Kapitel 42

A n dem Brückenübergang, den Sophia suchte, saß ein Gnom auf einem Baumstumpf und hatte eine Laterne auf einem Tisch neben sich stehen.

Das war so unerwartet, dass Sophias Herz schneller schlug. Sie hatte mit einem Dämon, einem wütenden Troll oder einer besessenen Hexe gerechnet, aber der Gnom hatte einen freundlichen Gesichtsausdruck, der Sophia mehr beunruhigte, als wenn er ihr böse ins Gesicht geschaut hätte. Das Ganze kam ihr wie ein Trick vor und sie reagierte sofort paranoid.

»Hey«, begrüßte sie den Gnom, der wie sie eine Trappermütze trug, die den größten Teil seines Kopfes verdeckte. Ein dicker Pelzmantel hüllte ihn ein und seine rosigen Wangen erinnerten sie an Quiet, wenn er vor dem Frühstück von seiner morgendlichen Arbeit nach Hause kam.

»Hey.« Er winkte ihr zu.

Sie sah keinen Grund, den Gnom zu stören, also ging sie einfach um ihn herum und war dankbar, dass der Wald auf der anderen Seite der Brücke lichter wurde. Der Weg sah jedoch so aus, als sollte er plötzlich steil ansteigen, also müsste sie wahrscheinlich zur Virgohöhle hinaufklettern.

Als sie gerade einen Fuß auf das Bauwerk setzen wollte, das die rauschenden kalten Stromschnellen unter ihr überquerte, stieß ihr Stiefel an eine unsichtbare Wand. Es war, als versuchte sie, die Barriere zu überwinden, die die Halunkenreiter errichtet hatten. Plötzlich fragte sie sich, ob es einen weiteren Seelenstein gab, den sie brauchte, um zu der Höhle mit den anderen Seelensteinen zu gelangen. Das erschien ihr verwirrend.

Sophia holte mit ihrem Fuß vorsichtig aus und trat leicht dagegen. Sie stellte fest, dass es eine Wand gab, die sie nicht passieren konnte, um auf die Brücke zu gelangen.

Sie schaute auf das Wasser hinunter und überlegte einen Moment lang, ob sie eine weniger konventionelle Art der Überquerung versuchen sollte. Doch die Entfernung zwischen den Ufern betrug mindestens zwanzig Meter und das Wasser war zweifellos eiskalt. Selbst wenn sie Magie einsetzte, ging sie dabei ein tödliches Risiko ein.

Schließlich wurde ihr klar, dass sie sich an die einzige Person wenden musste, die eine Lösung anbieten konnte. Sie drehte sich um und schaute den Gnom an, der den bis auf die Laterne leeren Tisch mit leichtem Interesse betrachtete.

»Entschuldigung«, begann Sophia und zeigte auf die Brücke. »Kennst du den Trick, um rüberzukommen?«

»Ja.« Gnom schlug mit seiner kleinen Faust auf den Tisch.

»Kannst du mir sagen, welcher es ist?«, fragte Sophia. »Ich muss auf die andere Seite kommen. Muss ich gegen ein Monster kämpfen oder ein Rätsel lösen? Ich tue alles, was nötig ist.«

»Das ist gut zu hören, denn es wird dir große Anstrengung abverlangen«, erklärte der Gnom. »Aber nein, es besteht keine Gefahr, außer für deine Organe.«

Sophia blinzelte ihn verwirrt an. »Was sagst du da?«

Der Gnom streckte seinen Arm über den Tisch und eine Flasche Wodka und zwei Schnapsgläser erschienen. »Du musst mich unter den Tisch trinken. Wenn du das schaffst und immer noch stehst, kannst du die Brücke überqueren – na ja, wenn du noch laufen kannst.«