23

Dienstags machten wir als Konditionstraining im Gewichtheben Tear-offs. Man hält das Gewicht so lange, bis man nicht mehr kann und eine Scheibe nach der anderen abgenommen werden muss. Tear-offs können einen zur Ekstase bringen, wenn man sie richtig macht. Seanie und JP sicherten die Stange ab und nahmen nach und nach die Scheiben runter, bis ich nur noch die Stange stemmte und sonst gar nichts, bis ich nicht einmal mehr die Stange stemmen konnte und sie mir helfen mussten, sie in die Halterung zurückzuheben.

»Donnerwetter. Winger hat Krafttraining gemacht«, sagte JP.

Ich lag einfach auf der Bank und rieb mir die Schultern. Es fühlte sich zu gut an.

»Winger hat den Muskelpump«, sagte Seanie. »Was hat Annie gesagt?«

»Wenn ich dir das sagen würde, würdest du wahrscheinlich eine MySite darüber machen.«

»Eine Annie-und-Ryan-Dean-MySite habe ich längst gemacht«, sagte Seanie.

»Na klar.«

Ich nahm ihm seinen Scheiß nicht mehr ab.

»Doch, bestimmt«, sagte Seanie. »Nur passiert darauf nie was.«

»Annie ist richtig heiß, Alter. Willst du uns echt nichts erzählen?«, fragte JP. Ich fasste seine Hand, und er zog mich hoch, damit wir Plätze tauschen konnten.

»Sie ist nicht mehr sauer auf mich«, sagte ich. Ich packte auf meiner Seite genauso viel Scheiben drauf wie Seanie auf seiner. Bei seiner Größe war JP natürlich fast doppelt so stark wie ich. Und dann fügte ich hinzu: »Und wir haben uns an den Händen gehalten.«

»Bitte nicht!«, sagte Seanie. »Du bist voll der verfickte Loser, Ryan Dean. Du bist in der elften Klasse, du Fucknase, nicht im Kindergarten.«

Ich zeigte Seanie den Finger und musste dann eine von JPs Scheiben von der Stange nehmen.

»Denk dran, Seanie, ich habe Joey dazu gebracht, sich deine Eier anzugucken.«

»Alter, Joey ist schwul. Den musst du nicht erst dazu bringen, sich meine Eier anzugucken. Aber du könntest ihn dafür zahlen lassen. Außerdem hat er sie sich noch gar nicht angeguckt.«

Jaja, im Kraftraum führen wir häufig tiefsinnige, philosophische Gespräche.

Wir nahmen die nächsten zwei Scheiben ab, aber JP hatte zu kämpfen, weil er lachen musste.

Als Seanie an der Reihe war, packten JP und ich ihm die volle Ladung drauf, und als er gerade die Langhantel stemmte und die Arme über der Brust durchdrückte, gingen wir fort und ließen ihn brüllen: »He! Fickt euch! Arschlöcher!«

Natürlich ließen wir ihn nicht so liegen. Wir wollten ihn nur verarschen. Aber Seanie stellte sich immer wegen allem Möglichen so an, als hätte man das größte Verbrechen gegen seine arme Seele begangen. Vielleicht war das eine der Sachen, die ich an Sean Russell Flaherty so komisch fand.

Als wir zur zweiten Stunde wieder unsere Schulsachen anzogen, fragte JP, ob ich meinte, sie würden irgendwelche Unannehmlichkeiten kriegen, weil sie mich am Abend in der O-Hall besucht hatten.

»Auch wenn er ziemlich schräg drauf ist, kapiert Farrow, glaube ich, dass ihr mir nur helfen wolltet«, sagte ich. »Ich denke nicht, dass er euch beim Direktor verpfeift, und wenn doch, werdet ihr deswegen bestimmt doch keinen Stress kriegen.«

»Hoffentlich hast du recht«, sagte JP.

»Ich hätte nichts dagegen, in die O-Hall zu kommen«, sagte Seanie. »Da könnte ich dich beim Poker abziehen.«

»Es würde dich anätzen. Und ich glaube, diese Frau, die unten wohnt, Mrs Singer, ist eine Hexe oder so.«

»Du hast doch Scheiße im Hirn, Winger«, sagte JP.

»Aber echt«, pflichtete Seanie ihm bei.

Aber sie hatten nicht gesehen, was ich gesehen hatte.