Die Geschichte der
17-jährigen Stefanie Andres

Ich weiß nicht, wann es angefangen hat. Manchmal glaube ich, es kam über Nacht. Gestern, als ich zu Bett ging, war ich noch ein braves Kind und am Morgen eine pubertierende Göre. Zumindest erklärte mir Mama das eines Tages. Ich hatte gerade meinen 15. Geburtstag gefeiert. Zusammen mit einigen Klassenkameradinnen. Jungs waren noch nicht. Sicher, ich schaute mal hin und flüsterte über den einen oder anderen gut aussehenden Mitschüler. Meine Blicke galten jedoch überwiegend den Älteren. Den Jungs der Klassen über mir. Ich besuchte damals, im August 1994, die Ganztagsschule St. Pauli an der Friedrichstraße. Ich war keine Streberin. Nicht, dass wir uns falsch verstehen, ich war auch nicht dumm. Ich dümpelte irgendwo dazwischen. Zwischen Genie und Wahnsinn. Das trifft es genau. Während meine Freundinnen schon die ersten Büstenhalter trugen und mit kurzen Röckchen bei den Jungen Bewunderung auslösten, zog ich provokativ Jeanshose und Jeansjacke vor. Mein Vater war ein hohes Tier bei der Polizei. Hin und wieder hat mir dieser Umstand etwas genutzt. Sie flüsterten hinter meinem Rücken: Der Alte von Stefanie ist Polizist. Mir selbst war es wurscht. Auch ein Vater, der die Mülleimer leerte, wäre mir recht gewesen. Wenn er sich denn um seine Familie gekümmert hätte. Aber ich hatte von meinem Vater wenig bis nichts. Immer war er in Sachen Welt retten unterwegs. Nur zwischen Koffer einpacken und Koffer auspacken gab es ein Küsschen; zusätzlich einen Heiermann zum Taschengeld. Manchmal, wenn ich zurückdenke, erinnere ich mich an keinen Abend, bei dem ich gemeinsam mit Papa und Mama auf der Couch gesessen und zusammen TV-Shows angeschaut habe. Formate wie Wetten, dass ...? , Familienduell oder die 100.000-Mark-Show mit Ulla Kock am Brink schaute ich stets nur mit Mama oder mit einem bezahlten Kindermädchen.

Sicher ging es anderen schlimmer. Eine meiner Schulkameradinnen hatte ihre Eltern bei einem Unfall verloren und wohnte bei der 70-jährigen Großmutter. Ich habe sie mal besucht. Ganz schön trostlos. Drei Zimmer, eines davon ihres. Oma schlief auf der Couch. Ja, St. Pauli war nicht Blankenese. Obwohl der Stadtteil am gleichen Fluss lag. Nach dem Besuch war ich wieder einige Tage geheilt und froh darüber, wie gut es mir doch ging.

Mein Heimweg von der Schule war kurz. Innerhalb weniger Hundert Meter stand ich vor unserer Wohnung. Ich machte zunächst brav meine Schularbeiten, spielte anschließend mit meiner Playstation, traf mich hin und wieder mit einer Klassenkameradin. Im gleichen Jahr wurde in unserer Nähe der Antonipark eröffnet. Vom Quartierpark hatte man einen super Blick auf die Elbe und den Hafen. Es gab einen Lese- und Ruhegarten, einen Boule-Platz, dazu Sitzstufen, auf denen wir Jugendlichen einfach abhängen konnten. Es war, als habe damals mit der Einweihung des Antoniparks auch die Stunde meiner Pubertät geschlagen. Ich war oft dort, sah alten Menschen zu, wie sie silberne Kugeln in den Sand warfen und sich dabei köstlich amüsierten. Warum amüsierten sich meine Eltern nicht? War Papa zu Hause, gab es zwischen ihm und Mama ständig Streit. Ich schloss mich dann im Zimmer ein, hörte laut die Songs von Rage Against The Machine. Das waren die Tage, in denen ich begann, mich ungerecht behandelt zu fühlen. In allem. Ich fühlte mich wie ein Prellbock. Ein Flummi, der zwischen den Elternteilen wortlos hin- und hergeschmissen wurde. In allem, was von Erwachsenen und hauptsächlich von meinen Eltern kam, sah ich eine Bedrohung. Dazu die andauernde Einschränkung meiner eh schon begrenzten Freiheiten. Das zeigte sich auch schnell in der Schule. Schon der Wechsel von der siebten in die achte Klasse im Jahr 1995 hing an einem seidenen Faden. Erst erklärte meine Lehrerin, Frau Pohlabeln, Mama bei einem Gespräch, das sei die Pubertät und wie schnell ich herausgewachsen sei. Aber wir drei zu Hause spürten, dass das Zusammenleben immer mehr Schwierigkeiten und Spannungen verursachte. Papa war, auf Bitte meiner Mutter, plötzlich öfters zu Hause anzutreffen. Er schimpfte viel, sperrte mich in mein Zimmer, entzog mir das Taschengeld und den knappen Ausgang. Dann flog er wieder irgendwohin zu einer Kriminaltagung. Ich schaffte es, Mama aufzuweichen. Ihre Nerven waren nicht die besten. Abends saß sie mit einer halb leeren Rotweinflasche und einer Packung Zigaretten auf unserer Terrasse und beachtete mich kaum. So, als habe sie abgeschlossen mit dem Thema Stefanie. Inzwischen benötigte ich auch einen Büstenhalter und nicht die kleinste Größe. Das führte dazu, dass immer mehr Jungs hinter mir herliefen und ihre Freundschaft anboten. Ich ertrug diese seltsamen Blicke auf meine Oberweite nicht. Fortan trug ich darüber eine pinke Lederjacke. Ich weiß noch, wie ich sie auf dem Flohmarkt Osterstraße entdeckte. Sie lag zwischen all den Jacken, Hosen und Shirts – wie eine hässliche Puppe, mit der keiner spielen wollte. Ein Spielzeug, das man nicht bemerkte, obwohl man andauernd darüber stolperte. Es war die stoff- bzw. ledergewordene Renitenz. Ich musste diese Jacke unbedingt besitzen. Als die Verkäuferin spürte, dass dieses Mädchen für das eigentlich unverkäufliche Teil brannte und sein Interesse geweckt war, wollte sie plötzlich eine überzogene Summe dafür. Letztendlich und nach einigem Feilschen zahlte ich 75 Mark dafür. Was war ich stolz! Mama war weniger erfreut. Ich höre noch ihre Worte, als ich den Aufzug in Richtung Küche verließ und sie mich erblickte: „Um Gottes willen, Kind, damit wird dich kein Hund mehr beißen!“ Sicher war sie vom Wein benebelt. Mir war es egal. Die pinke Lederjacke wurde zu meinem Markenzeichen. Ich spürte, ich war anders als die anderen, trug die Jacke nun fast Tag und Nacht. Schon Monate vorher hatte ich begonnen, Tagebuch zu führen. Als ich Mama darin lesend antraf, nahm ich es ihr ab. Ich versteckte es in unserem Schulspind. Ich schrieb in den Pausen oder auf dem Schulhof, während die Jungs um mich herum ihre Muskeln zeigten und auf dämliche Weise auf sich aufmerksam machten. Das war die Zeit, als sich meine Schulkameradinnen und Freundinnen von mir abwendeten. Sie spürten, die jungen Männer hatten plötzlich nur Blicke für mich. Spürten nicht, dass ihr Verlangen nur auf eines beschränkt war. Die Freundinnen wurden neidisch, eifersüchtig. Bald gingen sie mir aus dem Weg. Als mir drei Mädchen beim Park auflauerten und mir Schläge androhten, wurde mir bewusst, ich war alleine auf dieser Welt.

Dann trat Mike in mein Leben. Ich hatte ein Mädchen aus einer Klasse über mir kennengelernt. Svenja! Auch sie war kunterbunt gekleidet, saß oft auf dem Schulhof alleine herum. Sie sprach mich an und fragte, ob wir den Scheißunterricht, wie sie sagte, heute mal schwänzen wollten. Ich hatte Bock. Wir spazierten zusammen über die Reeperbahn. In den nächsten Wochen und Monaten nahm ich immer weniger am Schulunterricht teil. Da ich die Briefe der Schule schon beim Eintreffen in den Mülleimer warf, kam das erst nicht heraus.

Svenja und ich verlebten tolle Tage an der Alster und auf dem DOM. Wir trieben uns überall herum. Wir fuhren ohne Ausweise mit der Bahn bis Bremen, und erst als sie uns erwischten und der Polizist, der alles aufnahm, auf meinen Namen reagierte, wurde es eng. Papa wurde eingeschaltet. Wieder versprach er Mama, sich mehr zu kümmern. Aber auch er hatte genügend Ärger. Es schien in seinem Job nicht so gut zu laufen, obwohl er ein hoher Kriminalbeamter war. Herbst und Winter vergingen. Als das Frühjahr kam, war klar, ich würde nicht versetzt werden. In einer langen Nacht erzählte mir Papa, wie sehr er gehofft hatte, dass ich Ärztin oder Rechtsanwältin werden würde. Ich hörte ihm zu, doch meine Gedanken drehten sich nur um Mike.

Wir hatten Mike eines Nachts auf der Reeperbahn kennengelernt. Immer öfters verschwand ich, während Mama schon früh, vom Alkohol ermüdet, ins Bett fiel. So auch an diesem Abend. Wir lümmelten gegen 23 Uhr beim Madhouse auf der Reeperbahn rum. Der Klub war angesagt und alle Klassenkameradinnen schwärmten davon, obwohl sie ihn noch nicht mal von innen gesehen hatten. Svenja war schon mal drinnen. Ihr großer Bruder hatte sie an ihrem Geburtstag mal reingebracht. Sie erzählte von der lauten Musik, den tanzenden und schwitzenden Leibern. Dazu von einer Atmosphäre, die einen ablenke vom beschissenen Leben. Ich musste dort hinein. Das große Hindernis waren die Türsteher. Einer davon, ein großer Typ mit dunklen Locken, stand in dieser Nacht davor und putzte sich mit einem Zahnstocher die Fingernägel.

„Na, Mädels, seid ihr denn schon alt genug?“, fragte er grinsend, als wir näher traten. Der Hype auf den Klub startete offenbar erst gegen Mitternacht und noch war wenig los auf der Reeperbahn.

Svenja übernahm. Sie sah älter aus als sie war und suchte umständlich nach ihrem Ausweis – in der Hoffnung, der Typ würde uns durchwinken. Doch er ließ sie suchen, hatte nur Augen für mich.

„Meine Schöne, ein paar Jahre älter und ich würde dich noch heute zum Traualtar tragen“, schmeichelte er mir. Was mir auffiel, war, dass er nicht einmal auf meine Oberweite schielte. Die komplette Zeit über schaute er mir in die Augen. Sofort wusste ich, der ist es. Svenja fand natürlich keinen Ausweis, der passte, doch der Typ, der sich mir als Michi vorgestellt hatte, meinte: „Geht rein. Bis Mitternacht seid ihr meine Gäste. Sagt Mary an der Bar, die Getränke gehen auf mich. Aber wenn ihr raustorkelt, war das euer letzter Besuch, klar?“

Wir nickten dankbar und stürmten hinein. Es war genauso, wie sie es mir erzählt hatte: Laute Musik, dazu erfüllten bunte Lichter den Raum. Wir bestellten uns ein Bier und liefen anschließend zur Tanzfläche. Es war wie in einer anderen Welt. Wir hatten vollkommen die Zeit vergessen. Erst als Mike auftauchte und mich in den Arm nahm, erwachte ich aus diesem wunderschönen Traum.

„Ihr müsst jetzt raus, bald kommen die Bullen. Wie heißt du?“, fragte er mich.

„Stefanie!“

„Du bist keine Stefanie, du bist meine Fannie!“, grinste er und schob mich zärtlich nach draußen. So begann unsere Liebe. Vor dem Madhouse flüsterte er mir zu: „Ich habe oben mein Zimmer. Seitlich ist der Eingang. Wenn du mich wiedersehen möchtest, komme am späten Nachmittag her. Dann habe ich ausgeschlafen.“

Ich glaubte zu träumen. Auf dem Rückweg wollte Svenja unbedingt wissen, was er geflüstert hatte. Ich erklärte, der dämliche Typ sei sauer gewesen. Und habe Ärger bekommen, weil wir den Klub nicht zur geforderten Zeit verlassen haben. Sie nahm es mir ab. Es war das erste und letzte Mal, dass ich mich mit Svenja verabredete.

Am Abend des nächsten Tages traf ich Mike, so nannte ich ihn fortan, in seinem Zimmer. Die Bude war klein. Es gab nur ein Bett und ein Schränkchen. Darauf stand eine Kaffeemaschine und in der Ecke noch ein Kühlschrank. Die Toilette befand sich auf dem Flur. Doch es roch nach ihm, das reichte mir. Ich zog ein paar Mal an Mikes Joint. Er lachte sich kaputt über meine Unerfahrenheit. Wir redeten über Musik, über den vergangenen Sommer und was wir vom Leben noch alles erwarteten. Es war viel, doch wir beide waren uns bewusst, Wünsche gingen nicht so einfach in Erfüllung. Um 22 Uhr warf er mich hinaus. Er wollte unbedingt, dass ich weiter die Schule besuchte.

„Ich bin mit sechzehn während der Lehre vom elterlichen Bauernhof in Kempten abgehauen“, berichtete Mike. Erst habe er als Schiffsjunge, später hier als Rausschmeißer gejobbt. „Aber jetzt, mit fünfundzwanzig Jahren, weiß ich, das kann nicht alles sein!“ Mit einem Küsschen schob er mich raus auf die Große Freiheit.

Ich spürte, dass er mich begehrte. Mir ging es ebenso. Wir trafen uns von diesem Tag an, sooft es nur ging. Am Wochenende hatte Mike keine Zeit. Er arbeitete noch stundenweise beim Containerterminal. So hatten wir nur zwei bis maximal drei Abende in der Woche für uns. Oft fuhren wir in seinem kleinen Wagen nach Steinwerder. Dort kannte uns niemand und wir spazierten zur Werft oder zum Aussichtspunkt.

Eines Abends war es so weit und ich gab mich ihm hin. Er versprach, alles richtig zu machen, und er tat es. Bis auf das vergessene Kondom. Ich war körperlich ausgewachsen, hatte regelmäßig meine Tage, doch plötzlich blieben diese aus. Ich hatte viel gehört von anderen, die schwanger geworden waren. Ich war mir sicher, ich war es auch. Ich wusste aber auch, wenn ich Mike davon berichtete, bedeutete das Probleme. Papa und Mama durften von meiner Schwangerschaft zunächst nichts wissen.

Ich liebte dieses heranwachsende Leben sofort. Ich wünschte mir ein Mädchen. Nannte es Mika, wie Mike. Ich würde ihm als Erstes eine ganz kleine pinke Lederjacke schenken. Mein Körper veränderte sich. Alles, was sich tat, schrieb ich – vor Angst, entdeckt zu werden – nicht mehr in mein Tagebuch. Dafür bemalte ich voller Freude das Innenfutter meiner Lederjacke. Sie war wie eine zweite Haut. Ich legte die Jacke so gut wie nie ab, und da war so viel Platz, um meine Gefühle zu malen oder zu beschreiben. Um keine Hinweise zu geben, malte ich Baby Mika auf den Stoff. Doch Mama spürte meine Veränderung. Sie sagte mir auf den Kopf zu, dass ich schwanger sei. Ob es nur ein Zufallstreffer war oder ob sie die fehlenden Tampons vermisste, die ich sonst provokativ im Bad liegen gelassen hatte? Egal, sie rief Papa an. Schon am Abend verhörten mich beide in meinem Zimmer. Sie wollten wissen, wer der Vater sei und in welcher Woche ich mich befinde. Später sprach erst Mama allein mit mir, erzählte die aus der Bravo bekannten Sprüche wie: ,Du hast dein ganzes Leben noch vor dir‘. Und ,Ein Kind bedeutet große Verantwortung‘. Sie quatschte von Entbehrung und all dem Blödsinn. Als sie meinen gleichgültigen Blick bemerkte, rief sie meinen Vater. Der erzählte genau das Gleiche, nur drohte er mir noch dazu. Seine Worte waren hart, einem liebenden Vater nicht ähnlich. Ich weinte und schrie. Erst bat er mich um Einsicht. Dann forderte er mich auf, einer Abtreibung zuzustimmen. Ich lehnte ab und drehte mich zur Seite. Sie schlossen mich einige Tage in mein Zimmer ein, dann hatten sie mich weichgeklopft.

Die Fahrt in Papas Wagen zur Abtreibungsklinik hüllte sich für mich in grauen Nebel. Darin sah ich meine Tochter in ihrer pinken Lederjacke, wie sie erst nahe vor mir stand und sich später immer weiter entfernte. Ich gab auf Fragen der Abtreibungsärztin keinerlei Antwort. Hatte meinen Kopf zur Seite gelegt, ließ alles über mich ergehen. Ich spürte regelrecht, wie sie das kleine Lebewesen mit der pinken Lederjacke aus mir herauspulten, und weinte die nächsten Tage und Nächte durch. Nach einer Woche Isolation schaffte es Svenja, mich zu besuchen. Meine Eltern hatten mir eingetrichtert, nichts von der Abtreibung zu erzählen. Papa würde seinen Job verlieren, wir würden verarmen und so weiter. Ich glaubte, hin und wieder unten auf der Straße Mike gesehen zu haben, aber ich durfte auch den Rollladen nicht ganz öffnen.

Svenja gab an, mir Schulaufgaben bringen zu wollen. Sie hatte auch tatsächlich jede Menge Papier dabei, für Mama sah es wohl echt aus und sie ließ sie darum in mein Zimmer.

Ich verriet nichts von der abgebrochenen Schwangerschaft; bat sie nur, Mike aufzusuchen und ihn zu bitten, heute Abend um 21.30 Uhr beim Treffpunkt Alter Elbtunnel in Steinwerder auf mich zu warten. Ich musste ihm unbedingt erzählen, was vorgefallen war, und von unserer gemeinsamen Tochter berichten. Als sich Svenja verabschiedet hatte, schien Mama froh darüber zu sein, eine veränderte Tochter zu sehen. Ich schnulzte rum, erzählte meiner Mutter, dass alles, was sie getan hatten, ja nur für mein Bestes war. Sie schien beruhigt und glücklich. Ich schaffte es, gegen 21 Uhr unbemerkt das Haus zu verlassen. Mit dem Fahrrad fuhr ich durch die Röhre des Alten Elbtunnels, dann mit dem Lastenaufzug nach oben. Mike war nicht da. Ich wartete bis 22.30 Uhr. Endlich kam er. Er hatte am Tag zuvor einen Arbeitsunfall, berichtete er. Bei einer Schlägerei mit betrunkenen Touristen, die in den Klub wollten, erlitt er einen Nasenbeinbruch. Mit verbundenem
Gesicht und in sonderbarer Kleidung war er damals ausgebüxt. Aber er nahm mich endlich wieder in seinen Arm.

Es fiel mir schwer, ihm die Wahrheit über das Erlebte zu erzählen. Doch meine große Liebe hatte nur wenige Minuten, dann musste Mike zurück ins Krankenhaus. Ansonsten erwarteten ihn Probleme und auch die eigene Übernahme aller Kosten.

Ich berichtete ihm unter Tränen von der Abtreibung. Zusammen saßen wir auf der Mauer mit Blick auf die Lichter bei den Landungsbrücken und weinten. Dann wurde er zornig und verlangte, mit meinem Vater sprechen zu wollen. Ihn zur Rede zu stellen. Ich bat Mike inständig, das nicht zu tun. Erklärte, meine Eltern seien für mich gestorben und dass ich nie wieder dorthin zurückkehren wolle. Mike versicherte mir, ein Leben lang für mich sorgen zu wollen. Gemeinsam fuhren wir im Wagen zum Krankenhaus. Ich verbrachte die Nacht auf dem Rücksitz, während er im Krankenzimmer schlief. Am Morgen des nächsten Tages wurde Mike entlassen. Anschließend fuhren wir nach Bayern. Damals schaute ich noch zurück zur Elbe und den Hafen, der hinter uns immer kleiner wurde. Ich schwor mir, Hamburg und meine Eltern nie wiedersehen zu wollen. Und ich hielt mein Versprechen bis zum heutigen Tage.