaffen.

Rocky blieb in der Butler Street - sie verläuft in der Nähe des La Guardia Airport parallel zum Ditmars Boulevard - vor einer spiegelnden Auslage stehen. Er warf einen selbstgefälligen Blick auf sein Spiegelbild, zog dann den Kamm und ordnete seine schwarzen, öligen Locken, ehe er seinen Weg fortsetzte.

Wenig später verschwand er im Haus Nummer 1928.

Er lief die abgetretenen Stufen zur Kellerwohnung hinunter und hämmerte mit der Faust an die dunkelbraune Tür.

„Wer ist da?“, kam es vorsichtig aus der Wohnung.

„Nun mach schon auf, du trübe Tasse. Ich bin es, Rocky.“

Simon Little, Rockys Freund, öffnete und ließ den schwarzhaarigen Jungen eintreten. Simon war rothaarig, sommersprossig und ziemlich bullig. Er verfügte über unglaubliche Kräfte und konnte mit seinen dicken Fäusten eine Menge Schaden anrichten.

„Hast lange nichts von dir hören lassen“, sagte Simon Little vorwurfsvoll. „Ich dachte schon, dich gibt’s nicht mehr.“

Rocky Costello griente. „Ich war für ein paar Tage schwer verliebt. Hatte keine Zeit für meine Freunde, verstehst du? Aber die Show ist inzwischen gelaufen, und ich kann mich nun wieder aufs Geschäft konzentrieren.“

„Keine schlechte Idee“, sagte Simon Little. „Ich habe heute morgen meine letzten Cents ausgegeben.“ Costello stieß mit dem Zeigefinger gegen Littles Brustbein. „Dann bist du bestimmt brennend an zwei bildschönen Hundertern interessiert.“ Simon Little lachte meckernd.

„Mann, ich kann’s kaum erwarten, sie mir zu verdienen. Was müssen wir für die Mäuse denn tun?“

Costello hob die Schultern. „Kleinigkeit. Wir brauchen bloß ’ner Mieze ’n bisschen Angst machen. Das kriegen wir beide mit der linken Hand fertig.“

Little rieb sich grinsend die Hände. „Ich kann wahrhaftig weit und breit kein Problem sehen.“

„Ich auch nicht.“

„Wie heißt die Kleine denn, die wir erschrecken sollen?“, wollte Simon Little wissen.

Rocky Costello kämmte sein Haar wieder, bevor er sagte: „Die Puppe heißt June March ...“