Kapitel 6

E s fühlte sich an, als wäre es Jahre her, dass Sophia einen Fuß auf die Roya Lane gesetzt hatte. Das war es, was nach Kämpfen und Abenteuern passierte. Sie verzerrten die Zeit und alles schien länger zurückzuliegen. Doch egal, wie viel Zeit verging, es gab bestimmte Dinge, die sie nie vergaß.

»Ernsthaft, Magierin, du brauchst ein paar Pillen«, rief König Rudolf Sweetwater vor dem Schaufenster eines neuen Ladens, der direkt neben der Rosen-Apotheke lag. Eine ältere Magierin eilte mit gesenktem Kopf und vor Wut gerötetem Gesicht von dem Fae davon. »Hast du in diesem Jahrhundert schon einmal in den Spiegel geschaut? Oh oder vielleicht hast du alle Spiegel zerbrochen, in die du geblickt hast. Das könnte ich verstehen.«

Die Frau beschleunigte, als sie die Straße hinunterstapfte und verschwand in der Menge.

Rudolf schüttelte den Kopf, drehte sich um und warf einen Blick auf das leuchtende neue Schild. Es war neongrün und rosa und lautete: ›Heals Pills – Eine Pille gegen Alles.‹

Sophia musste es ihm lassen. Der König der Fae hatte ein komplettes einladendes Ladengeschäft hochgezogen und das alles ohne ihr Zutun. So lautete ihre Abmachung. Sie lieferte die Dracheneierschalen und er übernahm den Rest der Arbeit, indem er Bep den Trank, der zur leichteren Einnahme in Kapseln abgefüllt war, herstellen ließ und das Geschäft einrichtete.

Zuvor hatten sie darüber gesprochen, das heilende und verschönernde Produkt einfach in anderen Geschäften zu verkaufen, aber Rudolf überraschte Sophia erneut, indem er einen Businessplan für ein Einzelhandelsgeschäft vorlegte. Er sagte, dass sie den Gewinn maximieren könnten, wenn sie das Produkt direkt vertrieben und damit außerdem Exklusivität verdeutlichten.

»Das sieht toll aus«, stieß Sophia in Rudolfs Rücken hervor. »Aber machst du es dir zur Gewohnheit, Kunden zu vergraulen?«

Er drehte sich um und auf seinem Gesicht breitete sich ein ehrliches Lächeln aus, das seine Augen zum Strahlen brachte. »Sophia! Du hast meine Nachricht erhalten. Das ist ja toll. Und Liv hat behauptet, dass es nicht funktioniert hat.«

»Nachricht?« Sophia zog ihr Handy heraus und schaute es an. »Habe ich nicht. Welche Nachricht?«

»Meine telepathische Nachricht«, erklärte Rudolf. »Deine Schwester spielt gerne Spielchen mit mir und sagt, dass unsere telepathische Verbindung nicht funktioniert.«

»Sie spielt keine Spielchen«, erwiderte Sophia unwirsch.

Rudolf wedelte mit dem Finger in der Luft. »Nein, nein, nein. Du bist hier.«

Sie zeigte auf die Rosen-Apotheke. »Ich bin hier, um mit Bep wegen des Rezepts für das Happily-Ever-After-College zu sprechen.«

»Ja, du musst dir den Stoff von der Tränkedame holen und wieder hierherkommen, bevor ich ihren Laden abreiße«, flüsterte Rudolf.

»Ihren Laden abreißen? Warum solltest du das tun?«

»Wir müssen expandieren, Baby!«

Sophia kniff für einen Moment die Augen zusammen. »Wenn du mich jemals wieder Baby nennst, werde ich meinen Drachen dazu bringen, dir jedes einzelne Haar vom Kopf zu brennen.«

Rudolf schrie plötzlich auf, wie ein Schulmädchen, das auf dem Spielplatz vom Klettergerüst fiel, während er nach seinen blonden Locken griff. »So bösartige Drohungen. Ist das denn nötig?«

»Wenn du auf Beschimpfungen bestehst«, entgegnete Sophia fest.

»Gut, keine Kosenamen mehr.« Er seufzte tief.

»Wir haben gerade erst diesen Laden eröffnet«, merkte Sophia an. »Wir brauchen jetzt nicht zu expandieren und tun es vielleicht auch nie. Die Rosen-Apotheke ist ein wichtiger Laden in der Roya Lane und wir werden Bep nicht aus dem Geschäft drängen. Außerdem, wer sollte das Elixier sonst herstellen?«

»In Ordnung«, willigte Rudolf ein. »Wir werden klein bleiben. Ich denke, es wird sowieso laufen. Irgendwie urig, wie eines dieser Grilllokale, mit nur ein paar Tischen, aber dem besten Essen der Stadt. Wenn nur ein paar Kunden im Laden sind, sieht es aus, als wäre er überfüllt und die Leute auf der Straße bleiben stehen, um zu sehen, was so beliebt ist.«

»Nun, wir verkaufen magische Pillen mit einem Elixier aus Dracheneierschalen, das viele Krankheiten heilt«, erläuterte Sophia.

Rudolf hob einen Finger. »Das Wichtigste ist, dass es vielleicht verhindert, dass die Magier aussterben, weil eure Rasse zu hässlich ist, um sich zu paaren.«

Sophia schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass das ein echtes Problem ist.«

»Nun, nicht für dich und deinen Lustknaben.« Rudolf legte den Kopf schief. »Bist du sicher, dass du kein Halbwesen bist? Vielleicht ist dein Freund Kyle auch einer und ihr habt Fae-Blut.«

»Ich bin ein hundertprozentiger Magier und er auch. Vergiss nicht, ich stamme aus einer der Gründerfamilien. Der Name meines Freundes ist Wilder.«

Der König zog eine Grimasse, als hätte er plötzlich Schmerzen. »Es ist schon schlimm genug, dass ich ihn ansehen muss. Ich dachte, es sei schwierig, hässliche Magier anzuschauen, aber der, nun ja, der könnte fast attraktiver sein als ich, was in meinem Königreich ein Vergehen der Klasse sieben ist und mit Gefängnis bestraft wird.«

»Ihr habt eine so zivile und gerechte Regierung«, meinte Sophia trocken.

»Und ich weigere mich, Kyle bei seinem richtigen Namen zu nennen.« Rudolf schüttelte den Kopf. »Er hat zu viele gute Seiten an sich. Ich wette, er hat einen Deal mit einem Kobold gemacht.«

»Hat er nicht.« Sophia spürte, wie ihre Geduld schwand.

»Sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt, wenn ein Kobold darauf besteht, dass du dein erstes Kind nach ihm benennst«, plauderte Rudolf. »Das wird die letzte Zahlung sein, die Kyle dem Kobold schuldet.«

»Danke für die Warnung, aber ich glaube, wir kommen schon klar.« Sophia zeigte auf den Laden. »Ist also alles vorbereitet? Sind wir wirklich im Geschäft?«

Rudolf winkte sie in den Laden. »Das sind wir. Die Geschäfte laufen großartig. Ich kann die Ware kaum in den Regalen halten.«

»Wow, es geht schon damit los, dass wir ausverkauft sind?«, fragte Sophia.

Er schüttelte den Kopf und sah sie über seine Schulter an. »Nein, mir ist in letzter Zeit furchtbar schwindlig und ich stoße immer wieder an Dinge. Wie ich schon sagte, der Laden ist klein.«

Sophia wusste nicht, was Rudolf mit ›klein‹ meinte, denn der glänzende neue Laden war groß genug, um das einzige Produkt, das sie verkauften, auszustellen. In dem etwa tausend Quadratmeter großen Laden standen reihenweise schillernde Flaschen mit den Heals Pills. Die Etiketten waren modern und kunstvoll gestaltet. Alles in dem Laden war optisch ansprechend.

»Das sieht toll aus, Rudolf. Super Arbeit.«

Er strahlte, blickte sich aber um. »Ja, ist schon okay.«

Sophia schaute den Fae an. »Warum ist dir schwindlig? Vielleicht solltest du etwas von dem Elixier probieren?«

Rudolf schüttelte den Kopf. »Nein, man soll nicht an die eigenen Vorräte gehen. Hast du das nicht gehört?« Er winkte mit der Hand. »Es ist in Ordnung. Das geht vorbei. Ich bekomme alle paar Jahrhunderte diesen Zauber. Normalerweise hat er mit etwas Unbedeutendem zu tun, wie einem echten Kampf um die Vorherrschaft in der Welt. Das letzte Mal hatte ich ihn kurz vor dem Großen Krieg. Als die bösen Magier das Haus der Vierzehn übernahmen, es in das Haus der Sieben verwandelten und dafür sorgten, dass die Sterblichen die Magie vergaßen und die Drachenelite scheinbar wirkungslos war, verschwand der Schwindel wie von selbst.«

Sophia senkte ihr Kinn und betrachtete Rudolf aus zusammengekniffenen Augen. »Das hört sich nicht sehr unbedeutend an.«

»Nun, für mich war es das, weil es keinen Einfluss auf mein Leben hatte, aber meine enge Verbindung zum Gleichgewicht der Magie und der Welt im Allgemeinen macht mich für solche Dinge sensibel.«

Sophia seufzte lautstark und kämpfte stark gegen den Dran an, dass sich ihre Hände um den Hals des Fae legten. »Keinen Einfluss? Du hast vergessen, dass auch Sterbliche Magie sehen können und dass das Haus einst vierzehn Gründerfamilien hatte. Der Große Krieg hat alles für alle für Jahrhunderte verändert.«

Er zuckte mit den Schultern. »Ehrlich gesagt, war das meiste davon verschwommen. Die Fae schalten ab, wenn es Krieg gibt. Bei uns dreht sich alles um Liebe, wenn du weißt, was ich meine.«

»Das tue ich, weil du es klar und deutlich ausgesprochen hast.« Sophia dachte einen Moment lang über das nach, was Rudolf gesagt hatte. »Willst du damit sagen, dass es zu einem Machtkampf kommen könnte? Wie ein neuer Krieg?«

»Ganz bestimmt!«, rief er aus. »Ich habe Mitleid mit demjenigen, der gerade die Welt regiert, denn er wird Ärger bekommen.«

Sophias Finger zuckten wieder mit dem Wunsch, den Fae anzugreifen. »Die herrschende Autorität wäre die Drachenelite.«

Rudolf pfiff durch seine Zähne und schüttelte den Kopf. »Tja, tut mir leid für sie. Jetzt wird es kompliziert.«

»Ich gehöre zur Drachenelite«, erklärte Sophia, als sich ihre Stimme erhob.

»Oh!«, zwitscherte er. »Weißt du, es ist noch nicht zu spät, um zu kündigen. Ich suche jemanden, der hier die Kasse übernimmt. Du kannst das in Vollzeit machen und die Sache mit dem Drachenreiten vergessen.«

»Die Sache ist, dass ich das nicht kann, weil ich für Gerechtigkeit stehe. Und wenn jemand versucht, uns zu Fall zu bringen, dann muss ich die Drachenelite und unsere Mission verteidigen.«

Rudolf nickte und schob einige der Produkte im Regal zurecht. »Frage. Wird dieses selbstgerechte Retten der Welt jemals langweilig?«

»Es ist anstrengend«, antwortete Sophia. »Aber nein, das ist es, was die Drachenelite im Kern ausmacht. Diese herausfordernde Kraft ist übrigens unser Schattenselbst, die Halunkenreiter.«

»Oh, ich habe auch ein Schatten-Ich«, erzählte Rudolf. »Sie nimmt mir alles und wird zweifellos mein Tod sein, aber du weißt ja, was man sagt: ›Halte dir deine Freunde nahe und heirate deine Feinde.‹«

»Das sagt niemand.« Sophia ging auf die Tür zu. »Ich muss zu Bep wegen des Heilmittels für das Happily-Ever-After-College. Gute Arbeit mit dem Laden. Er ist überraschenderweise beeindruckend. Ich hatte erwartet, dass du es irgendwie vermasseln würdest oder sogar auf mehrere Arten.«

»Danke, Soph. Viel Glück dabei, dass du deine Autorität nicht verlierst. Wenn du den brutalen Krieg, der sich zusammenbraut, überlebst, dann lass uns zu Mittag essen.«

Sophia winkte dem Fae über die Schulter zu und wünschte sich für einen kurzen Moment, dass der Krieg, der auf sie zukam, sie mitnehmen würde, wenn sie dafür nicht mit ihm essen müsste. Sie lachte über diesen Gedanken und versuchte, alle Ängste zu unterdrücken, die mit dem zu tun hatten, was die Halunkenreiter für die Drachenelite auf Lager haben könnten. Was auch immer es war, sie konnte nicht zulassen, dass sie damit durchkamen. Sie musste sie aufhalten und das fing damit an, das Happily-Ever-After-College zu reparieren, damit sie sich danach der Barriere der Halunkenreiter widmen konnte.