Bount hatte Kate Ashcroft angerufen und sie gebeten, eine Liste anzufertigen, auf der alle jene Leute angeführt waren, die aus irgendeinem Grund etwas gegen die Pink Shopping Land-Kette hatten.
Kate Ashcroft erwähnte einige Drohbriefe, die man in den Beschwerdebriefkästen der Warenhäuser gefunden hatte. In manchen Fällen war es gelungen, die anonymen Briefschreiber auszuforschen.
Bount hatte gebeten, auch ihre Namen auf die Liste zu setzen.
Nun war Bount Reiniger auf dem Weg zu Kate Ashcroft, um sich die fertiggestellte Liste abzuholen.
Die Chefin des Warenhausimperiums empfing Bount mit bedrückter Miene. „Wie kommen Sie mit Ihren Ermittlungen voran, Mr. Reiniger?“
„Der Täter ist darüber beunruhigt, dass Sie mich engagiert haben“, erwiderte Bount. „Er hat zwei Schläger gemietet, die mich dazu bringen sollten, die Nachforschungen fallenzulassen. Ich erachte das als ein positives Zeichen. Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass der Killer - bedingt durch seine Nervosität - einen Fehler macht, der es mir ermöglicht, ihm die Maske vom Gesicht zu reißen.“
Bount überflog die Namen und die dazugehörigen Adressen auf der Liste.
Kein Name war ihm bekannt.
Er legte eine Kopie der Liste auf Kate Ashcrofts Schreibtisch und sagte: „Die übermitteln Sie Captain Rogers. Ihm stehen für die Überprüfung mehr Leute zur Verfügung als mir. Ich werde mich mit Stichproben begnügen müssen.“
Eines der vier Telefone auf Kate Ashcrofts Schreibtisch läutete. Die schwergewichtige Frau griff nach dem Hörer.
In der nächsten Sekunde wurde sie totenblass. „Großer Gott, nein! Nicht schon wieder!“, stöhnte sie.
Ihr Blick heftete sich auf Bounts Gesicht. Sie bettelte mit den Augen um Hilfe. Gleichzeitig war in diesem Blick aber auch eine stumme Anklage: Warum ist dieser Killer immer noch nicht gefasst?
Mit einer unendlich müden Handbewegung ließ sie den Hörer sinken. Ihre Stimme klang brüchig, als sie schleppend sagte: „Der Mörder hat ein weiteres Mal zugeschlagen..
„Wann?“, fragte Bount hastig.
„Vor wenigen Minuten. Drüben in Brooklyn. 4th Avenue ..
Bount schob die Liste in die Innentasche seines Jacketts und machte sich auf den Weg dorthin.
Er brauchte siebzehn Minuten bis zum Tatort. Ein Mädchen wurde gerade aus dem Warenhaus geführt. Zwei Männer stützten sie. Ihre Bluse wies Blutspritzer auf. Sie musste unmittelbar dabei gewesen sein, als es passierte. Bount boxte sich an das Mädchen heran. Er steckte dem Rettungsarzt eine Banknote zu und erfuhr von diesem, dass das Girl Peggy Tearle hieß und die Sekretärin des Opfers gewesen war.
Peggys Augen sahen aus wie Glasmurmeln. Sie schien ihre Umgebung nicht wahrzunehmen. Die Männer, die sie stützten, brachten sie zum Ambulanzwagen.
Peggy Tearle stammelte immer wieder mit krächzender Stimme: „Ich ... ich habe ihn gesehen ... Ich ... ich habe ihn gesehen ... Ich ... ich habe ihn gesehen...“
Bount nahm an, sie meinte den Killer. Er ließ sich diese Gelegenheit nicht entgehen. „Hören Sie“, sagte er zum Rettungsarzt. „Besteht von Ihrer Seite irgendein Einwand, dass ich die Fahrt zum Krankenhaus mitmache?“
„Das Mädchen hat einen sehr schweren Schock erlitten“, erwiderte der wohlbeleibte Doktor. „Was versprechen Sie sich davon, sie zu begleiten?“
„Sie hat den Killer gesehen.“
„Möglich. Aber Sie werden keine Beschreibung aus ihr herauskriegen. Sie wird immer nur dasselbe sagen: dass sie ihn gesehen hat. Sie wiederholt sich wie eine Schallplatte, die einen Sprung hat.“
„Darf ich trotzdem mitkommen?“, bohrte Bount.
Der Arzt dachte an den Schein, den Bount ihm zugesteckt hatte, hob die Schultern und meinte: „Meinetwegen.“
Peggy Tearle musste sich auf die Bahre legen. Bount stieg in den Krankentransportraum des Ambulanzwagens. Er setzte sich neben das Mädchen. Sie griff ganz plötzlich nach seiner Hand und drückte sie fest.
Die Türen klappten zu.
Der Rettungswagen fuhr los.
„Beruhigen Sie sich, Peggy“, sagte Bount eindringlich. „Es ist vorbei. Es wird alles wieder gut werden.“
„Ich habe ihn gesehen!“, keuchte das geschockte Mädchen.
„Er war drüben. Auf dem Dach des gegenüberliegenden Hauses, nicht wahr?“, sagte Bount.
„Ich habe ihn gesehen!“
„Sie brauchen ihn nicht zu fürchten, Peggy“, sagte Bount. „Sie sind hier vor ihm sicher. Er kann Ihnen nichts anhaben.“
„Ich kenne ihn!“, stieß das Mädchen aufgewühlt hervor. „Ich habe ihn gesehen!“
Die Fahrt hatte sich gelohnt. Peggy Tearle hatte soeben behauptet, dass sie den Mörder, den sie gesehen hatte, kannte. Mehr war aus ihr nicht herauszubekommen. Aber Bount wollte nicht unbescheiden sein. Irgendwann würde der Schock abklingen, und dann würde Peggy Tearle ihm den Namen des Killers nennen.
Der Ambulanzwagen stoppte.
Die Flügeltüren wurden geöffnet.
„Nun?“, fragte der Rettungsarzt.
„Sie kennt den Mörder“, erwiderte Bount. Er begleitete Peggy Tearle ins Krankenhaus und sprach mit dem Arzt, der das Mädchen aufnahm. Er gab ihm seine Karte und bat, man möge ihn unverzüglich anrufen, sobald bei Peggy das Erinnerungsvermögen zurückkehrte.
„Vergessen Sie’s nicht“, sagte Bount, bevor er ging. „Es ist äußerst wichtig!“
Dann fuhr er mit dem Bus zur 4th Avenue zurück. Er setzte sich in seinen Mercedes. Als er den Startschlüssel umdrehte, schnarrte das Autotelefon. Es war June March.