Tool #21: Frieden mit deiner Angst: Radikale Akzeptanz

Du hast von mir schon einiges zu Akzeptanz gehört und dass wir lernen dürfen, alle Gefühle, alle Empfindungen und alle Gedanken da sein zu lassen. Dadurch nehmen wir ihnen die Macht. Und wie ich auch schon öfter erwähnt habe, ist dies eine riesige Herausforderung für die meisten. Da wir uns jahrelang dagegen gewehrt haben und denken, Akzeptanz würde bedeuten, wir geben auf. Das ist aber nicht so. Akzeptanz ist aus meiner Sicht einer der wichtigsten Schlüssel bei der Bewältigung von Ängsten. Und es bedeutet keinesfalls aufgeben. Es bedeutet, so stark zu sein, dass man mit allem umgehen kann. Egal, was kommt. Weil man es akzeptiert.

Viele Menschen, die unter Angst und Panik leiden, haben Angst davor, verrückt zu werden. Weil diese Gefühle manchmal so übermächtig sind und sie mitreißen. Viele haben Angst davor, die Kontrolle zu verlieren. Viele sorgen sich, dass sie Angst und Panik nie mehr loswerden. Dass sie an einer Panikattacke sterben könnten. Aber warum machen uns diese Vorstellungen eigentlich so große Angst?

Weil sie ein Gefühl von Hilflosigkeit auslösen. Das Gefühl, nichts mehr tun zu können. Völlig ausgeliefert zu sein. Keine Kontrolle mehr über unser Leben zu haben. Und durch diese Machtlosigkeit fühlen wir uns enorm bedroht. Es scheint aussichtslos und hoffnungslos.

Und das ist der Grund, warum wir uns so gegen diese Gefühle und Gedanken wehren möchten. Sie dürfen auf keinen Fall da sein. Wir wollen die Kontrolle haben. Wir wollen handlungsfähig bleiben. Wir wollen über unser Leben bestimmen. Das darf uns keiner nehmen. Und weil wir uns so gegen diese Gedanken wehren, sie mit aller Macht von uns weghalten wollen, drängen sie sich immer wieder in den Vordergrund.

Was können wir also tun? Hast du dich mal umgedreht und geschaut, wovor du da eigentlich wegläufst? Wogegen du dich wehrst?

Ein Angstgedanke drängt sich in unser Bewusstsein, wir stellen uns bildlich das allerschlimmste Szenario vor, bleiben mitten darin stecken und dann versuchen wir dieses innerliche Bild so weit wie möglich von uns fernzuhalten. Das fällt uns aber deswegen so schwer, weil dieser Gedanke, dieses Bild eine enorme emotionale Ladung hat. Die Angst hat sich ja bereits »draufgesetzt« und versprüht ihre Gefühle. Das ganze Bild, der ganze Gedanke ist mit Angst besetzt. Und starke Emotionen lassen sich schwer wegdrängen. Sie werden sogar oft noch stärker, je mehr wir sie weghalten.

Nun hast du folgende Möglichkeit: Dreh dich um, schau der Angst in die Augen und akzeptiere in aller Ruhe alles, was kommt. Akzeptanz jeglicher Sache, die auf dich zukommen könnte. Akzeptanz jeglicher Krankheit, die dich je treffen könnte. Akzeptanz jeglicher Widrigkeit, die dir widerfahren könnte. Denn in dem Moment, wenn du widerstandslos akzeptierst, hat die Angst keine Macht mehr über dich.

Wenn du die Kontrolle aufgibst. Wenn du ihr sagst: Okay, dann passiert das eben. Ich bin damit einverstanden. Ich akzeptiere alles, was du mir an den Kopf wirfst. Ich lasse jeden Gedanken zu. Wenn ich diese Krankheit bekomme, dann ist das eben so. Wenn ich die Kontrolle verliere, dann verliere ich eben die Kontrolle. Wenn sich mein Partner trennt, dann ist das eben so. Okay. Wenn ich meinen Job verliere, dann ist das eben so. Ich akzeptiere das. Sogar: Wenn ich durch diese Panikattacke sterbe, dann ist das eben so.

Jetzt wirst du erst mal schlucken. Das hört sich hart an. Und das möchte man ja auf keinen Fall. Stimmt. Hier geht es auch nicht darum, dass man irgendeinen dieser Punkte willentlich möchte. Diese Sätze sollen bedeuten: Falls es passiert, dann ist es eben so. Du schließt Frieden mit allem, was die Angst dir sagt und in dir auslöst.

Und weißt du, was dann in dir passiert? Du hörst auf zu kämpfen. Und auf einmal wird es ruhig. Die Angst wird ruhig. Die Angst hält endlich ihre Klappe. Denn in dem Moment, wo du ihr sagst, dass du akzeptierst, was sie sagt, kann sie nicht mehr wüten und toben. Sie hat nur so lange Macht über dich, solange du sie fürchtest. Aber du hast ja keine Angst mehr vor ihr. Du stimmst ihr zu. Und allem, was kommt. Du lässt dich treiben. Bist mit allem einverstanden, was kommt. Und was auch wieder geht. Und du hast eine Sache immer im Hinterkopf: Du bist sowieso in Sicherheit.

Es ist okay

Seine stärksten Ängste zu »akzeptieren« und sich damit zu konfrontieren, kann eine enorme Herausforderung sein. Und es kann ein enormer Befreiungsschlag sein. Eine Herausforderung deswegen, weil es ja bedeutet, den Ängsten ins Gesicht zu schauen. Ihnen die Tür aufzumachen. Sie hereinzubitten und ihnen einen Platz anzubieten. Und zu sagen: Es ist okay, dass du da bist. Ich fürchte dich nicht mehr. Ich habe meinen Frieden mit dir gefunden. Es ist okay. Es ist okay. Es ist okay.

Viele Menschen erzählen, dass sie diesen Schritt lange nicht gewagt haben oder noch immer nicht wagen. Denn schon allein der Gedanke daran macht eine riesige Angst. Und das ist absolut nachvollziehbar.

Viele Menschen allerdings, die den Schritt gewagt haben, erzählen, dass sie danach einen anderen Blick auf die Ängste hatten. Dass es wie ein Befreiungsschlag war. Denn eigentlich kann uns die Angst danach nichts mehr anhaben. Und das kann Freiheit bedeuten. Es bedeutet, diese Gedanken denken zu können, ohne dass sie sich emotional aufladen. Es sind einfach nur Gedanken. Wenn wir alles akzeptieren, lassen die Angstgefühle nach. Bis sie ganz verschwinden.

Man könnte dies auch Konfrontation mit den Angstgedanken nennen. Du kennst die Konfrontation ja schon aus einem früheren Kapitel, in dem es darum ging, sich Situationen zu stellen, die Angst machen. Ich habe dir erklärt, dass die Vermeidung dieser Situationen dazu führt, dass die Angst bleibt oder sogar größer wird. Weil wir der Angst immer recht geben. Genauso ist das mit den Angstgedanken. Wenn wir die Augen davor verschließen und uns immer davon wegdrehen, bleiben sie bestehen. Weil wir ihnen recht geben. Und ihnen zeigen, dass sie so bedrohlich sind, dass wir sogar wegschauen müssen. Wenn wir zu ihnen hinsehen, uns mit ihnen auseinandersetzen, können wir einen anderen Umgang damit finden.

Und auch hier darf ich dir wieder sagen: Überfordere dich nicht. Für den Anfang kann es reichen, zwischen den Fingern der Hand, die man sich vors Gesicht hält, zur Angst hinüberzulugen. Denn sich mit den Ängsten auseinanderzusetzen kann auch richtig Angst machen. Es kann unangenehme Gefühle auslösen. Kann dein Nervensystem in Aufruhr bringen. Gewöhne dich und deinen Körper schrittweise daran. Atme ruhig und gleichmäßig dabei. Und mach dir klar, dass Kopf und Körper hier deswegen mit Angst reagieren, weil sie glauben, in Gefahr zu sein. Du darfst wieder zur Ruhe zurückfinden.

welche Form von Akzeptanz ist gemeint?

Es geht darum, eine gleichgültige, passive Akzeptanz zu entwickeln. Also keine Akzeptanz, die bedeutet, man müsse sich jetzt Tag und Nacht damit auseinandersetzen, wie es ist, mit einer unheilvollen Krankheit zu leben oder daran zu sterben. Es bedeutet also auf keinen Fall, dass man sich das wünscht.

Es geht um die Haltung: Es ist mir völlig egal, wenn ich diese Krankheit bekomme. Es ist mir völlig egal, wenn ich an dieser Panikattacke sterbe. Es ist mir völlig egal, wenn sich mein Partner von mir trennt. Es ist mir völlig, völlig egal.

Ich bin mit allem einverstanden, was kommt.

Wenn jetzt der Zeitpunkt dafür gekommen ist, dann ist das ohnehin so. Ich akzeptiere das. Eine radikale Akzeptanz von allem, was kommt. Denn ich kann es sowieso nicht ändern.

Menschen, die an diesem Punkt angelangt sind, berichten davon, dass plötzlich eine friedvolle Ruhe in sie einkehrt. Die Gedanken werden ruhig. Der Körper wird ruhig. Die Gefühle werden ruhig. Es ist nichts als Stille. Es gibt nichts mehr zu grübeln. Nichts mehr zu analysieren. Keine Horrorszenarien mehr. Nur mehr friedvolle Ruhe. Es ist so, wie es ist. Völlige Annahme der Situation. Völlig einverstanden mit allem. Egal, was kommt.

Schon jetzt, wenn ich diese Zeilen schreibe, merke ich, wie mein Atem ruhiger wird. Wie sich mein Körper mit dieser Akzeptanz verbindet. Mit allem, was ist. Mit allem, was sein wird. Alles darf sein. Es ist so, wie es ist. Akzeptanz bringt Ruhe in unser Nervensystem.

Nicht kämpfen.

Atmen.

Nur sein.

Merk dir das

Eine radikale Akzeptanz für alles, was kommt, bedeutet, dass man Frieden mit der Angst schließt. Man hisst die weiße Fahne. Kein Kampf mehr. Kein Dagegenhalten. Kein Wehren. Das lässt aufatmen. Zur Ruhe zurückfinden. Und genau da wollen wir hin. Um das Leben zu leben, das wir uns wünschen.

Nimm dir diese Gedanken mit

Probiere das aus

Stell dir vor, du sitzt der Angst gegenüber. Auf dem einen Stuhl die Angst. Auf dem anderen Stuhl du. Lass die Angst einfach reden. Zeig dich unbeeindruckt. Sie soll alles sagen, was sie zu sagen hat. Du sitzt tiefenentspannt auf deinem Stuhl, nickst und gibst manchmal ein »Aha« oder ein »Ist ja spannend« von dir. Lass sie einfach reden. Akzeptiere. Vollkommen.

Vielleicht spürst du, dass du beginnen möchtest, in den Kreislauf miteinzusteigen. Steig dann sanft wieder aus. Lehn dich zurück. Sag zu dir selbst: »Es ist okay.« Sag zur Angst: »Es ist okay.« Und geh dazu innerlich in eine vollkommen widerstandslose Akzeptanz. Atme ruhig und gleichmäßig. Es ist okay. Es ist okay. Es ist okay. Spüre die vollkommen widerstandslose Akzeptanz gemeinsam mit der vollkommenen Sicherheit in dir. Du bist in Sicherheit. Vollkommen.