W illst du, dass ich dich umbringe?«, flüsterte Lee drohend, als Sophia die Bäckerei betrat.
Sie hatte eine Nachricht von der Bäckermörderin erhalten, dass das falsche Dessert fertig war. Das Timing war perfekt, denn sie wollte unbedingt das Happily-Ever-After-College reparieren und die Informationen erhalten, die sie über die Halunkenreiter brauchte. Die Gemüter waren erhitzt und die Bedrohungslage angespannt.
Um nicht den gleichen Fehler wie zuvor zu begehen, trug Sophia eine Verkleidung, als sie durch das Portal in die Roya Lane schlüpfte. Diese legte sie ab, als sie die Bäckerei Zur heulenden Katze betrat und verwirrte Blicke von Lee und König Rudolf Sweetwater erntete.
Die beiden saßen an einem Ecktisch, mit einem Stapel Dokumente zwischen ihnen und einem bedrohlich wirkenden Brotmesser, als wollte Lee den Stapel Papiere in zwei Hälften sägen – oder Rudolf. Anhand des verärgerten Gesichtsausdrucks von Lee könnte es so oder so ausgehen.
Sowohl die Miene der Bäckermörderin als auch die von Rudolf veränderte sich, als Sophia die Verkleidung abnahm, die sie wie einen alten Zauberer aussehen ließ.
»Oh, gut, du bist es.« Lee wirkte erleichtert. »Wenn du ein Kunde wärst, würde ich das Messer nach dir werfen.«
»Und es ist tatsächlich ein Wunder, dass die Bäckerei immer leer ist«, meinte Sophia trocken.
»Nein, ist es nicht«, antwortete Lee. »Ich bedrohe jeden, der durch die Tür kommt. Sie sagen immer: ›Ich brauche ein Gebäck.‹, ›Mach mir einen Kaffee.‹, ›Kannst du aufhören, mich zu würgen?‹ Die Antworten lauten gleich: ›Nein, nein und nein.‹«
Rudolf klopfte auf den Tisch zwischen ihnen und lächelte unsicher. »Du verstehst schon, dass es bei dir ums Geldverdienen geht, oder?«
»Nein, ich habe diese Bäckerei eröffnet, weil ich gerne Kuchen backe, ihn auch gerne esse und von der Steuer absetzen kann.« Lee zeigte nach hinten. »Cat ist diejenige, die will, dass ich Geld verdiene, aber nur, weil sie Alkohol und Zigaretten braucht, also haben wir einen Kompromiss geschlossen. Ich verdiene genug, um ihre und meine Sucht zu stillen. Jeder, der durch diese Tür kommt, nachdem wir unsere Gewinnspanne erreicht haben, wird zerteilt.«
Rudolf atmete aus, als ob dieses Gespräch seine Geduld strapazierte. Es war an der Zeit, dass er ihren Schmerz auch einmal spürte , überlegte Sophia im Stillen. »Die Sache ist die, dass ich mit der neuen Investitionsmöglichkeit, die du mir mitgebracht hast, gerne Geld verdienen würde, also müssen wir herausfinden, wie wir deine Arbeitsmoral zügeln können, damit das klappt.«
»Ich bin bereit, nichts anderes zu tun, als mein überragendes Fachwissen zur Verfügung zu stellen, um in unregelmäßigen Abständen Probleme mit der Wasserversorgung zu beheben, das heißt, wenn es keine neue Serie auf Netflix gibt, die ich sehen möchte«, erklärte Lee.
Rudolf nickte. »Damit kann ich arbeiten.« Er tippte auf das Papier, das vor Lee lag. »Ich habe einen vollständigen Businessplan entworfen, der dich nur dazu verpflichtet, als Berater Lösungen für Wasserverschmutzungsprobleme zu finden. Ich werde alle Anfragen von Hand filtern und habe staatliche Zuschüsse beantragt, die es verarmten Ländern ermöglichen, uns für unsere Dienste viel Geld zu zahlen. Wenn du mit meinen Bedingungen einverstanden bist, musst du nur noch unterschreiben und wir sind im Geschäft.«
Lee studierte das Dokument und schaute Sophia dann ungläubig an. »Wer ist diese Person und was hast du mit König Rudolf Sweetwater gemacht?«
Sophia lachte und nickte. »Ich habe es dir gesagt. Es ist bizarr. Er kann seine Schuhe nicht selbst binden und muss deshalb Slipper tragen, könnte aber in Harvard Wirtschaftskurse geben.«
»Nicht, dass ich das wollen würde«, erklärte Rudolf süffisant.
»Du würdest nicht in Harvard unterrichten wollen?«, forderte Lee ihn heraus.
Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich möchte keine Slipper und Krawatte tragen. Was ist das Harvard? Eine Art Indoor-Spielcenter?«
»So ähnlich«, scherzte Sophia. »Wie auch immer, wenn ihr einen Moment unterbrechen könntet, ich bin hier, um das falsche Dessert zu holen, das du mit den besonderen Zutaten gemacht hast.«
Lee gestikulierte zu einer großen, blauen Schachtel mit durchsichtigem Deckel, die mit einer noch größeren Schleife auf dem Tresen stand. »Da steht es. Du schuldest mir jede Menge Lob, einen Gefallen, wann immer ich will, Tag oder Nacht und eine ›Du kommst aus dem Gefängnis frei‹-Karte aus dem Haus der Vierzehn.«
»Erstens bist du ziemlich klasse und das ist auch schon alles, was du an Lob bekommen wirst.« Sophia warf einen Blick auf das falsche Dessert. Es sah genauso aus wie ein Cheeseburger mit gebratenen Zwiebeln und knackigem grünen Salat. Dazu gab es perfekt gebratene Pommes frites und sie konnte sogar den Duft der herzhaften Köstlichkeiten riechen. Er erinnerte tatsächlich an einen saftigen Burger.
»Okay, genug geschwärmt.« Lee warf ihr einen tadelnden Blick zu. »Wenn du so weitermachst, wird Cat dir den Hals umdrehen, weil du mich angemacht hast.«
»Zweitens arbeite ich nicht für das Haus der Vierzehn und kann dir keine Immunität bei magischen Gesetzen garantieren, die du brichst. Aber wenn du gegen sterbliche Gesetze verstößt, werde ich wegsehen, solange du dein Bestes tust, um die Details vor mir zu verbergen.«
»Abgemacht!«, bestätigte Lee siegessicher. »Was auch immer du tust, schau nie unter die Eastside Bridge bei Kensington.«
»Warum?« Rudolf hob seine Tasse Tee an, den kleinen Finger würdevoll in die Luft gestreckt.
»Weil ich dort die Leichen vergrabe, obwohl es keine Hinweise darauf gibt, dass sie mir gehören«, belehrte Lee. »Dafür müsste man die Mordwaffen finden, auf denen meine Fingerabdrücke sind, aber ich sage niemandem, wo sie sind.«
»Gut, dann sind wir uns einig.« Sophia klemmte den Behälter mit dem falschen Dessert unter einen Arm, während sie zur Tür ging. Sie dachte daran, ihre Verkleidung wieder anzulegen, bevor sie ging. Als sie die Bäckerei gerade verlassen wollte, sah Sophia in der gegenüberliegenden Ecke einen großen Karton. In schwarzen Buchstaben stand darauf geschrieben: ›Mordwaffen – Finger weg!‹
Sophia stöhnte und tat so, als hätte sie das nicht gesehen. »Oh und was den Gefallen angeht, Lee. Du kannst mich jederzeit anrufen.«
»Danke!«, zwitscherte Lee. »Ich wollte dich gerade fragen …«
»Nun, ich muss los«, unterbrach Sophia sie und flitzte durch die Tür in die Roya Lane hinaus, nachdem sie den beiden kurz zugewinkt hatte.