»Gut, dann gehen die Kinder noch mal hoch«, sagte Elisabeth, »damit der Weihnachtsmann nicht gestört wird, wenn er die Geschenke bringt. Ihr wisst ja, er und seine Wichtel sind sehr schüchtern. Also nicht aus dem Fenster schauen.«
»Okay«, sagte Mats. »Aber der soll sich beeilen. Doofer Weihnachtsmann.«
»Na, na«, schalt ihn Elisabeth. »Nun aber ab mit dir.«
Ronja und Mats rasten die Treppe hoch, Cord folgte ihnen mit Thea auf dem Arm, und auch Gesine schickte sich an, nach oben zu gehen. Pascal dachte unwillkürlich, dass seine Schwiegertochter wohl zu gern wissen wollte, wo Sylvie steckte.
»Kommt, helft uns«, sagte Elisabeth, als die Kinder außer Sichtweite waren. »Die Geschenke sind da in dem Schrank. Pascal, hilf mir mit dem Baum.« Zusammen zogen sie den Baum ein Stück in die Mitte des Wohnzimmers. »So reicht es wohl. Und nun legen wir alles unter den Baum. Aber möchtet ihr vielleicht erst einmal etwas trinken?«
»Ich wollte doch schon längst etwas aus der Küche holen, aber nun willst du ja erst mal den Baum …«, stotterte Pascal.
»Habt ihr eine gute Fahrt gehabt?«
»Es war die Hölle«, sagte Cleo. »Stau ab dem Münchner Ring, erst jenseits der Schweizer Grenze wurde es besser. Bis kurz nach St. Gallen der Schneefall losging. Bis zur Grenze war noch alles grün, und dann ging’s ab.«
»So viel Schnee«, flüsterte Samy und blickte immer wieder aus dem Fenster, als könnte er es kaum glauben.
»Komm, wir holen jetzt endlich einmal etwas zu trinken«, sagte Pascal zu Elisabeth. »Und ihr macht die Geschenke fertig, ja?«
Als sie in der Küche standen, flüsterte er: »Wer ist dieser Schwarze, den meine Tochter nach Hause bringt?«
»Herrje, Pascal, das ist doch nicht dein Ernst. Er war unser Nachbarsjunge in Düsseldorf – und Cleos erster richtiger Freund, als sie siebzehn war. »
»Der war Cleos Freund?«
»Ja. Er hat ein paar Straßen weiter gewohnt, in dem Hochhaus am Markt. Und hättest du nicht achtzig Stunden pro Woche in deiner Klinik zugebracht, hättest du sie bestimmt mal miteinander knutschen sehen.«
»Immer wenn ich zu Hause war, war Cleos Zimmertür zu.«
»Er war jedenfalls ihr Freund – und dann haben sie sich irgendwie getrennt, und er ist weggezogen. Ich glaube, Cleo hat sehr lange darunter gelitten. Und nun war ich genauso überrascht wie du, dass sie mit ihm hier auftaucht. Nach all den Reinfällen der letzten Jahre.«
»Also, den Typen letztes Jahr fand ich sehr nett.«
»Den Dachdecker? Echt?«
»Na, ich habe mich gut mit ihm verstanden.«
»Pascal, er hat dich mit Schnaps abgefüllt. Das ist keine Sympathie – das ist Schöntrinken.«
»Der Tiefpunkt war der Typ von dem Start-up für Beerdigungen – der mit den Turnschuhen, der ständig vom Elevator Pitch gefaselt hat, und ich weiß bis heute nicht, was das sein soll. Aber nun …«
»Komm, sei nett, mein Lieber, es ist Weihnachten. Und vielleicht … Na ja, vielleicht ist das ein gutes Zeichen. Ein Gruß aus der Vergangenheit.«
»Ich bin gespannt.«
»Wo bleibt denn unser Getränk?«, rief Cleo aus dem Wohnzimmer. »Da kommt man gerade erst an und muss gleich schon arbeiten.«
Pascal schaltete den Herd aus und nahm eine Kelle, dann füllte er in die bereitgestellten Tassen den roten Glühwein, den sie von einem Winzer aus dem Rheingau mitgebracht hatten und den er selbst noch mit Nelken, Vanille und Zimt verfeinert hatte. Für die Kinder gab es Früchtepunsch, obwohl Pascal kurz der Gedanke kam, Mats richtigen Glühwein zu geben. Vielleicht wurde er dann ruhiger. Er schalt sich jedoch gleich selbst für den Gedanken, stellte die Tassen auf ein Tablett und lief ins Wohnzimmer. Tatsächlich hatte Cleo mit Samys Hilfe alle Geschenke unter dem Baum verteilt.
»Hier, auf euer Wohl.« Pascal reichte ihnen die Tassen, Cleo griff überraschenderweise auch zum Kinderpunsch.
»Na, der Baum muss aber noch ein Stück rüber, ja?«
»Das ist jetzt nicht dein Ernst, Elisabeth.«
»Er stand immer ein wenig näher am Kamin.«
»Aber dann nadelt er uns doch morgen alles voll.«
»Nun zieh schon, Pascal, und diskutier nicht.«
»Das Fest der Liebe. Mein Lieblingsfest.«