Kapitel 28

„Kollege Frost, kommen Sie bitte in mein Büro!“

Jon Frost war gerade dabei, die Abteilung zu verlassen. Es war gleich 17 Uhr und er wollte noch zu Hause duschen, bevor er der Einladung zum Abendessen bei Freundin Sandra folgte. Das fehlte gerade noch. Wenn der Leiter des Landeskriminalamtes nach ihm rief, hieß das sicher Überstunden. Er klopfte an die offen stehende Tür.

„Herein!“

Die Stimme klang leicht heiser, war jedoch deutlich zu verstehen. Frost trat ein. Drinnen saß an seinem Schreibtisch Oberkriminalrat Rolf Jensen und davor eine junge Frau mit lockigem Haar.

„Schön, komm näher. Darf ich dir vorstellen: Das ist die junge Kommissarin Julia Sinn-Brinkhaus. Ihr neuer Chef, Hauptkommissar Jon Frost.“

Frost war etwas überrascht und zeigte es auch. Er hatte eher mit weiterer Ermittlungstätigkeit zum aktuellen Erpressungsfall gerechnet.

Die junge Frau hielt ihm die Hand hin und er schlug ein.

„Ja, Herr Hauptkommissar, Sie wundern sich sicher. Aber ich bin seit heute Teil Ihres Teams.“

Jensen sperrte den Mund auf, wahrscheinlich hatte die neue Kommissarin ihn gerade um seine Erklärung gebracht. Doch er ließ die junge Frau reden.

„Ich war im letzten Jahr als Anwärterin hier bei der Mordkommission. Nun habe ich mein Studium abgeschlossen und wurde zur Kommissarin ernannt. Sandra Holz, Ihre Vorgängerin, hat das alles eingetütet. Sie hat mir auch gute Leistungen bescheinigt. Ich bin etwas enttäuscht, dass sie nicht mehr Leiterin der Mordkommission ist.“

Frost hatte nicht alles verstanden. In Gedanken schaute er auf die Uhr, die über Jensen hing. Langsam wurde es zeitlich eng und er freute sich sehr, Sandra endlich wieder in den Arm nehmen zu können. Er überging die Anspielung auf seine Nachfolge und machte Anstalten, das Büro verlassen zu wollen.

„Halt, Kollege, halt. Es ist hier Brauch, mit neuen Mitarbeitern anzustoßen. Ich habe ein Fläschchen Sekt vorbereitet!“ Der Leiter des Landeskriminalamts war aufgestanden und zu einem Schrank spaziert.

Nein, das fehlte noch, dann konnte er das Abendessen gleich vergessen. Frost wollte sich gerade ärgern, als die neue Kollegin erklärte: „Tut mir leid, Herr Oberkriminalrat, ich trinke keinen Alkohol. Mein Freund steht unten vor dem Polizeipräsidium. Bevor die Kollegen ihn festnehmen, würde ich mich verabschieden wollen.“ Sie schaute selbstsicher auf den leicht perplexen Jensen.

„Danke für Ihr Verständnis, meine Herren!“ Schon stand Kommissarin Sinn-Brinkhaus an der Tür. Frost nutzte die Gelegenheit und hechtete der Frau regelrecht hinterher.

„Wir sehen uns morgen, Herr Oberkriminalrat!“

Und beide Ermittler waren augenblicklich aus Jensens Büro verschwunden.