Der Killer rannte los. Er lief an Bount Reiniger vorbei und stürmte aus der Wohnung. Bount stellte die Frau auf die Beine und schwang herum. Da kreischte Minnie Tubb entsetzt auf. „Nicht töten!“, schrie sie. „Sie dürfen ihn nicht töten, Bount!“
Bount wollte dem Fliehenden folgen, Minnie Tubb umklammerte ihn mit beiden Händen und ließ ihn nicht aus dem Living-room. „Lassen Sie ihn fliehen!“, bettelte sie. „Ich flehe Sie an, Bount, lassen Sie ihn fliehen!“
Bount versuchte sie abzuschütteln, doch Minnie Tubb entwickelte in ihrer Hysterie große Kräfte, „ich lasse nicht zu, dass Sie ihn umbringen!“, kreischte sie. Bount sprengte die Armklammer und lief durch die Diele. Wylie Oakland hatte dank Minnie Tubb wertvolle Sekunden geschenkt bekommen. Der Killer versuchte seinen Vorsprung auszubauen. Er hetzte die Treppe hinunter, keuchte durch die Einfahrt, riss das Haustor auf und stürzte sich auf die Straße.
Als Bount die Straße erreichte, schrie Minnie Tubb oben schrill aus dem Fenster: „Bount, tun Sie’s nicht! Lassen Sie ihn laufen!“
Wylie Oakland jagte um die Ecke. Er verfügte bei weitem nicht über so viel Kraft wie Bount. Er wurde langsamer. Sein Atem rasselte. Er warf mehrere Mülltonnen um, damit Bount Reiniger es schwerer hatte, ihm zu folgen.
Bount erreichte die Ecke.
Oakland langte in diesem Augenblick am Ende der schmalen Straße an. Er überkletterte einen Zaun. Bount sprintete los. Er übersprang die umgeworfenen Mülltonnen wie ein Hürdenläufer.
Wylie Oakland landete auf der anderen Seite des Zauns.
Jetzt erst angelte er eine Luger aus der Schulterholster. Er entsicherte die Waffe.
Er wollte niemals ins Gefängnis gehen. Deshalb hatte er die Absicht, seine Freiheit mit Klauen und Zähnen zu verteidigen.
Als Bount den Zaun überklettern wollte, feuerte Wylie Oakland.
Der Killer verfehlte Bount Reiniger nur knapp. Blitzschnell drehte er sich um und rannte über das unkrautbestandene Areal. Hier hatten Baumaschinen Erde für ein Fundamente eines neuen Gebäudes ausgehoben.
Erdwälle türmten sich auf. Aber den Bauherren schien das Geld ausgegangen zu sein. Seither regierte hier hüfthohes Unkraut, das auch in der tiefen Grube wucherte.
Wylie Oakland verschwand hinter einem der Hügel.
Bount versuchte den Fliehenden mit einem Schuss ins Bein zu stoppen, doch in dem Augenblick, als Bount Reiniger abdrückte, ließ Wylie Oakland sich fallen. So entging er dem entscheidenden Treffer.
Der Killer robbte atemlos über den Boden.
Hin und wieder hob er kurz den Kopf. Er beobachtete Bount. Als dieser auf sieben Yards herangekommen war, drückte er mehrmals hintereinander ab. Bount warf sich auf den Bauch, rollte sich um die eigene Achse, sprang wieder auf die Beine und stürmte schießend weiter.
Wylie Oakland gelang es, unverletzt das Ende des Geländes zu erreichen. Ein Tor. Es war abgeschlossen. Von einem Pfosten zum andern rankte sich eine rostige Kette. Oakland zerschoss sie.
In dem Moment, wo er das Tor aufstieß, tauchte hinter einem der Wälle Bount Reiniger auf.
Bount stand breitbeinig da. Er zielte mit beiden Händen.
„Wylie!“, schrie Bount Reiniger.
Der Killer wirbelte blitzschnell herum.
Sie schossen gleichzeitig. Bount zielte besser. Wylie Oakland stieß einen krächzenden Schrei aus. Seine Arme flogen durch die Luft.
Die Luger machte sich selbständig. In weitem Bogen flog sie davon, und landete irgendwo zwischen den hohen Pflanzen. Der verletzte Mörder torkelte weiter.
Wylie Oakland schleppte sich die Straße entlang. Zwischen zwei geparkten Autos rannte er dann auf die Fahrbahn. Ein Wagen kam ihm mit hoher Geschwindigkeit entgegen.
Bount zog es die Kopfhaut zusammen.
Aber Wylie Oakland hatte noch einmal Glück. Der Fahrer trat geistesgegenwärtig auf die Bremse und verriss sein Fahrzeug. Dadurch verhinderte er, dass der fliehende Mörder unter die Räder kam.
Bount lief, so schnell er konnte. Er holte sehr rasch auf. Der schwankende Killer schien kaum noch vom Fleck zu kommen.
„Besoffenes Schwein!“, machte sich der Autofahrer Luft. Dann fuhr er weiter.
„Wylie!“, rief Bount. Er war zehn Yards hinter ihm. „Bleiben Sie stehen. Es hat keinen Zweck mehr!“
Wylie Oakland schien ihn nicht zu hören. Oder wollte er ihn nicht hören? Wie ein Mann, der mehr getrunken hatte, als ihm guttat, torkelte er der nächsten Querstraße entgegen.
Bount wollte den Killer noch einholen, bevor dieser die belebte Straße erreichen konnte. Aber da mobilisierte Wylie Oakland seine Restkräfte und fing noch einmal zu laufen an.
Bount begriff sofort, was Oakland vorhatte.
Der Mann rannte mit voller Absicht in den Tod!
Von links kam ein Bus. Wenn Wylie sein Tempo halten konnte, würde er den Riesen auf Rädern noch erreichen. Der Killer schaffte es trotz der Schussverletzung.
Mit einem kraftvollen Hechtsprung warf der Mann sich vor den Bus. Der Fahrer hatte nicht die geringste Chance, die Katastrophe zu verhindern.
Als die Räder den Todeskandidaten überrollten, schaute Bount Reiniger weg. Menschen kamen von allen Seiten gelaufen. Frauen schrien. Der Bus, der auf kürzeste Distanz zum Stillstand gekommen war, war binnen kurzem von einer Menschentraube umringt.
Bount ging nicht hin.
Er wusste, dass Wylie Oakland nicht mehr lebte.
Er kehrte um.
Als er wenig später Minnie Tubbs Wohnung betrat, tastete ihn die Frau mit ihren fragenden, tränenverhangenen Augen ab. Sie ahnte, was passiert war. Bount teilte es ihr so schonend wie möglich mit.
Sie musste sich setzen.
„Er hat es so gewollt“, sagte Bount ernst „Seiner Ansicht nach schien der Tod die einzig richtige Lösung für sein Problem in sein.“
„Ich werde ihn nie vergessen“, sagte Minnie Tubb schwach.
„Das brauchen Sie nicht“, sagte Bount. „Es hat mal eine Zeit gegeben, wo Wylie Oakland ein Mann war, den man als vorbildlich bezeichnen konnte. Daran sollten Sie denken, wenn Sie sich an ihn erinnern ...“
ENDE