Kapitel 1

S eine Finger verknotete er in dem Seidenhemd des schäbigen Kriminellen und schleuderte den Mann gegen die Ziegelmauer in einer Seitengasse der Skid Row. Der Typ war größer und auch schwerer als er, aber das war typisch. Doch durch das Chi des Drachen war Tanner stärker als je zuvor und es war wie ein Rausch, an den man sich nur schwer gewöhnen konnte.

Sein ganzes Leben lang war Tanner gehänselt worden, weil er klein, uncool und bei allem der Langsamste war. Beim Lesen, Sport und Freunde finden.

Aber jetzt … jetzt war Tanner Drachenreiter. Er war mächtig. Er war stark. Andere taten, was er sagte, weil er der dritte Chef bei den Halunkenreitern war.

Der Drogendealer riss den Kopf zur Seite, seine Augen weiteten sich vor Überraschung. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Tanner ihn in einem Kampf überlegen wäre, als der ihm den Mund zuhielt. Tanner hatte beobachtet, wie der Kerl Obdachlose schikanierte und am Ende der Gasse vor diesen kleinen Flittchen angab. Als er ihn vor einer Weile angesprochen und den Anteil der Halunkenreiter an seinen Gewinnen aus seinen Deals gefordert hatte, verbot der Idiot ihm den Mund und sagte, wenn er die Kohle wollte, müsste er sie sich selbst holen.

Der Verlierer hatte wahrscheinlich gedacht, dass Tanner wie bei früheren Gelegenheiten nachgeben oder weglaufen würde, weil er sich nicht wehren konnte. So war es schon bei manchen Zusammentreffen gewesen, wenn Tanner Dealer konfrontiert hatte. Außerdem waren die Halunkenreiter noch neu und mussten ihre Regeln in der kriminellen Gemeinschaft erst durchsetzen. Bald sollte jedem klar sein, wer das Sagen hatte und sie würden sich unterordnen, wenn Tanner durch die Skid Row streifte, so wie sie es schon immer hätten tun sollen.

Die andere Hand legte Tanner um den Kiefer des Drogendealers und hob ihn höher in die Luft, über seinen Kopf. »Zuerst waren es dreißig Prozent. Jetzt nehmen die Halunkenreiter fünfzig Prozent deines Gewinns.«

»A-A-Ab…«, stotterte der Mann. »Damit kann ich nicht überleben.«

»Du musst es akzeptieren, wenn du überhaupt überleben willst«, drohte Tanner.

»D-D-Das ist nicht fair.«

»Es ist nicht fair, dass sich Punks wie du nicht der Autorität der Halunkenreiter beugen.« Tanner spuckte dem Kerl ins Gesicht, während er sprach.

»Ihr habt kein Recht, von uns einen Anteil zu fordern«, beschwerte sich der Drogendealer.

»Sicher haben wir das.« Tanner lachte gehässig. »Wir sind die neue Autorität in der Welt der sterblichen Kriminellen. Ihr müsst euch vor uns verantworten, was bedeutet, dass ihr nicht mehr an Minderjährige verkaufen werdet.«

»Du sagst mir, wie ich mein Geschäft führen soll und nimmst dir einen Anteil?«, stieß der Mann aus.

Tanners Knie landete mit einem Ruck in der Leistengegend des Kerls und ließ ihn vor Schmerz aufheulen. »Wird das ein Problem darstellen? Denn diejenigen, die sich nicht an die Regeln halten und uns nicht das geben, was uns gehört, verschwinden einfach. Die Sache ist die: Niemand vermisst die miese Ausgeburt der Gesellschaft, die mit illegalen Drogen hausieren geht. Also, deine Entscheidung. Bezahle und tu, was ich sage oder du wirst es bereuen.«

Der Abschaum lachte Tanner aus, woraufhin ihm die Wut heiß in den Kopf stieg. Was war mit diesem Kerl los? Wusste er nicht, mit wem er sich anlegte?

»Du magst mich jetzt an die Wand drücken, aber später, wenn du nicht aufpasst, werden Leute wie ich hinter dir her sein, weil wir es nicht mögen, wenn man uns sagt, was wir zu tun haben. Nur deshalb sind wir Kriminelle, wie du es nennst.«

Tanner kniff die Augen zusammen und presste den Kerl noch fester gegen die Wand. Sein Kopf knallte hart gegen die Ziegel. »Du weißt, dass ich stärker bin als du und dir das Genick brechen kann, wenn ich will, oder?«

»Du weißt, dass ich genug Munition habe, um deine Muskeln wegzupusten, oder?«, konterte der Mann.

»Waffen«, tönte Tanner voller Abscheu. »Willst du mich auf diese Weise einschüchtern?«

»Das war keine Einschüchterung«, prahlte der Typ. »Es war ein Versprechen, wenn du denkst, dass ich dir die Hälfte meines Geldes gebe. Der Rest deckt nicht einmal meine Ausgaben.«

»Auch nicht deine schlechten Angewohnheiten«, spottete Tanner. »Und ja, das wirst du oder du wirst mit deinem ekelhaften Leben bezahlen, das niemand vermissen wird.«

Der Kerl schüttelte den Kopf und griff nach etwas an seinem Rücken, unter seinem Hosenbund. »Tut mir leid, Kumpel, aber das funktioniert bei mir nicht.«

Tanner warf seine Schulter in die Brust des Mannes und blockierte die Hand, die nach etwas griff, von dem er annahm, dass es eine Waffe war. Der Dealer stöhnte auf und verschluckte sich an seiner Spucke.

Tanner ließ den Mann fallen und griff nach der Waffe. Seine Reflexe machten ihn zum Sieger und er schleuderte die Pistole zur Seite, wo sie über den Boden rutschte und neben einem Gebäude landete.

Der Verbrecher kroch eilig auf Händen und Knien über den Bürgersteig und diesmal versuchte Tanner nicht, ihn aufzuhalten. Er wusste, dass der Typ nicht an die Waffe kommen würde. Außerdem gefiel ihm die Tatsache, dass der Typ dachte, er hätte eine Chance zu kämpfen. Er konnte die Aufregung spüren, die von dem Kerl ausging.

Als er nur noch einen Meter von der Pistole entfernt war, schoss Coal, Tanners Drache, einen Feuerstrahl von dem Dach über ihm herunter. Er verschmorte die Waffe und ließ den Kerl sofort zurückweichen. Er richtete sich auf und landete auf seinem Hinterteil.

Der entsetzte Gesichtsausdruck des Mannes versetzte Tanner in helle Freude. Die Augen des Kerls weiteten sich noch mehr und der Augapfel trat hervor, als sein Kinn hochschnellte und er den schwarzen Drachen vom Dach herunterschweben sah.

Coal landete auf den Resten der Waffe und peitschte seinen langen Stachelschwanz zur Seite, wobei er den Verbrecher fast traf. Der schwarze Drache beugte sich tief hinunter, seine roten Augen verengten sich, während ein lautes Knurren aus seinem Maul drang.

Der Kerl sprang auf und wich mit dem Rücken zur Wand zurück, während er hektisch nickte.

»Ja, du kannst fünfzig Prozent haben«, stammelte er und stolperte über seine Füße, als er versuchte, sich so weit wie möglich von dem Drachen zu entfernen.

Tanner lachte siegessicher, als er gemächlich auf seinen Drachen zuging. »Ich wusste, du würdest deine Meinung ändern. Du musstest nur die Dinge aus unserer Perspektive betrachten.«

Schnell kletterte er auf Coals Rücken und schwang sein Bein herum, während er die Zügel ergriff, die aus dem Zaumzeug um den gehörnten Kopf hingen. »Ich werde kommen, wenn es Zeit ist, zu bezahlen. Glaube nicht, dass du die Halunkenreiter betrügen kannst. Wir wissen, wie viel du verdienst und wie viel du uns schuldest. Wenn du unsere Gesetze brichst, werden wir dich brechen.«

Der Kerl, der weiß war wie eine Wand und an der Mauer klebte, nickte hastig.

Tanner schüttelte den Kopf über den Rüpel, während er an den Zügeln riss und Coal vorwärtsstürmen ließ, bevor er sich in die Luft erhob und davonflog.