Kapitel 46

D ie Sonne wollte sie offensichtlich ermutigen, denn sie schien auf das Hochland herab und bot einen wunderschönen Oktoberhimmel. Es war neu, Liv und ihren Mann Stefan in Gullington zu sehen, aber die beiden hatten zugestimmt, sich für die bevorstehende Mission anzuschließen, was ihnen mit Quiets Erlaubnis den Zutritt zum Gelände der Drachenelite erlaubte.

Sophia hätte Liv und Stefan gebeten, die Distel zu pflücken, aber da sie beide Krieger für das Haus der Vierzehn waren, ließen ihre Terminkalender nicht wirklich die Möglichkeit zu, in den schottischen Highlands herumzuspazieren und Unkraut zu pflücken. Aber sowohl Liv als auch Stefan hatten ihren Terminkalender für diese Mission freigeschaufelt. Sie wussten beide, dass es für die gesamte magische Welt noch schwieriger wurde, wenn die Halunkenreiter nicht in die Schranken gewiesen wurden. Sie hatten schon so viele Probleme mit ihren gnadenlosen Methoden verursacht.

Und natürlich wollte Liv ihrer Schwester helfen. Stefan auch.

Beide konnten dies als Angelegenheit des Hauses der Vierzehn abtun, weil es dazu beitrug, die Heimat der Elfen wiederherzustellen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fiel. Es war immer noch eigenartig, dass Liv neben Sophia stand und alle darauf warteten, dass Hiker zu ihnen sprach. Aber sie arbeitete für die Drachenelite und durfte sich deshalb innerhalb ihrer Grenzen aufhalten, genauso wie Stefan. Sein tiefschwarzes Haar war zurückgekämmt, der Kragen seines Umhangs hochgezogen, um ihn vor dem schottischen Wind zu schützen, obwohl dieser ihm wahrscheinlich nichts ausmachen dürfte.

Sophia warf ihrer Schwester einen Blick zu und widerstand dem Drang zu lächeln. Sie wollten das tun. Alle zusammen. Sie waren hinter den Halunkenreitern her und würden sie von dort vertreiben, wo sie nicht hingehörten. Sophia hoffte, dass es nicht das Ausmaß dessen annehmen würde, was Tanner passierte, aber was auch immer nötig war, um die Erde zu schützen, musste in Kauf genommen werden.

Alle Mitglieder der Drachenelite stellten sich mit den Händen auf dem Rücken und hocherhobenem Kinn auf und warteten auf ihren geschätzten Anführer. Neben ihnen standen die Kriegerin und Krieger des Hauses der Vierzehn, weniger stoisch, aber immer noch respektvoll, um den Kampf vorzubereiten. Neben den Reitern standen ihre Drachen.

Als Sophia einen Blick auf Hiker erhaschte, der von der Burg heruntereilte, wäre sie fast erschrocken. Sie hatte nicht erwartet, dass er eine Rüstung trug, aber er sah so aus, als wollte er sich ihnen anschließen. Noch überraschender war, dass Ainsley neben ihm ging, ohne eines ihrer üblichen Gewänder zu tragen. Stattdessen trug sie eine Hose und ein gepanzertes Oberteil, ihr Kinn hocherhoben.

Sie marschierten an diesem Tag alle in die Schlacht. Gemeinsam. Es war unwirklich. Fantastisch. Beängstigend – alles zur gleichen Zeit.

Hiker hielt inne, als er vor Sophia stand und streckte ihr wortlos seine große Hand hin. Da sie wusste, was er wollte, drückte sie ihm den kleinen Beutel mit Seelensteinen in die Hand. Er nickte anerkennend und verteilte dann einen Seelenstein an jede Person, die dort war.

»Wir sind dabei, eine Grenze in ein Land zu überschreiten, in dem wir nicht willkommen sind«, begann Hiker, während er Wilder, Mahkah und Evan einen Seelenstein überreichte und weitermarschierte. »Aber dieses Land gehört nicht den Halunkenreitern. Sie haben es gestohlen – es gehörte schon immer, seit den Anfängen des Elfenvolkes, den Elfen. Deshalb müssen wir es ihnen unbedingt zurückgeben, mit allen Mitteln.«

Hiker hielt vor Liv inne und reichte ihr einen einzelnen Seelenstein. »Wir wollen nicht töten, aber wenn es von uns gefordert wird, werden wir es tun.«

Liv nickte und nahm den Stein.

»Ich werde den Anführer ansprechen und ihm sagen, dass wir die Autorität darstellen und ihn in seine Schranken weisen.« Hiker gab Stefan einen Seelenstein. »Die Halunkenreiter sind zu weit gegangen. Sie sind eine junge Gemeinschaft, die zu schnell aus ihren Windeln herausgewachsen ist, aber heute bringen wir das alles in Ordnung. Heute zeigen wir ihnen, wer das Sagen hat und wo sie auf diesem Planeten stehen. Es ist unsere Erde, wir beschützen sie und lassen solche Respektlosigkeiten nicht zu.«

Hiker wandte sich an Ainsley und reichte ihr den letzten Seelenstein. »Hoffentlich schaffen wir heute eine friedliche Lösung für die Probleme. Aber wenn nicht, werden wir die Halunkenreiter von dort vertreiben, wo sie nicht hingehören, ihnen eine Lektion erteilen und die Elfen in ihre Heimat zurückbringen. Ich glaube, wir alle wissen, dass es das Schlimmste ist, wenn uns unsere Heimat genommen wird.«

Alle nickten, viele von ihnen blickten über das Gelände – die Herbstfarben leuchteten von den Bäumen.

»Passt auf euch auf, meine Reiter.« Hiker schritt mit Ainsley an seiner Seite zu Bell. »Auch auf diejenigen, die sich uns anschließen.« Er drehte sich um und sah Liv und Stefan an. »Ich danke euch. Dieser Krieg ist unser Krieg, aber sein Ende wird allen zugutekommen.«

Die beiden Krieger nickten im Gegenzug.

Hiker drehte sich schnell um und bestieg den roten Drachen. Ainsley folgte ihm und setzte sich direkt hinter ihn. Sophia schritt zu Lunis, der neben Simi stand und war bereit, auf ihren Drachen zu steigen.

»Ich treffe dich auf der anderen Seite, Soph.« Liv machte sich auf den Weg zur Barriere, wo sie ein Portal zur Insel schaffen würde.

Sophia nickte. »Danke. Weißt du, was du tun sollst? Wie wir es besprochen haben?«

Liv zwinkerte ihr über die Schulter zu. »Das ist nicht mein erstes Rodeo. Ich erinnere mich an den Plan. Mach dir keine Sorgen. Stef und ich machen das schon!«

Sophia lächelte und war dankbar, die Hilfe ihrer Schwester zu haben. Sie wollte gerade auf Lunis steigen, als sie von hinten unterbrochen wurde. Jemand rief von der Burg aus nach ihr. Sophia drehte sich um und sah Trin in ihre Richtung rennen. Sie hielt etwas hoch.

Sophia hielt inne und ging dann zu der Cyborg hinüber. »Was ist los?«

»Ich habe ein weiteres Stück des Schlüssels gefunden.« Trin schaute Sophia über die Schulter. Ihr Blick blieb an Evan hängen, bevor er zu Sophia zurückhuschte.

»Das ist großartig!«, rief Sophia aus. »Also nur noch eines.«

Trin nickte. »Ich werde nachsehen, während du weg bist. Pass auf dich auf, Sophia und komm heil zurück.« Mit einem untypischen Ausdruck der Zuneigung legte die Haushälterin ihre Arme um Sophias Schultern und hielt sie fest. Sophia war so erschrocken über diese Geste, dass sie zunächst nicht wusste, was sie tun sollte, aber schließlich legte sie ihren Arm um Trin und spürte ihre Haut auf ihrem Rücken ebenso wie das Metall.

»Danke«, flüsterte Sophia.

Trin zog sich zurück und warf ihr einen bedeutungsvollen Blick zu. »Passt auf euch gegenseitig auf. Lasst nicht zu, dass einem von euch etwas zustößt.« In Trins Augen lag Überzeugung.

Sophia nahm das Metallstück des Schlüssels und lächelte. »Mach dir keine Sorgen. Das werden wir. Wenn wir zurückkommen, zieh dein Partykleid an, denn wir werden eine Halloweenparty feiern, aber ich koche, also mach dir nicht die Hände schmutzig. Es wird festlich und lustig werden.«

Das Lächeln, das Trins Gesicht zierte, verwandelte sie und ließ sie rein menschlich aussehen. »Das wäre großartig. Es ist schon lange her, dass ich auf einer richtigen Party war.«