Zum Schluss dieses Buches möchte ich dir noch in kurzer Form ein paar Fragen beantworten, die mir sehr oft gestellt werden.
Wie gehe ich am besten mit Rückfällen um?
Immer wieder werde ich gefragt: »Klara, wie geht man mit Rückfällen um? Wenn es einem schon eine Zeit lang etwas besser ging oder eine Situation schon besser geklappt hat und die Angst plötzlich mit voller Wucht zurückkommt?«
Ich kann dir sagen, wie ich es gemacht habe: Ich habe geflucht, geweint, das Leben beschimpft, das Schicksal verdammt, geschrien, habe die Hoffnung aufgegeben, mich verkrochen und gar nichts mehr geübt. Und dann: habe ich mich wieder an irgendeinen der Punkte erinnert, die ich alle in diesem Buch zusammengeschrieben habe. Ich habe mir bewusst gemacht, dass ich unter der Decke verkrochen mein Leben nicht verändern werde, und bin aufgestanden. Und habe weitergemacht. Nach jedem Rückfall. Wieder und wieder. Bis die Rückfälle weniger wurden. Und weniger.
Und darum möchte ich dir hier sagen: Es wird Rückfälle geben. Es wird Phasen geben, in denen es dir schlecht geht. Es geht auf keinen Fall darum, zu erwarten, dass nach dem Lesen dieses Buches das ganze Leben nur mehr rosarot ist. Nein, manchmal ist es tiefschwarz. Und manchmal tut es auch gut und ist es wichtig, einfach einmal sitzen zu bleiben und zu weinen. Bis du wieder aufstehst und dir einen Tritt in deinen Allerwertesten gibst und dich an Folgendes erinnerst:
Und dann geht’s los.
Was können Angehörige tun?
Das ist auch eine Frage, die mich ganz oft erreicht. Wenn jemand, der dir nahesteht, eine Panikattacke oder starke Angstgefühle hat, dann sei einfach da. Und bewahre die Ruhe. Dein ruhiges Nervensystem ist die beste Unterstützung für jemanden, der aufgewühlt ist. Du kannst zum Beispiel sagen: »Ich bleibe so lange bei dir, bis es dir besser geht. Ich bin da.«
Manche Menschen mit Angstzuständen wollen reden, andere wollen schweigen. Manche möchten eine Umarmung, manche möchten keine Berührung. Manche möchten, dass eine andere Person anwesend ist, andere wollen allein sein. Hier gibt es kein allgemeingültiges Rezept. Am besten setzt man sich in einem guten, ruhigen Moment zusammen und die betroffene Person soll sagen, was sie in so einer Situation braucht.
Erstellt gemeinsam eine Art Notfallplan, der greift, wenn die Angst wiederkommt.
Ich rate Angehörigen, sich selbst auch Wissen anzueignen, was bei einer Panikattacke im Körper eines Menschen passiert. Dies kann dabei helfen, dass man selbst die Ruhe bewahrt. Außerdem kann man zum Beispiel anbieten, dass man gemeinsam ruhig atmet oder einen kleinen Spaziergang macht. Je nachdem, was der betroffenen Person guttut.
Einer der wichtigsten Punkte ist es, Sicherheit zu vermitteln. Eine Person, die starke Angst und Panik hat, fühlt sich gerade nicht sicher. Das Nervensystem wittert Lebensgefahr und dies kann Todesängste auslösen, obwohl sie äußerlich betrachtet in völliger Sicherheit ist. Das können die Betroffenen aber oft gar nicht in Worte fassen, weil sie selbst keine Erklärung für das haben, was in ihnen vorgeht. Diese Ungewissheit macht dann noch mehr Angst. Weil man gar nicht weiß, wovor man eigentlich genau Angst hat. Betroffene können nicht rational erklären, was da gerade mit ihnen passiert. Dies ist auch wirklich im aktuellen Moment nicht möglich, weil sie auf diesen Bereich im Gehirn keinen Zugriff haben, wenn die Angst massiv ist. Sie können also nichts dafür und brauchen Verständnis.
Angehörigen darf ich raten: Sei einfach da. Mit all deiner Ruhe. Mit all deiner Zuversicht. Mit all deiner Hoffnung. Du musst keine Lösung parat haben. Du musst die Angst nicht bekämpfen oder einen schlauen Spruch auf Lager haben. Sei einfach da. Und bring Ruhe und Sicherheit in die Situation.
Wo bekomme ich Hilfe?
Wenn du an einer Angsterkrankung und/oder an starken Angstsymptomen leidest und selbst nicht weiterweißt, kümmere dich um psychotherapeutische und/oder fachärztliche Unterstützung. Du musst da nicht allein durch. Es gibt Menschen, die dafür ausgebildet sind, um mit dir an genau diesen Themen zu arbeiten. Eine erste Anlaufstelle kann der Hausarzt oder die Hausärztin sein, von wo aus du an eine geeignete Person weiterverwiesen werden kannst. Oder du schaust dich im Internet um, ob es in deiner Gegend geeignete Anlaufstellen gibt. Körperliche Beschwerden sollten immer ärztlich abgeklärt werden.
Was können die Ursachen von starken Ängsten und Panikattacken sein?
Dieses Thema würde ein ganzes weiteres Buch füllen. Die Ursachen von Angsterkrankungen können vielfältig sein und sie können individuell in einer Psychotherapie betrachtet werden. Denn jeder Mensch bringt eine andere Vorgeschichte, einen anderen familiären Hintergrund, andere berufliche Bedingungen und so weiter mit. Hier nur eine kurze Zusammenfassung:
Genetische Faktoren können eine Rolle spielen. In Familien von Menschen mit Angsterkrankungen findet man oft eine Häufung dieser Diagnosen. Kinder lernen außerdem am Modell ihrer Eltern. Das bedeutet, dass zum Beispiel ein ängstliches Verhalten des Vaters oder der Mutter für die Kinder als Modell dient, dieses Verhalten zu »kopieren«. Eltern leben Ängstlichkeit also häufig vor.
Auf der neurobiologischen Ebene lässt sich sagen, dass Angsterkrankungen auf eine Dysregulation des Nervensystems zurückgehen können. Durch andauernden Stress oder ein Trauma kann die Fähigkeit des Nervensystems, flexibel auf Anforderungen zu reagieren, verloren gehen. Darum wechselt es öfter in den Alarmmodus. Das Angstzentrum produziert dann zu oft zu viel Adrenalin. Es kommt also zu Fehlzündungen und die Person hat in vielen Situationen Angst, obwohl sie augenscheinlich in Sicherheit ist.
Stress bedeutet hier nicht nur Arbeitsstress, sondern kann sich genauso auf ungesunde Beziehungen, Mobbing, Verluste, Trennung, familiäre Herausforderungen und Ähnliches beziehen. Unser Nervensystem ist prinzipiell sehr flexibel und belastbar. Wenn jedoch über einen zu langen Zeitraum zu viele Anforderungen auf uns einwirken, unser Nervensystem überfordert ist und wir nicht genügend regenerieren, verliert es nach und nach seine eigentliche Flexibilität.
Lerntheoretische Aspekte sind bei Angsterkrankungen auch ein wichtiger Punkt: Wenn man zum Beispiel in einem Tunnel einen Autounfall erlebt hat, kann es ein, dass plötzlich der Tunnel mit Angst verknüpft wird. Daraufhin kann es sein, dass jeder Tunnel Angst auslöst. Es werden also zwei Reize miteinander verknüpft. So wird Angst »gelernt«, denn zuvor hatte man in einem Tunnel keine Angst. Ich habe diese Verknüpfungen hier im Buch »falsche Verknüpfungen« genannt. Dies beschreibt, dass Menschen, die in einer Situation eine Panikattacke erlebt haben, diese mit Panik verknüpfen, obwohl die Situation an sich gar nicht gefährlich ist. Durch Vermeidung wird die Angst dann aufrechterhalten.
Es kann hilfreich sein, die vielfältigen möglichen Auslöser der Angst zu kennen.
Das Modell des Teufelskreises der Angst beschreibt auch, wie Angst entstehen kann. Hierbei geht es darum, wie sich die Wahrnehmung von körperlichen Veränderungen und die dabei auftretenden Gedanken gegenseitig verstärken und Angst auslösen können. Wenn wir zum Beispiel beim Fernsehen auf der Couch Herzrasen bekommen und zu schwitzen beginnen, machen wir uns wahrscheinlich zuerst auf die Suche nach Erklärungen. Wir hören immer mehr hinein und richten den Fokus auf den Körper und dessen Reaktionen. Wenn wir keine harmlose Erklärung für die Reaktionen finden, bewerten wir sie plötzlich als bedrohlich und denken vielleicht an einen Herzinfarkt. Das löst Angst in uns aus und die körperlichen Reaktionen, die Gedanken und die Gefühle schaukeln sich immer weiter auf. Wenn wir immer wieder in diesen Angstkreislauf einsteigen, können sich Ängste dadurch verfestigen und immer häufiger auftreten.
Dies waren kurz gefasst ein paar Ansätze dazu, wie Ängste und Panik entstehen können. Bei den meisten Menschen spielen mehrere Auslösefaktoren bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von Ängsten zusammen. Hier kann es wichtig sein, individuell daran zu arbeiten. Viele Betroffene berichten, dass sie schon jahrelang an diesen Auslösern gearbeitet haben und nach wie vor Ängste und Panikattacken haben. Meiner Erfahrung nach reicht meistens allein die Aufarbeitung von Auslösern nicht aus, um Ängste zu bewältigen. Angst hat sich in vielen Bereichen automatisiert. Ich erläutere das gern anhand des Beispiels mit dem Unfall im Tunnel und den Panikattacken, die nun in jedem Tunnel auftreten. Man kann jahrelang an diesem Thema des Unfalls (als Auslöser) arbeiten. Aber: Wenn der Betroffene nicht in der Situation im Tunnel lernt, sein Nervensystem zu beruhigen und wieder zur Ruhe zu kommen, kann es sein, dass die Panikattacken im Tunnel weiter bestehen bleiben – egal, wie lange schon am Auslöser gearbeitet wurde. Diese Angst kommt automatisch. Sie ist eingelernt. Das Gehirn hat eine Verknüpfung hergestellt. Und: Falls es sich gleichzeitig um ein Trauma handelt, ist es auch im Körper gespeichert.
Was ich damit sagen möchte, ist, dass die Arbeit am Auslöser nicht unbedingt gleichzeitig die Angstreaktion unseres Körpers auflöst. Meiner Meinung nach ist es unerlässlich, zu lernen, Einfluss auf diese Reaktionen des Nervensystems zu nehmen. Und dadurch wieder selbstwirksam zu werden. Je besser wir unser Nervensystem beruhigen und regulieren können, umso gelassener können wir mit Angstreaktionen umgehen. Und je gelassener wir damit umgehen, umso seltener treten sie auf. Aus genau diesem Grund hast du in diesem Buch ganz viel darüber erfahren, wie du dein Nervensystem beruhigen kannst. Für mich war das ein Gamechanger bei der Angstbewältigung.
Was kann noch zur Bewältigung von Ängsten und Panik beitragen?
Alles, was dir guttut. Achte auf genügend Schlaf, auf eine ausgewogene Ernährung, Bewegung an der frischen Luft, trinke genug Wasser. Umgib dich mit Menschen, die dir guttun. Überfordere dich und dein Nervensystem nicht. Setz dich nicht unnötigem Stress aus. Wenn du beruflich oder familiär im Dauerstress bist, überleg dir, was du daran ändern kannst. Wer kann dich unterstützen? Was kannst du abgeben? Wie kannst du wieder mehr Ruhe in dein Leben bringen? Wie kannst du dein Leben entschleunigen?
Alles, was dir wirklich guttut, beruhigt auch dein Nervensystem.
Ich habe mir angewöhnt, immer wieder einen Check meines Nervensystems zu machen. Bin ich gerade innerlich ruhig? Kann ich mit den Anforderungen, die an mich gestellt werden, umgehen? Wie geht es mir gerade? Fühle ich mich überfordert? Tut mir mein Lebensstil gut? Bin ich in meiner Mitte? Teile ich mir meine Ressourcen gut ein? Und wenn ich merke, dass etwas nicht passt, dann ändere ich das mittlerweile. Denn damit das Nervensystem flexibel und in Ruhe auf die täglichen Anforderungen reagieren kann, dürfen wir dafür sorgen, dass es uns gut geht. Pass also gut auf dich auf.
Und wenn du wieder einmal das Gefühl hast, dass alles über dir zusammenbricht?
Dann erinnere dich daran: