Mit den Gedanken ist das ja so eine Sache. Da du schon von den Trampelpfaden im Gehirn gehört hast, weißt du, dass es sich immer die »Wege« sucht, die wir schon oft gegangen sind. Es sind die einfachsten. Dein Gehirn sucht sich also nicht automatisch die nettesten und wohlwollendsten Wege, sondern die, die schon ausgelatscht sind. Frei nach dem Motto: Das kenne ich schon, da kenne ich mich aus, das ist nichts Neues. Das Gehirn arbeitet möglichst ressourcenschonend. Es möchte so wenig Energie wie möglich verbrauchen. Und das bedeutet: Ein ausgetretener Trampelpfad ist einfacher zu begehen als ein Weg, den man noch nicht kennt. Und so denkt es gern Gedanken wieder, die es schon kennt.
Wenn wir nun aber schon lange mit Angst und Panik zu tun haben, sind natürlich die Wege am meisten ausgetreten, die mit Angst und Panik zu tun haben. Das heißt, unsere Gedanken gehen ganz automatisch in diese Richtung, wenn wir sie nicht bewusst in eine andere Richtung lenken. Vielfach beschäftigen wir uns den ganzen Tag mit sorgenvollen Gedanken, mit Befürchtungen, mit den schon bekannten Horrorszenarien. Und die Wege in unserem Gehirn werden noch ausgetretener und noch ausgetretener. Vielleicht kennst du das auch von dir selbst. Du kreist mit deinen Gedanken immer um dieselben Themen.
Wir haben uns so sehr mit der Angst identifiziert, dass wir uns gar nicht mehr vorstellen können, wer wir ohne Angst sind. Sie hat einen so großen Stellenwert in unserem Leben bekommen, weil wir alles rund um die Angst planen. Sie gehört ganz selbstverständlich einfach zu uns. Es »ist einfach so«, wir hinterfragen es nicht mehr und wir finden uns damit ab. Dies verhärtet aber natürlich die Symptomatik. Darum dürfen wir anfangen, uns wieder damit auseinanderzusetzen, wer wir eigentlich sind und wer wir eigentlich sein möchten.
Wer bist du noch außer der Angst?
Eine Frage, die manche Betroffene gar nicht mehr wirklich beantworten können. Darum ist es wichtig, sich damit zu befassen: Wer bist du eigentlich? Was sind deine Stärken? Was hast du früher gern gemacht, als du noch keine übermäßige Angst hattest? Was waren deine Ziele? Gibt es sie noch oder hast du sie wegen der Angst aufgegeben? Wovon träumst du? Was möchtest du noch erleben?
Wenn du in den letzten Monaten oder Jahren dein ganzes Leben nur mehr nach der Angst ausgerichtet hast, dann frag dich: Wer bin ich noch? Was gibt es da noch außerhalb meiner Angst?
Und klar, diese Gedanken können auch traurig machen. Wenn wir vieles wegen der Angst aufgegeben haben. Uns nicht mehr getraut haben. Einen konstanten Tunnelblick haben, der unser Leben wegen der Angst einschränkt. Aber genau darum möchte ich, dass du heute wieder größer und weiter denkst. Es gibt noch ein Leben außerhalb der Angst. Und wir dürfen uns daran erinnern, wer wir waren, als wir noch nicht so viel Angst hatten. Erinnere dich zurück. Erlaub dir diese Träume wieder. Und wenn ein sorgenfreies Leben schon so lange her ist oder du das Gefühl hast, nie eines gehabt zu haben, dann überleg dir, wie das Leben aussehen kann, das du gern haben möchtest. Denn wie du ja schon weißt, geht es darum, ein Ziel zu haben. Ohne Ziel irren wir herum und wundern uns, warum sich nichts verändert.
Und ja, die Veränderung klappt nicht von heute auf morgen. Aber wenn du dein Leben verändern und deine Ängste anpacken willst, dann geht es auch darum zu wissen, wofür. Wo soll die Reise hingehen? Also frag dich: Wer bist du noch außerhalb der Angst? Und wer möchtest du (wieder) werden? Mal dir dieses Bild detailgenau aus. Stell dir dich in Situationen vor, in denen du genau so bist, wie du sein möchtest.
Wenn wir ein starkes »Wofür« haben und wissen, warum wir gern in diese Richtung gehen wollen, finden wir leichter die Motivation und die Kraft, an unserem jetzigen Leben etwas zu ändern. Und eine Frage, die hierzu auch wichtig ist, ist die Frage, wie du deine Gedankenwelt umstrukturieren willst, damit sie zu deiner Idee deines neuen Lebens passt.
Kümmerst du dich um deinen Gedankengarten?
Stell dir deine Gedankenwelt wie einen Garten vor. Du kannst in diesem Garten Blumen oder Kräuter anpflanzen oder Sträucher oder Bäume. Du kannst deine Lieblingspflanzen ansetzen, mit denen du Freude hast. Du kannst diesen Garten pflegen und dich um ihn kümmern. Die Pflanzen brauchen deine Pflege, damit sie gedeihen können. Wenn du dich nicht ausreichend um sie kümmerst und sie verwahrlosen lässt, wird sich Unkraut in deinem Garten breitmachen. Es wird deinen Pflanzen das Wasser entziehen und bald über deine schönen Blumen wuchern. Die haben dann vielleicht keine Sonne mehr oder nicht genug Wasser und gehen ein. Verstehst du, was ich dir sagen möchte?
Welche Gedanken willst du in deiner Gedankenwelt pflanzen? Wie willst du deinen Gedankengarten pflegen? Mit welchen Themen beschäftigst du dich gedanklich? Tun dir diese Gedanken gut? Fühlen sich diese Gedanken gut an?
Falls nicht, dann grab den Gedankengarten um. Leg ihn neu an. Und sei dir bewusst, dass es Zeit braucht, bis die Pflanzen gedeihen. Und dass du dich ein Leben lang darum kümmern musst. Sortiere aus, was dir nicht guttut. Und pflanze Neues. Denn es ist das eine, daran zu arbeiten, keine Angstgedanken mehr haben zu wollen, aber das andere, was vielleicht viel wichtiger ist: sich zu fragen, was man eigentlich möchte.
Welche Gedanken möchte ich eigentlich haben? Welchen schönen Gedanken pflanze ich heute?
Wie du ja schon von mir gehört hast, wirken sich unsere Gedanken auf uns aus. Auf unseren Körper. Auf unsere Gefühle. Alle drei Bereiche können sich gegenseitig zu Angst aufschaukeln – oder eben nicht. Warum ich diesen Punkt so wichtig finde: Manchen Menschen ist gar nicht bewusst, mit wie viel Negativem sie sich den ganzen Tag beschäftigen, das ihnen Angst macht, und wie sich das auf sie auswirkt. Man hört vielleicht den ganzen Tag die Nachrichten im Radio. Spricht in der Pause mit einem Arbeitskollegen über ein dramatisches Weltgeschehen. Liest die Zeitung. Scrollt durch Social Media. Hält noch beim Heimkommen einen Plausch mit dem Nachbarn über irgendetwas »Schlimmes«. Kennst du das? Und wenn du mal in dich gehst: Wie viel davon bringt dir Freude? Stimmt dich zuversichtlich? Und gibt dir Hoffnung? Wie viele Themen haben in dir ein gutes Gefühl ausgelöst? Überprüfe das mal für dich. Und ändere es, wenn du das möchtest.
Merk dir das
Wenn wir uns den ganzen Tag mit der Angst beschäftigen, treten wir die Trampelpfade der Angst in unserem Gehirn immer weiter aus. Die Angst bekommt einen immer leichteren Zugang und viel Platz in unserem Leben. Wenn wir neue Wege gehen möchten, dürfen wir uns fragen, wo wir eigentlich hinmöchten. Beschäftige dich damit, welche Gedanken du pflanzen möchtest und welche Dinge du in deinem Leben haben und tun möchtest. Und dann kümmere dich um diese Pflänzchen. Sie brauchen deine Aufmerksamkeit. Sonst verkümmern sie. Übernimm ab heute wieder du das Gärtnern in deiner Gedankenwelt. Unkraut wächst sonst unheimlich schnell.
Nimm dir diesen Gedanken mit
Probiere das aus
Im Alltag rutschen wir leider viel zu schnell in altgewohnte Muster. Welche Erinnerung kannst du dir setzen, um dich liebevoll darauf aufmerksam zu machen, wer du noch bist außer der Angst und welche Gedanken du pflanzen willst? Eine Postkarte auf deinem Kühlschrank mit einem beruhigenden Wort? Ein Bildschirmhintergrund auf dem Handy mit einem Spruch, der dir gefällt? Ein Foto eines glücklichen Moments auf deinem Spiegel? Ein Armkettchen, das dich daran erinnert, was für dich zählt?