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Melroom hatte nicht erwartet, dass die beiden Rapper in einem verrotteten Hausboot lebten. Aber das riesige Anwesen mit dem weitläufigen Park und den beiden pompösen Villen überraschte ihn doch. Grace und Russel waren steinreich, ohne Zweifel.

Sie saßen auf der Terrasse. Das Gespräch mit ihnen hätte nicht besser verlaufen können. Der Mitschnitt der Krisensitzung veranlasste Leonard Russel zu schallendem Gelächter. Sogar der stoische Dicke ließ sich zu einem Schmunzeln hinreißen.

Russel klopfte ihm auf die Schulter. "Ich wusste, dass Sie ein Genie sind."

Sie erteilten ihm Vollmachten über eine zweistellige Millionenhöhe, mit denen er arbeiten sollte. "Legen Sie es gut an, Mr. Melroom." Leonard Russel zwinkerte ihm zu. "Fünfzig Prozent des Gewinns für Sie."

Man plauderte noch dies und das. Leonard wollte von Melroom wissen, was er von HipHop halte. Melroom konnte nur mit den Schultern zucken. Über Queen, Meat Loaf und Dire Streat war er nie hinausgekommen. "Hier ist unserer neustes Werk - schenk' ich Ihnen."

Irritiert musterte Melroom das unheimliche Cover. Russel beobachtete ihn mit kaltem Blick. "Danke", sagte Melroom höflich, "ich werd' mal hineinhören."

Er verabschiedete sich. Leonard Russel führte ihn durch den großen, salonartigen Raum zum Ausgang. Plötzlich erschien Virginia oben auf der Treppe. Sie stand für Sekunden einfach nur da und starrte aus leeren Augen auf Melroom herunter.

"Hallo, Virginia", grüßte er. Keine Reaktion.

Sie kam die Treppe herab. Als hätte sich ein Schaufensterpuppe plötzlich verselbstständigt - so steif und leblos bewegte sie sich.

Es war ein Eindruck von vielleicht zwei, höchstens drei Sekunden - aber er erschütterte Melroom tief. Das war nicht die Virginia, die er kannte!

Leonard Russel drängte ihn mit sanfter Gewalt zum Ausgang. "Sie hat sich ein kleine Magenverstimmung zugezogen. Nicht weiter schlimm." Er wirkte plötzlich verkrampft bis zur Feindseligkeit.

Später, auf der Staten Island Ferry, stand Melroom am Heck der Fähre und blickte zurück nach Staten Island. Er war sehr beunruhigt. Irgendwas stimmte nicht mit Virginia. Drogen wahrscheinlich. Natürlich - sie hatte Drogen genommen.

Er machte sich klar, wie wenig das zu ihr passte. Sicher - die unglaublichsten Leute versumpfen im Dreck. Aber doch nicht innerhalb weniger Tage!

Die Frage, ob sich Virginia ganz freiwillig Russel aufhielt, drängte sich Melroom auf. Und die Frage, ob sie ganz freiwillig Drogen nahm. Er schob die Fragen beiseite. Was ging ihn das an...?