Du hast in diesem Buch eine Menge Tools kennengelernt, um Angst und Panik zu überwinden. Du hast Informationen dazu bekommen, was im Körper bei Angst und Panik passiert und wie du dir dieses Wissen zunutze machen kannst, um dein Nervensystem zu beruhigen. Du hast erfahren, wie du einen anderen Umgang mit starken Gefühlen finden und wie du deine Haltung verändern kannst, wenn sich die Angst zeigt. Und du hast Werkzeuge an die Hand bekommen, um Angstgedanken zu hinterfragen und dich ins Hier und Jetzt zurückzuholen.
Vielleicht hast du im Moment das Gefühl, nicht zu wissen, wo du anfangen sollst. So viele Informationen, so viele verschiedene Gedankenimpulse, so viele unterschiedliche Übungen! Lass dir von mir sagen: Es gibt kein Richtig oder Falsch. Es gibt keinen Ablauf, den du ganz genau verfolgen musst, um deine Ängste bewältigen zu können.
Es geht darum, loszugehen für dein »neues Leben« und anzufangen. Es wird Rückschritte geben. Es wird Erfolge geben. Es wird Zeiten geben, in denen du den Kopf in den Sand stecken willst. Es wird Momente geben, in denen du die ganze Welt umarmen willst, weil etwas gelungen ist. Glaub mir, ich weiß, wovon ich spreche. Wenn ich eine Sache gelernt habe, dann ist es, dass ich liebevoll mit mir umgehen darf. Ich darf liebevoll mit mir sein, wenn ich keine Kraft habe, etwas auszuprobieren. Ich darf liebevoll mit mir sein, wenn ich mich nicht traue, etwas Neues zu üben. Ich darf liebevoll mit mir sein, wenn ich einen Rückzieher mache. Ich darf liebevoll mit mir sein, wenn ich einen Rückfall habe. Ich darf liebevoll mit mir sein, wenn ich etwas geschafft habe, und ich muss dies nicht als selbstverständlich ansehen. Ich darf liebevoll mit mir sein. Zu jedem Zeitpunkt in diesem Prozess. Und das möchte ich nun auch dir mitgeben.
Sei liebevoll mit dir
Sei liebevoll mit dir. Sei geduldig mit dir. Ängste und Panikattacken zu bewältigen, ist kein linearer Prozess. Es geht rauf und runter. Nach vorn und zurück. Es gibt Höhen und Tiefen. Aber einer Sache bin ich mir ganz sicher: Es gibt einen Weg da raus. Auch wenn du selbst manchmal nicht mehr daran glauben kannst. Es gibt ihn.
Es ist ein Weg, den nur du gehen kannst. Niemand kann dir das abnehmen. Du kannst dir die besten Helfer an deine Seite holen, was ich dir auch ans Herz lege, aber nur du kannst den nächsten Schritt setzen. Und genau darum geht es: Mach den nächsten Schritt. Probiere ein neues Tool aus diesem Buch aus. Hol dir einen anderen Gedanken in deinen Kopf. Mach etwas anders, als du bisher gemacht hast. Geh los. Für deine Lebensfreude, für deine Freiheit, für dein Leben.
Denn auch das ist eine Sache, die ich gelernt habe: Man muss die Sache anpacken. Abzuwarten und nur lange genug Dinge zu vermeiden hat noch kaum eine Angsterkrankung verändert. Das musste auch ich schmerzlich lernen.
Du kannst etwas tun. Du bist nicht machtlos. Du bist der Angst nicht ausgeliefert. Auch wenn sich das manchmal (oder sehr oft) so anfühlt. Und ja, wenn du beginnst, dich den Ängsten zu stellen, dann sei dir einer Sache bewusst: Da wird Angst sein. Da wird Panik sein. Du wirst Angst haben. Auch beim zweiten, dritten … fünfzehnten Übungsversuch. Und dabei geht es jedes Mal wieder um die Frage: Und wie gehe ich heute damit um? Welche Technik wende ich an? Wie kann ich mein Nervensystem herunterregulieren? Wie kann ich meinem Körper Sicherheit vermitteln? Was kann ich dieses Mal anders machen? Mit welcher Haltung trete ich der Angst heute gegenüber?
Und vielleicht spürst du bei der zwanzigsten Übung eine klitzekleine Veränderung. Vielleicht bemerkst du, dass die Angst auf einmal auf dem Absatz kehrtgemacht hat und auf einmal weg war. Vielleicht bemerkst du, dass sie sich nicht in aller Wucht gezeigt hat. Vielleicht bemerkst du, dass die körperlichen Reaktionen plötzlich weniger ausgeprägt waren. Und warum? Weil du diese Veränderung herbeigeführt hast. Weil du dir deiner Stärke bewusst geworden bist. Weil du anders gehandelt hast. Weil du gelernt hast, anders damit umzugehen. Weil du dir Wissen angeeignet hast, dass Angst eigentlich nur Adrenalin ist.
Weil du klarer geworden bist.
Und wenn du diese klitzekleine Veränderung bemerkst, dann mach sie dir bewusst. Mach dir ganz klar bewusst, dass du Einfluss genommen hast. Vielleicht das erste Mal in deinem Leben. Und mach dir bewusst, dass du diesen Einfluss ausdehnen kannst. Dass du immer mehr Einfluss auf deine Gefühle nehmen kannst. Dass du eben nicht ausgeliefert bist. Und dass du dadurch immer mehr Sicherheit bekommen wirst. Dass du dich selbst wieder als Person erlebst, die handlungsfähig ist. Die die Zustände ihres Nervensystems aktiv verändern kann. Die Ruhe in ihren Körper bringen kann. Die Sachlichkeit in ihren Kopf bringen kann, wenn die Gedanken panisch werden. Die Gelassenheit in eine Situation bringen kann, die chaotisch ist.
Du kannst diese Person werden. Und dafür darfst du an dir arbeiten. Dafür darfst du den nächsten Schritt gehen. Dafür darfst du dranbleiben. Denn diesen Weg zu gehen erfordert Zeit. Ein Nervensystem, das jahrelang im Alarmmodus war und auf jede potenzielle Gefahrenquelle mit starken Ängsten und Panikattacken reagiert hat, beruhigt sich nicht in einer Woche. Hier darfst du geduldig mit dir sein. Aber du darfst immer das Wissen im Hinterkopf haben: »Es geht. Ich kann mein Leben verändern, auch wenn ich jahrelang tagtäglich Angst hatte.«
Glaub mir, ich weiß, wovon ich spreche. Ich konnte keinen Supermarkt mehr ohne Panik betreten, auf keiner Autobahn mehr fahren, kein Restaurant mehr besuchen, keine Freunde mehr treffen, keinen Urlaub mehr machen, keinen Arztbesuch mehr wahrnehmen, keinen Sport mehr ohne Angst machen, nicht mehr allein sein, nicht mehr arbeiten, nicht mehr ohne Angst spazieren gehen. Ich hatte Angst vor Krankheiten, Angst vor dem Tod, Angst davor, verrückt zu werden, Angst vor der nächsten Attacke. Ich hatte Angst vor allem … und am meisten vor mir selbst. Und heute? Heute ist wieder Ruhe in meinem Nervensystem. Heute kann ich mein Leben wieder leben. Mein Nervensystem war außer Rand und Band. Ich durfte lernen, es zu beruhigen. Immer und immer wieder. Viele Hunderte Male. Bis es wieder gelernt hatte, sich selbst zu regulieren. Und heute übernimmt es diesen Job wieder selbst: Wenn ich aufgeregt bin, spüre ich, wie auf einmal wieder ganz automatisch Ruhe einkehrt. Wenn ich Stress habe, merke ich, wie es nach einer Pause verlangt. Wenn viel los war und ich einen tiefen Atemzug nehme, spüre ich die Verbundenheit zu meinem Nervensystem, das jetzt die Entspannung einleitet.
Und auch dein Nervensystem kann das wieder lernen. Du kannst das lernen. Du kannst wieder lernen, von Angst in Vertrauen zu wechseln. Du kannst wieder lernen, von Panik in das Gefühl von Sicherheit zu kommen. Du kannst wieder lernen, von innerer Unruhe zu Gelassenheit zu manövrieren.
Leg los. Und bleib dran. Hol dir Schritt für Schritt dein Leben zurück. Du schaffst das. Ich wünsche es dir von Herzen.